Silicon Valley Bank - Pleite, Pech und Pannen

Nach der Schliessung der Silicon Valley Bank (SVB) mit Sitz in Santa Clara, Kalifornien erläutert Daniel Björk, Fondsmanager des Swisscanto (LU) Bond Fund COCO, wie das Geschäftsmodell der Bank durch Pech und Pannen in die Pleite mündete. Schuld sind die Zinswende, aber auch fatale, bankinterne Nachlässigkeiten.

Text: Daniel Björk

Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) kam nicht von ungefähr. SVB muss steigenden Zinsen und dem Ende der Tech-Bubble Tribut zollen. Foto: iStock.com

Kurz und knapp lässt sich sagen, dass die Silicon Valley Bank (SVB) eine sehr riskante Bank war. Das lässt sich in mehreren Dimensionen festmachen:

  • 1. Warnlampe 🚨 beim Kunden- und Geschäftsmix,
  • 2. Warnlampe 🚨🚨 beim Liquiditätsmanagement,
  • 3. Warnlampe 🚨🚨🚨 beim Zinsrisikomanagement und
  • 4. Warnlampe 🚨🚨🚨🚨 bei der Unternehmensführung.

Mehr zur Auswirkung der Pleite auf die Finanzmärkte in unserem Market-Minute-Video.

War die SVB eine typische Bank?

Die SVB war alles andere als eine typische Bank, da sie sich darauf konzentrierte, die Bank im Herzen des kalifornischen Risikokapital-Ökosystems zu sein. Der Grossteil des Bankgeschäfts wurde mit Start-up-Unternehmen getätigt - vor allem in den Bereichen Technologie und Biotechnologie. Infolgedessen war der Kundenmix sehr konzentriert, und die fehlende Diversifikation wurde noch dadurch verstärkt, dass es sich bei ihren Kunden um Start-up-Unternehmen handelte, die in der neuen Zins-Welt, in welcher der Zugang zu Geld teurer und schwieriger wird, besonders anfällig sind. Das ist die erste Warnlampe, die wir bei der SVB aufleuchten sahen. 🚨

Wenig diversifiziertes Geschäftsmodell

Wenn die Start-up-Kunden Finanzmittel aufgenommen hatten, legten sie diese bei der SVB an und hoben sie nach Bedarf ab, je nachdem, wie schnell sie in ihrem Unternehmen Geld verbrannten. Das SVB-Geschäft bestand hauptsächlich darin, die Gelder der Kunden als Einlagen zu verwahren (solange die Kunden das Geld nicht benötigen). Dies führte zu einem ungewöhnlich niedrigen Verhältnis von Krediten zu Einlagen von etwa 40-50 %. Zum Vergleich: Der Median des Verhältnisses von Krediten zu Einlagen liegt bei großen US-Banken bei etwa 80 % und bei grossen europäischen Banken bei etwa 100 %. Mit anderen Worten: Grosse US-amerikanische und europäische Banken haben ein viel ausgewogeneres Geschäftsprofil.

Verhältnis von Ausleihungen zu Einlagen im Branchenvergleich

Source: Bloomberg

Die folgende Grafik zeigt den extremen Anstieg der Einlagen bei der SVB in den Jahren 2020 und 2021, der darauf zurückzuführen war, dass den Kunden der SVB reichlich Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Das jährliche Einlagenwachstum bei der SVB erreichte 2021 einen Spitzenwert von 85 Prozent YoY! Das ist ein extrem hoher Wert im Vergleich zu den 13 Prozent bei grossen US-Banken und nur sechs Prozent bei europäischen Banken. Die Grafik zeigt auch, wie sich die Einlagen bei der SVB in den letzten 12 Monaten entwickelt haben. Sie brachen regelrecht ein. Warum? Als der Fluss frischer Finanzmittel für die Kunden im Bereich der Technologie-Start-ups versiegte, ging der Cash-Burn dort trotzdem unvermindert weiter (Start-up-Unternehmen sind «von Natur aus» cashflow-negativ).

SVB: Wachstum der Einlagen (im Vorjahresvergleich in %)

Quelle: Bloomberg

Bei der Analyse von Banken gilt ein starkes Einlagenwachstum in der Regel als ein Warnzeichen, da es die Geschäftsleitung erfahrungsgemäss zu schlechten Entscheidungen verleiten kann. Wenn die Nachfrage nach Krediten von Seiten der Kunden gering oder nicht vorhanden ist, kann eine Bank beschliessen, die Einlagenzuflüsse in Wertpapieranlagen zu investieren, was in der Folge zusätzliche Liquiditäts-, Kredit- und/oder Zinsrisiken verursachen kann. Das ist die zweite Warnlampe, die wir bei der SVB aufleuchten sahen. 🚨🚨

Genau das hat sich bei der SVB abgespielt. Angesichts der begrenzten Kreditnachfrage ihrer Kunden beschloss die SVB, ihr Anleiheportfolio aufzustocken, um zusätzliche Zinserträge zu erwirtschaften (siehe Grafik unten). Dies war ein weiteres Warnzeichen im Zusammenhang mit der SVB. 

SVB: Einlagen, liquide Mittel und Anleihen-Portfolio (in Milliarden USD)

Quelle: Bloomberg

Liquiditätsanforderungen

Ein solches Portfolio muss liquide sein und aus hochwertigen Anleihen bestehen, damit man in der Lage ist, Anleihen schnell und zu minimalen Kosten zu verkaufen, um etwaige Einlagenabflüsse auszugleichen. Die übliche Treasury-Praxis der Banken besteht darin, zur Minimierung des Zinsrisikos entweder in variabel verzinsliche Anleihen oder in Schatzwechsel mit kurzer Laufzeit (30-90 Tage) zu investieren und/oder das Zinsrisiko im Anleihenportfolio durch Zinsswaps für längere Laufzeiten abzusichern.

Angesichts des begrenzten Bargeldbestands zwangen die Einlagenabflüsse die SVB dazu, einen Teil des Anleihebestands zu verkaufen. Dies ist insofern normal, als ein liquides und qualitativ hochwertiges Anleiheportfolio einer Bank dazu dient, bei Bedarf Liquidität bereitzustellen. So weit, so gut.

Was dagegen nicht üblich ist

SVB agierte so, als ob die Einlagen über mehrere Jahre zur Verfügung stehen würden: Die meisten der gekauften Anleihen (hypothekarisch gesicherte Anleihen und US-Staatsanleihen) wiesen längere Laufzeiten mit fester Verzinsung auf. Das Bond-Portfolio der SVB hatte eine mittlere Duration von 5,6 Jahren. Da eine derart hohe Duration mit einem erheblichen Zinsrisiko einhergeht, ist eine entsprechende Zinsabsicherung erforderlich. Es scheint jedoch, dass die SVB nur ein minimales Mass an Zinsabsicherung vorgenommen hat (USD 550 Millionen für das Anleihen-Portfolio im Wert von USD 120 Milliarden und das Ganze erst im Oktober 2022). Daher ging bei der Analyse des Zinsrisikomanagements die dritte Warnlampe an. 🚨🚨🚨

SVB Anleihen-Bestand in USD Milliarden

Quelle: Bloomberg

Eine Bank kann wählen, wie sie eine Anleihe verbucht:

  1. als «Available for Sale»; dann spiegeln sich Kursveränderungen sich in den Kapitalveränderungen wider, oder
  2. als «Held to Maturity»; dann wird der Anschaffungswert über die Laufzeit der Anleihe abgeschrieben und es findet keine Berücksichtigung von Kursveränderungen statt.

Die SVB hat sich dafür entschieden, den Grossteil des Zinsrisikos nicht abzusichern, sondern den grössten Teil ihres Anleiheportfolios als «bis zur Endfälligkeit gehalten» zu verbuchen (siehe Grafik oben). Dies bedeutet, dass Anleiheverluste durch höhere Zinsen nur dann berücksichtigt werden, wenn eine Anleihe aus diesem Portfolio vor ihrer Fälligkeit verkauft wird.

Im Vergleich zu grösseren, gut regulierten Banken in den USA und Europa ist der Anteil des Anleiheportfolios der SVB, der mit Held-to-Meturity bilanziert wird, sehr gross (siehe Grafik unten). Wir betrachten dies als schlechtes Liquiditätsrisikomanagement und sehen hier die Warnlampe Nummer 4 aufleuchten. 🚨🚨🚨🚨

SVB: Anteil der mit Held-to-Maturity bilanzierten Anleihen an der Bilanzsumme in %

Quelle: Bloomberg

Warum ist die SVB zusammengebrochen?

Die SVB-Kunden brauchten ihr Geld, das sie auf Konten bei der SVB hatten. So verkaufte die Bank USD 21 Mrd. ihres zur Veräusserung verfügbaren Portfolios, was zu einem realisierten Verlust von USD 1,8 Mrd. (8,6 % Verlust) führte. Da die überwiegende Mehrheit der Einleger Firmenkunden sind (98 % des gesamten Kreditbestands, während die Privatkundenkredite nur 2 % ausmachen), wären die meisten nicht durch die Einlagensicherung mit dem Höchstbetrag USD 250 000 geschützt gewesen. Dies wiederum alarmierte die Risikokapitalgeber, die ihren Portfoliounternehmen rieten, ihre Gelder abzuziehen und ihr Engagement bei der SVB zu begrenzen. Das verschärfte das Problem. Die SVB versuchte dann, frisches Kapital zu beschaffen, scheiterte damit jedoch und wurde daraufhin von der kalifornischen Aufsichtsbehörde übernommen.

Wie sieht es bei den grossen US-amerikanischen und europäischen Banken aus?

Die Auswirkungen auf die grossen US-amerikanischen und europäischen Banken sind begrenzt. Für uns ist klar, dass die SVB eine sehr risikoreiche Bank war und in wesentlichen Banking-Dimensionen völlig aus dem Rahmen fiel. Sie hatte einen riskanten Kunden- und Geschäftsmix, ein sehr schlechtes Liquiditätsmanagement und keine bankübliche Treasury-Praxis in Bezug auf das Zinsrisikomanagement. Darüber hinaus spricht das Fehlen eines Chief Risk Officers während der letzten 12 Monate für eine Vernachlässigung der Governance. Dies sind wesentliche Schwachstellen, die wir bei den grössten US-amerikanischen und europäischen Banken nicht sehen.

Mehr Sparzinsen in Sicht

Wir erwarten, dass jetzt auch bei anderen, stark spezialisierten regionale US-Banken genauer hingeschaut wird. Zudem werden die Banken bereit sein, die immer noch sehr niedrigen Sparzinsen anzuheben, um das Risiko der Einlagenflucht zu verringern. Insbesondere in den USA sind die Sparzinsen der Banken im Vergleich zu den stark gestiegenen kurzfristigen Zinssätzen von Staatsanleihen und Geldmarktfonds immer noch sehr niedrig. Normalerweise ist bei steigenden Zinsen eine «Einlagenwanderung» zu beobachten, d.h. die Kunden ziehen ihre Einlagen nicht ab, sondern wandern von unverzinslichen Einlagen zu verzinslichen Einlagen innerhalb derselben Bank. Höhere Sparzinsen werden bei den Banken zwar die Erträge schmälern, doch wird sich dies unserer Ansicht nach stärker bei kleineren, regionalen US-Banken auswirken als bei grossen und soliden US-amerikanischen und europäischen Banken. Die europäischen Banken werden von dieser Problematik steigender Sparzinsen unserer Meinung nach weniger betroffen sein als die US-Banken, weil das Wachstum der Einlagen in Europa viel verhaltener war als der Anstieg der Einlagen bei den US-Banken.

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