Update: Zinsanstieg - Bedrohung für Immobilienanlagen?

Bereits im Juni 2022 hatten wir uns Schweizer Immobilien im Spannungsfeld von Inflation und steigenden Zinsen angesehen. Nachdem die Leitzinsen weiter angehoben wurden und die Inflation ihren Höhepunkt wohl überschritten hat, bieten wir hier ein Update zur Situation.

Dieter Galli, Senior Portfolio Manager Multi-Assets

Immobilienanlagen verfügen immer noch über einen Bewertungspuffer gegen steigende Zinsen. (Foto: iStock)

Der Blick zurück zeigt: Immobilienanlagen haben wirksam gegen steigende Inflation geschützt. Wie sieht es im aktuellen Marktumfeld aus? Die zentrale Botschaft lautet: Die Bewertung von Immobilien weist immer noch einen Puffer gegen steigende Zinsen auf.

Das Zinsumfeld

Da sich im Vergleich zum Frühjahr 2022 nur die kurzen Zinsen markant erhöht haben (vgl. Grafik), ist bei langfristigen Finanzierungen kein zusätzlicher Druck auf den Immobilienmarkt zu sehen; die kurzfristigen SARON-Hypotheken sind dagegen deutlich teurer geworden.

Zinsentwicklung in der Schweiz

Quelle: Schweizerische Nationalbank

Diskontierungszinssatz nochmals tiefer

Als Approximation für die Wertermittlung von Immobilien dient wie bereits in der Analyse vom Juni 2022 der breit diversifizierte Immobilienfonds Swisscanto (CH) Real Estate Fund Ifca. Anhand des Fonds werden die durchschnittlichen Diskontierungssätze abgeleitet (siehe nachfolgende Abbildung). Der Diskontierungssatz einer Liegenschaft wird im Rahmen der Ertragswertermittlung verwendet, um die künftigen Cashflows abzudiskontieren und so den Wert der Liegenschaft zu ermitteln. Letzterer sinkt, wenn der Diskontierungssatz steigt und vice versa. Die Diskontierungssätze werden in der Grafik zum zehnjährigen SARON-Satz in Relation gesetzt.

Diskontierungssatz und langfristige Zinsen

Quellen: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg

Der Chart zeigt: Derzeit gibt es weiterhin eine Differenz zwischen dem 10-jährigen Swap-Satz und den Diskontierungssatz, obwohl der durchschnittliche Diskontierungssatz von den Immobilienschätzern nochmals gesenkt wurde. Diese auf den ersten Blick überraschende Senkung wurde mit dem aktuellen Umfeld begründet, vor allem dem knappen Wohnungsangebot aufgrund der starken Zuwanderung in die Schweiz und der zu geringen Bautätigkeit. Bei Gewerbeimmobilien wurden die Diskontierungssätze und damit die Bewertung der Immobilien kaum angepasst. Die Diskontierungssätze dürften sich von nun an auch für Wohnimmobilien tendenziell seitwärts bewegen. Mit einem Anstieg ist erst im negativen und unwahrscheinlichen Szenario zu rechnen, bei dem der zehnjährige CHF-SARON-Zinssatz Richtung 4 Prozent steigt.

Der Blick zurück zeigt: Als der Swap-Satz 1989 über die Diskontierungssätze kletterte, kam es mit rund zwei Jahren Verzögerung zu einer Erhöhung des Diskontierungssatzes und in der Folge zu sinkenden Immobilienpreisen. Seit den 90er Jahren sanken die Zinsen kontinuierlich. Perioden mit kleineren Zinsanstiegen hatten keinen nennenswerten Einfluss auf die Diskontsätze.

Agios der kotierten Immobilienfonds

Wir halten fest: Die Bewertungen der Immobilien sind nicht unmittelbar von Zinserhöhungen bedroht. Kotierte Immobilienfonds handeln jedoch nicht zum Net Asset Value (NAV), sondern zu einem Marktpreis, welcher ein Agio oder Discount zum NAV aufweisen kann. Die Agios sind in den vergangenen 20 Jahren wegen sinkender Zinsen gestiegen. Hauptgrund hierfür war, dass Immobilienanlagen höher rentierten als Obligationen.

Entwicklung von Agios und Zinsen (invertiert) seit 1990

Quellen: Zürcher Kantonalbank, Bloomberg

Der Chart zeigt, dass die Rendite zehnjähriger Eidgenossen negativ mit dem Agio / Disagio der Immobilienfonds korreliert ist. Das heisst: Steigen die Zinsen, dann sinken die Agios. Wie auch zu erkennen ist, sind gewisse Ausschläge wie 1993, 2001, 2008, 2015 und 2018 nicht mit den Zinsen allein erklärbar. Der andere Faktor, welcher in diesen Jahren gewirkt hat, war die Performance des Schweizer Aktienmarktes.

Agios auf tiefem Niveau

Wie wir letztes Jahr angesichts der historisch hohen Bewertung prognostiziert haben, sind die Agios weiter zurückgekommen. Die Agios befinden sich jetzt wieder auf Niveaus, die nur noch knapp über den Werten der Finanzkrise im Jahr 2008 liegen. Angesichts der im langfristigen Vergleich immer noch tiefen Zinsen und der im internationalen Vergleich nach wie vor guten Wirtschaftslage in der Schweiz, dürften sich die Agios stabilisieren statt weiter nachzugeben.

Fazit

Höhere Zinsen werden die kontinuierliche Höherbewertung von Immobilien zwar bremsen, solange aber die langfristigen Zinsen unter den Diskontierungssätzen der Schätzer bleiben, wird es zu keinen nennenswerten Bewertungskorrekturen bei Immobilien im Direktbesitz kommen. Bei den kotierten Fonds haben die Agios unter den steigenden Zinsen bereits stark gelitten und nun ein Niveau erreicht, dass wir als attraktiv einschätzen.

Immobilien – egal ob im Gewerbe- oder Wohnbereich – bieten nach wie vor einen guten Schutz gegen Inflation, weil die Mietzinsen im Gewerbebereich in der Regel an die Inflation gekoppelt sind. Bei Wohnimmobilien wird die absehbare Erhöhung des Referenz-Zinssatzes diesen Sommer zu Mietzinserhöhungen führen.

Exkurs: Vergleich zu den 1970er-Jahren

Wie haben sich Immobilienanlagen in den turbulenten 1970er-Jahren entwickelt und welcher Schluss lässt sich daraus für die heutige Marktlage ziehen? Dieser Fragestellung sind wir bereits letztes Jahr nachgegangen; diesmal zeigen wir zusätzlich, wie ähnlich der aktuelle Inflationsverlauf im Vergleich zu damals ist.

1971: Zeitenwende in der Geldpolitik

Auslöser dieser geldpolitischen Zeitenwende war US-Präsident Richard Nixon, der den Dollar vom Gold loslöste. Seitdem ist die Weltleitwährung nur mehr eine Papierwährung, die sich beliebig vermehren lässt. Nixon brauchte mehr Liquidität. Die USA mussten den Vietnamkrieg und das umfassende Sozialprogramm «Great Society» finanzieren.

1973: ein weiteres folgenschweres Ereignis

die arabischen Staaten erliessen ein Ölembargo gegen den gesamten Westen. Dies führte zu stark steigenden Rohstoff- und Goldpreisen und zu einem Inflationsschock. Die Inflation wurde zum Selbstläufer. Sie konnte erst mit drastischen Zinserhöhungen Anfang der 1980er Jahre durch den damaligen Präsidenten der US-Notenbank, Paul Volcker, gestoppt werden.

Parallelen zu heute

Wie bereits letztes Jahr aufgezeigt, ähnelt die heutige Situation der Situation in den 1970er Jahren. Die Grafik zeigt die US-Inflation der 1970er Jahre im Vergleich zu heute, der bisherige Verlauf weist eine erstaunliche Ähnlichkeit auf. Ob die Inflation diesmal auch eine zweite Welle machen wird, bleibt abzuwarten. Wir schätzen, dass die Demografie und die Deglobalisierung mittelfristig zu einem etwas höheren Preisdruck führen werden.

US-Inflation in den 1970er Jahren und heute

Quelle: Bloomberg

Die gestiegenen Rohstoffkosten resultierten 1974 in einer Rezession, wobei die Inflation hoch blieb. In der Folge glitten Europa, die Schweiz und die USA in eine Stagflation. Firmen litten unter hohen Rohstoff- und Zinskosten und schrumpfenden Umsätzen. Dies führte dazu, dass Aktien eine zweijährige Baisse durchliefen.

Immobilien – Fels in der Brandung

In den 1970er Jahren haben Schweizer Immobilienfonds im Gegensatz zu Aktien und Obligationen eine relativ stabile Rendite geliefert. Einzig 1974 kam es zu nennenswerten Preisabschlägen bei Immobilienfonds – vergleichbar mit dem, was wir im Jahr 2022 erlebt haben. Ob sich die Immobilien bereits dieses Jahr wieder stabilisieren, wie 1975 als wieder ein positiver Gesamtertrag erzielt wurde, muss sich weisen. Die Performance YTD des SWIIT Index beläuft sich auf +2.3% (Stand 26.4.).

Immobilien waren neben Gold und Rohstoffen in den 1970er Jahren diejenige Anlageklasse, welche die Inflation überkompensieren konnte. Im Gegensatz zu Rohstoffen und Gold erzielten Immobilien auch im darauffolgenden Jahrzehnt eine positive Performance. Unserer Auffassung nach stehen die Chancen bei Immobilien auch heute gut, Anleger für eine allfällige Inflation zu kompensieren.

70er Jahre: Inflation und diversen Anlageklassen

Quellen: Schweizerische Nationalbank, SIX, Bloomberg

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