Unterschätzte Doppel­belastung

Neben der Ausbildung eine nahestehende Person mit gesundheitlicher Beeinträchtigung pflegen? Für einige junge Menschen gehört das zur Realität. Gemäss einer Studie in Zusammenarbeit mit Careum Hochschule Gesundheit (CHG) sind 7% unseres Nachwuchses sogenannte Young Carer. Warum uns als Bank das Thema so wichtig ist und wie wir unterstützen, sagt Petra Düsel-Rüfenacht, Co-Leiterin Nachwuchs.

Text: Johanna Stauffer

Petra Düsel-Rüfenacht, Co-Leiterin Nachwuchs
Petra Düsel-Rüfenacht, Co-Leiterin Nachwuchs bei der Zürcher Kantonalbank (Bild: Flavio Pinton)

Frau Düsel, können Sie uns vorab kurz sagen, was Young Carer genau sind?

Young Carer sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die neben ihrem normalen Alltag einen pflegebedürftigen Angehörigen massgeblich und regelmässig unterstützen beziehungsweise pflegen. Das können die Eltern, Grosseltern, ein Geschwisterkind oder auch Freunde sein. Diese jungen Menschen tragen eine grosse Verantwortung, die gesellschaftlich nicht für sie vorgesehen ist – und durch die sie sich von anderen Altersgenossen unterscheiden.

Wir haben als einziges Grossunternehmen bei der Young Carer-Studie von Careum Hochschule Gesundheit mitgemacht. Warum?

Young Carer gibt es zwar schon immer, ihre Rolle wurde aber bisher kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen – und es fehlten auch konkrete Zahlen und Erkenntnisse. Careum Hochschule Gesundheit, ein Teil der der Kalaidos Fachhochschule, beschäftigt sich nun seit einigen Jahren damit. Als sie eine Studie unter Deutschschweizer Lernenden planten, haben sie auch uns angefragt, ob wir teilnehmen möchten. Für uns als einer der grössten Ausbildungsstätten im Kanton war die Antwort klar: Ja! Wir wollen wissen, ob das ein Thema ist, das unseren Nachwuchs betrifft. Und im Fall des Falles, inwiefern dieser im Alltag die Herausforderungen einschätzt und wie wir als Arbeitgeberin helfen können. Der Rücklauf war enorm: Über 80% unseres angeschriebenen Nachwuchses hat teilgenommen und einen rund halbstündigen Online-Fragebogen ausgefüllt. Die Umfrage lief zwischen 2018 und 2020, vor Kurzem haben wir dann die Detailanalyse der Resultate dazu bekommen.

Dabei kam heraus, dass etwa 7% unseres Nachwuchses Young Carer sind. Überrascht Sie die hohe Zahl?

Nein, leider nicht – sie liegt sogar etwas unter dem Durchschnitt aller Befragten in der Studie. Als Leiterin Nachwuchs bekomme ich in Gesprächen mit, wie viel noch nebenbei geleistet wird. Aber die wenigsten reden von sich aus prominent darüber. Entweder sie sehen es als selbstverständlich an und denken, es wäre keine grosse Sache. Auch sind manche vorsichtig, weil sie Angst haben, dass mit dem Involvieren von Externen die Familie auseinanderbrechen könnte: zum Beispiel, dass die alkoholkranke Mutter dann in den Entzug gehen müsse und sie allein wären. Oder sie schämen sich sogar. Es geht hier ja auch nicht um eine Grippe oder ein gebrochenes Bein, sondern um wirklich einschneidende und langfristige Dinge wie zum Beispiel Krebs, Sucht, Behinderungen oder auch eine psychische Erkrankung.

Hat Corona die Situation verschärft?

Absolut – nicht nur für Young Carers, sondern für den gesamten Nachwuchs. Normalerweise kommt mit dem Lehrbeginn auch das langsame Lösen vom Elternhaus, man sammelt viele neue Erfahrungen und wird selbstständiger. Und mit Corona passiert das Gegenteil: Plötzlich sind die jungen Leute wieder mehr zu Hause, man kann sich als Familie nicht mehr aus dem Weg gehen. Das ist im Übrigen nicht nur für die jungen Menschen eine grosse Herausforderung, sondern auch für die Eltern. Für Young Carer ist das besonders schlimm, da sie sich noch weniger abgrenzen können.

Wie engagiert sich die Bank?

Zunächst einmal: Die Situationen der Young Carer sind jeweils sehr individuell und persönlich – als Arbeitgeber muss man da sehr behutsam vorgehen, und es gibt keine Standard-Lösung. Nicht jeder oder jede möchte seine Situation mit dem Arbeitgeber teilen oder wünscht überhaupt Hilfe. Das respektieren wir natürlich. Aber uns war zweierlei wichtig: für das Thema zu sensibilisieren und aufzuzeigen, dass wir als Bank Unterstützung bieten können. Zum Beispiel mit unserer externen Mitarbeitendenberatung Movis. Die Bank übernimmt hier acht Beratungsstunden, die natürlich absolut vertraulich sind. Ergänzend haben wir ein Netzwerk an Psychologen und Care-Managern. Der Vorgesetzte oder auch wir vom Nachwuchs-Team können hier erste Anlaufstelle sein. Daneben kann ich noch das regelmässige Young Carers «Get-together» der CHG empfehlen sowie die Website www.147.ch.