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Was KMU jetzt stark macht

Steigende Unsicherheiten, schrumpfende Märkte: Für Zürcher KMU wird Resilienz noch wichtiger. Patrick Sulser, Leiter Spezialberatungen und -finanzierungen bei der ZKB, und Florian Keller, ZHAW-Experte für Geopolitik und Wettbewerbsfähigkeit, zeigen auf, wie Unternehmen erfolgreich bleiben.

Interview: Andrea Schmits / Bild: Sabina Diethelm | aus dem Magazin «ZH» 3/2025

Bild von Florian Keller und Patrick Sulser
Florian Keller (links) und Patrick Sulser

Schweizer KMU bewegen sich in einem Umfeld, das immer unberechenbarer wird. Trotzdem gelingt es vielen, sich anzupassen und weiter zu wachsen. Was macht sie widerstandsfähig?

Sulser: Zunächst: Resilienz bedeutet nicht, alles krisenfrei zu bewältigen, sondern dass es im Krisenfall Optionen gibt. Das kann heissen: in Szenarien denken, mutig sein und das Geschäftsmodell anpassen, wenn es die Umstände verlangen. Besonders robuste Unternehmen verfügen über finanziellen Spielraum und investieren in die Diversifikation – sowohl auf der Kundenseite wie auch bei den Lieferanten. 

Keller: Ebenso wichtig ist eine gute Produkt- und Servicequalität. Durch den seit Jahren starken Franken sind Schweizer KMU diesbezüglich eigentlich pausenlos in einem Trainingslager – sie müssen immer besser werden. Besonders stark sind sie, wenn sie nicht über den Preis, sondern über Innovation konkurrieren. Wer ein einzigartiges Produkt hat, kann sich trotz hohen Zöllen oder einem starken Franken behaupten: Denn das Produkt wird nachgefragt, auch wenn die Hürden höher sind. 

Im Kanton Zürich spüren in diesem Jahr viele Unternehmen harten Gegenwind. Mit welchen Herausforderungen haben sie derzeit am meisten zu kämpfen?

Sulser: Im «KMU ZH Monitor» sehen wir aktuell drei Hauptthemen: den Fachkräftemangel, die Digitalisierung – inklusive KI – und steigende regulatorische Anforderungen. Hinzu kommen geopolitische Unsicherheiten, die anhaltende Frankenstärke und der ungelöste Zollstreit.

Keller: Besonders exportorientierte KMU leiden unter zunehmendem Protektionismus – vor allem, wenn grosse Märkte wie die USA sich abschotten. Noch wichtiger ist aber, dass mit Deutschland unser wichtigster Handelspartner schwächelt. Leidet beispielsweise die deutsche Autoindustrie, spüren das auch Techunternehmen in der Schweiz. Ich erwarte hier keine schnelle Besserung: Die steigenden Konkurszahlen zeigen, dass es immer schwieriger wird, solche Belastungen allein aufzufangen.

Erfolgreiche Unternehmen wissen, wann und womit sie Geld verdienen, und handeln bei Bedarf rechtzeitig.

Patrick Sulser, Leiter Spezialberatungen und -finanzierungen bei der ZKB

Werden KMU robuster, wenn sie internationale Kooperationen eingehen oder neue Produktionsstandorte eröffnen?

Keller: «Local for local», also die Produktion für den jeweiligen Markt direkt vor Ort, wird angesichts hoher Zölle in der Tat immer wichtiger. Diese Strategie hat zwar klare Nachteile – zum Beispiel höhere Kosten oder den Verlust des Swiss-made-Siegels –, kann aber der einzige Weg sein. Für kleine und mittlere Unternehmen ist es nicht einfach, eigene Fabriken in anderen Ländern zu eröffnen, doch Kooperationen mit lokalen Partnern können den Zugang zu ausländischen Märkten sichern. 

Sulser: Das stimmt, aber ich sehe auch eine Kehrseite. Wenn Schweizer Firmen Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern, entstehen hierzulande Lücken: Zulieferer und Dienstleister, die bisher lokale Standorte beliefert haben, verlieren Aufträge. Diese Zweitrundeneffekte treffen ganze Wertschöpfungsketten – von Reinigungsfirmen bis zu Präzisionsteileherstellern. Internationalisierung kann also helfen, birgt aber auch Risiken.

 

Die globale Lage bleibt unsicher. Wie gestalten Firmen ihre internationale Strategie krisensicher? 

Keller: Die grosse Frage ist, wie sich das Verhältnis zwischen den Grossmächten entwickelt. Der US-Markt wird schwieriger, Russland ist momentan zu und China mit wachsender Unsicherheit verbunden. An der ZHAW haben wir ein Stresstest-Tool entwickelt, das zeigt, wie sich geopolitische Spannungen – vor allem zwischen China und den USA – auf internationale Aktivitäten von Schweizer Unternehmen auswirken. Es macht Risiken sichtbar und hilft KMU, ihre Geschäftsmodelle entsprechend anzupassen – etwa bei der Beschaffung, im Risikomanagement oder in der Produktionsflexibilität. 

Dauerthema Fachkräftemangel – Ihr Ausblick?

Keller: Der Fachkräftemangel wird uns noch lange begleiten und sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Die Arbeitslosenquoten sinken auch in der EU laufend, was den Wettbewerb um die Fachkräfte anheizen wird. Gemäss unserer Swiss Managers Survey sehen sich KMU im Kampf um Talente gegenüber den Grossfirmen als benachteiligt an – das könnte daran liegen, dass letztere ihren Mitarbeitenden zum Teil bessere Bedingungen, wie höhere Löhne oder attraktivere Karriereperspektiven, bieten können. 

Sulser: Dabei müssen sich KMU gar nicht verstecken. Ein starkes Employer Branding und eine klare Kommunikation der eigenen Werte sind entscheidend. Denn KMU bieten spannende Jobs und gleichzeitig eine familiäre Kultur. Das Problem: Der Arbeitsmarkt weiss davon häufig nichts. Unternehmen sollten ihre Stärken besser ausspielen. Das typisch schweizerische Understatement ist hier fehl am Platz. 

Besonders stark sind KMU, wenn sie nicht über den Preis, sondern über Innovation konkurrieren.

Florian Keller, Leiter des Center for Geopolitics & Competitiveness an der ZHAW

Wie wichtig ist ein solides Finanz- und Liquiditätsmanagement für die Krisenfestigkeit?

Sulser: Sehr wichtig. Erfolgreiche Unternehmen haben ihre Finanzen im Griff. Sie wissen genau, wo sie Geld verdienen und wo nicht. Nur so können sie frühzeitig reagieren, wenn Umsätze sinken oder Kosten steigen. Leider suchen viele erst dann Hilfe, wenn es fast zu spät ist. Das liegt auch daran, dass Unternehmerinnen und Unternehmer es gewohnt sind, Probleme allein zu lösen. Doch wenn Aufträge ausbleiben oder die Marge schwindet, ist der Zeitpunkt gekommen, externe Unterstützung zu suchen.

Wie hilft die ZKB ihren Firmenkunden dabei?

Sulser: Wir setzen auf partnerschaftlichen Austausch. Viele haben Hemmungen, mit Problemen zur Bank zu gehen. Dabei ist es auch in unserem Interesse, dass es den Unternehmen gut geht. Neben individueller Begleitung empfehlen wir auch externe Coaches. Zudem bieten wir Seminare an, etwa zu Arbeitgeberattraktivität oder ganzheitlicher Unternehmensführung.

Bei aller Unterstützung: Nicht alle Unternehmen schaffen es. Welche Muster des Scheiterns erkennen Sie?

Sulser: Schwierigkeiten haben vor allem jene KMU, die zwischen Kleinbetrieb und Grossunternehmen stehen: zu gross, um flexibel alles allein zu lösen, zu klein, um spezialisierte Abteilungen aufzubauen. Ganz wichtig ist hier, dass diese Unternehmen ein gutes Netzwerk haben und sich das nötige Know-how – zum Beispiel in den Bereichen Recht oder HR – extern holen. 

Wo liegen trotz Unsicherheiten auch Chancen?

Keller: Ehrlich gesagt bin ich eher pessimistisch: Ich gehe davon aus, dass die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren weiter deglobalisiert wird und die Märkte sich weiter abschotten. Erfolgsaussichten gibt es jedoch dort, wo Wettbewerber vom Markt ausgeschlossen werden und dadurch Lücken entstehen. Es genügt aber nicht, einfach auf Chancen zu warten: Unternehmen müssen so agil geführt sein, dass die Chancen auch erkannt und gepackt werden.  

Sulser: Die Stimmung hat sich verschlechtert. Ich bin aber zuversichtlich. Die Schweiz zählt zu den innovativsten Ländern der Welt, sie bietet Rechtssicherheit, Know-how, eine hohe Lebensqualität. KMU sollten sich fragen: Welche Positionierung ist nötig, um diese Stärken optimal zu nutzen?

Wenn Sie Zürcher KMU einen einzigen Rat für die Zukunft geben müssten – wie würde dieser lauten?

Sulser: Suchen Sie den Austausch mit den Besten Ihrer Branche – und lernen Sie von ihnen.

Keller: Setzen Sie sich aktiv mit den Veränderungen der Welt auseinander. Wer weitermacht wie bisher, läuft Gefahr, vom nächsten Schock überrascht zu werden.

Die Experten

Patrick Sulser (rechts im Bild) ist Leiter Spezialberatungen und -finanzierungen bei der Zürcher Kantonalbank. Er berät und begleitet Unternehmen in allen Phasen – von der Gründung bis hin zur Konsolidierung und Nachfolgeregelung. Ihm untersteht unter anderem das Team Recovery, welches Unternehmen in finanziell schwierigen Phasen begleitet und beispielsweise mit Überbrückungskrediten unterstützt. 

Florian Keller ist Professor an der ZHAW School of Management and Law und Leiter des Center for Geopolitics & Competitiveness. Dieses analysiert, wie globale Machtverschiebungen, wirtschaftliche Fragmentierung und strategische Rivalitäten die Erfolgsfaktoren von Unternehmen neu definieren. Es hat zudem einen Stresstest für Schweizer Unternehmen entwickelt, um ihr Risikoprofil aufgrund der Entkopplung zwischen den USA und China zu bewerten.

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