Grüner Wasserstoff: Hoffnungsträger auf dem Weg zu Net Zero

Die Industrieländer beabsichtigen, die Nutzung von grünem Wasserstoff als Energiequelle massiv zu steigern – auch die EU und die Schweiz. Das erfordert einen starken Ausbau der Elektrolyse-Kapazitäten. Damit steigt der Bedarf an grünem Strom und / oder Wasserstoffimporten immens. Sind die hochfliegenden Pläne realisierbar?

Text: Gerhard Wagner

Die Industrieländer verfolgen umfangreiche Ausbaupläne zur Nutzung des Energieträgers Wasserstoff. (Foto: iStock)

Die Europäische Union will bis 2030 die Produktion und den Import von grünem Wasserstoff auf jeweils 10 Millionen Tonnen pro Jahr hochfahren. Die Herstellung dieser Menge erfordert die Erweiterung der Elektrolysekapazitäten in der EU von derzeit 0,2 Gigawatt (GW) pro Jahr auf 65 bis 80 GW. Hierfür werden rund 500 Terrawatt-Stunden an Strom benötigt. Ist das machbar? Gemäss der Internationalen Energieagentur (IEA) wurden im Jahr 2021 innerhalb der gesamten EU ca. 1100 Terrawattsunden Strom mit erneuerbaren Energien produziert. Deshalb müssen die erneuerbaren Energien für die Wasserstoffproduktion massiv ausgebaut werden. Subventionen sollen dabei helfen.

An einer wirtschaftlichen Nutzung von Wasserstoff wird bereits seit Jahrzehnten geforscht. Durchsetzen konnte sich Wasserstoff als Energieträger jedoch bis heute nicht. Der dringende Bedarf an Dekarbonisierung hat zu einer Neubewertung der Leistung des Energieträgers Wasserstoff und den dazu nötigen Produktionsprozessen geführt.

300 Milliarden Euro im  REPowerEU Plan

In der EU sollen die hochgesteckten Ziele durch den REPowerEU Plans gefördert werden. Der Plan wurde am 18. Mai 2022 vorgelegt – als Reaktion der EU auf den russischen Überfall auf die Ukraine. Der RepowerEU Plan sieht ein Investitions­volumen von EUR 300 Milliarden vor und besteht zu wesentlichen Teilen aus nicht abgerufenen Corona-Krediten. Diese werden nun umgewidmet, um die «Net-Zero-Industrie» (Windkraft , Solarzellen, Wärmepumpen, Batterien, E-Autos und Wasserstoff) zu fördern. Ziel des Plans REPowerEU ist es, die Energieversorgung der EU in drei Dimensionen langfristig zu sichern:

  1. Senkung des Energieverbrauchs
  2. Erzeugung sauberer Energie
  3. Diversifizierung der europäischen Energieversorgung

Wasserstoff spielt dabei eine Hauptrolle, da er die Energieversorgung diversifiziert und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, insbesondere von Erdgasimporten verringert.

Auf Importe angewiesen

Die EU will im Jahr 2030 insgesamt 10 Millionen Tonnen Wasserstoff importieren. Dafür kommen alle Länder in Frage, die einerseits grosse Mengen an erneuerbarem Strom erzeugen können und die andererseits über Wasser verfügen, da Wasserstoff via Elektrolyse mit Strom und Wasser hergestellt wird. Mit Ländern wie zum Beispiel Mauretanien, Angola, Namibia, Chile, Island oder Norwegen laufen – teilweise sehr weit fortgeschrittene – Gespräche bezüglich einer langfristigen Wasserstoff-Kooperation. Erste Rahmenverträge wurden bereits abgeschlossen. Allerdings sind bisher weniger als eine Million Tonnen Wasserstoff-Importe aus diesen Ländern geplant. Es bleibt abzuwarten, ob sich genügend Länder finden, die im Jahr 2030 ausreichend Wasserstoff produzieren und diesen dann auch in die EU exportieren wollen.

EU-Wasserstoffimporte - strategisches Ziel versus aktuelle Vorverträge (Angaben in Mio. Tonnen)

Quelle: International Energy Agency

Wettlauf zwischen USA und EU

Zwischen den USA und Europa hat im Kampf um die Vorherrschaft über die Ressourcen, welche für die Energiewende erforderlich sind, ein Subventionswettlauf begonnen. Inflation Reduction Act (IRA) dort, REPowerEU hier. Für Stakeholder der Wasserstoffwirtschaft bleibt in den kommenden Jahren folgende Frage zentral: Wird die EU die Subventionen erhöhen, wenn sie feststellt, dass der Ausbau der Wasser­stoffwirtschaft den ehrgeizigen Erwartungen hinterherhinkt? Dass Brüssel bereit ist, mehr für die Energiewende zu tun, liess die EU-Reaktion auf den amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) erkennen. Die EU-Beihilferegeln sollen so gelockert werden, dass die 27 Regierungen grüne Finanzmittel nun auch in Form von Steuer­vergünstigungen an Unternehmen auszahlen können. Ob die EU aber in der Lage sein wird, zehn Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr ab 2030 zu importieren, ist aus heutiger Sicht mit sehr grosser Unsicherheit behaftet.

Was unternimmt die Schweiz?

Das Bundesamt für Energie ist dabei, eine «Wasserstoff-Roadmap» zu erarbeiten. Geplante Vorlage: Frühjahr 2023. Die Roadmap soll für Investoren und öffentliche Institutionen verlässliche Rahmen­bedingungen schaffen. Einigkeit besteht, dass Wasserstoff ein unverzichtbares Element der Schweizer Net-Zero-Strategie-2050 sein muss. Ex-Bundesrätin Simonetta Sommaruga mahnte, vorwärtszumachen. Es liegen diverse Motionen zum Thema «Wasserstoff» vor. In der Diskussion sind unter anderem Investitionsbeiträge, Steuererleichterungen oder Vereinfachung der raumplanerischen Auflagen. Beispiele für Schweizer Unternehmen, die beim Thema Wasserstoff bereits am Start sind: Axpo, H2Energy, Hydrospider, ebs Wasserstoff AG, AVIA/Schätzle.

Eignet sich das Thema «Wasserstoff» als Anlagethema?

Weltweit hat das Thema «Wasserstoff» seit Jahren Investments angelockt. Entsprechend haben Emittenten diverse Wasserstoff-Indizes, Wasserstoff-ETF und Wasserstoff-Zertifikate aufgelegt. Deren Performance ist aktuell ernüchternd. Wasserstoff­aktien erlebten in den Jahren 2019/2020 bis Anfang 2021 einen regelrechten Hype – seitdem gehen die Kurse begleitet von erheblicher Volatilität kontinuierlich nach Süden. Der Grund: Mit Wasserstoff-Technologie wird auf Jahre hinaus noch kein Geld verdient. Daran hat auch das Füllhorn der Subventionen diesseits und jenseits des Atlantiks nichts geändert. Fazit: Die Energiewende und der Weg zu Net-Zero sind ein wirtschaftlicher Kraftakt, der Gewinner und Verlierer hervorbringt – auch beim Spezialthema Wasserstoff. Das Thema ist damit nur für sehr risikobewusste Investoren mit sorgfältigem Research einzelner Unternehmen geeignet.

Wasserstoff: grün, blau, grau, rosa

Die CO2-Emissionen bei der Herstellung von Wasserstoff bestimmen dessen «Farbgebung»:

  • grauer Wasserstoff: Aus Wasserdampf und kohlenstoffhaltigen Energieträgern (in der Regel Erdgas) wird Wasserstoff gewonnen. Das dabei entstehende CO2 entweicht in die Atmosphäre.
  • blauer Wasserstoff: Vorgang identisch wie beim grauen Wasserstoff. Das CO2 wird indes durch Kohlenstoffabscheidung aufgefangen und gespeichert.
  • grüner Wasserstoff: Die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) geschieht mittels Elektrolyseverfahren und erneuerbarem Strom. Die CO2-Emissionen sind praktisch bei null.
  • rosa Wasserstoff: wie grüner Wasserstoff, doch mit zusätzlichem Einsatz von Atomstrom.