Die Zukunft der Nahrungs­mittel­versorgung

Die Schaffung einer nachhaltigen Lebensmittelzukunft muss diverse konkurrenzierende Bedürfnisse austarieren. Das stellt Wirtschaft und Gesellschaft vor gewaltige Herausforderungen und bietet gleichzeitig Anlagechancen.

Text: Philipp Mettler

Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Lebensmittelzukunft kommt einer Herkulesaufgabe gleich. Die Gründe: Die Weltbevölkerung wächst laut Schätzungen bis Mitte dieses Jahrhunderts von derzeit etwa 7.8 Milliarden auf knapp 10 Milliarden Menschen (United Nations, 2019). Zudem verbessern sich die Einkommen in den Entwicklungsländern. Bis 2030 werden gemäss Prognosen bis zu drei Milliarden Menschen zur Mittelschicht aufschliessen und dabei ihr Ernährungsverhalten ändern. Unter diesen Prämissen wird die generelle Nachfrage nach Nahrungsmitteln bis 2050 im Vergleich zu 2010 um mehr als 50% und die spezifische Nachfrage nach tierischen Erzeugnissen um fast 70% steigen (World Resources Institute, 2019). Dabei sind schon heute mehrere Hundert Millionen Menschen unterernährt, da die lokalen Agrarsysteme nicht genügend nahrhafte Lebensmittel liefern und wirtschaftliche Faktoren eine gerechtere Verteilung der verfügbaren Lebensmittel verhindern. Im Kontrast dazu gibt es weltweit fast zwei Milliarden übergewichtige Menschen.

Die weitläufige Ansicht, dass bereits heute genügend Nahrungsmittel produziert werden, um die gesamte Menschheit zu ernähren ist zwar richtig. Sie beruht aber auf eher unrealistischen Annahmen, wie beispielsweise, dass es bei Produktion, Verteilung und Verbrauch (noch) keine Lebensmittelverluste und Verteilungsgerechtigkeit gibt.

Reziprozität zwischen Klimawandel und Nahrungsmittelproduktion

Diese Nahrungslücke könnte durchaus mittels Erweiterungen landwirtschaftlicher Nutzfläche geschlossen werden. Jedoch würde dies zulasten einer erhöhten Schädigung der Ökosysteme gehen und den Biodiversitätsverlust beschleunigen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Landwirtschaft schon heutzutage mit einem Anteil von rund 19% an den globalen CO2e-Emissionen eine bedeutende und potenziell wachsende Emissionsquelle darstellt (Our World in Data, 2020). Zum Erreichen der Pariser Klimaziele wäre eine drastische Reduktion notwendig.

Das Wachstum der Lebensmittelproduktion in der jetzigen Form beeinträchtigt das Klima negativ, und die Klimaveränderungen dürften sich nachteilig auf die Ernteerträge auswirken. Dabei könnte ein Scheitern hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasemissionen, der Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung oder eines weiteren Verlusts der Biodiversität, eine Kaskade folgeschwerer Ereignisse lostreten, wie beispielsweise soziale Unruhen, die riesige Migrationsströme auslösen.

Problemlösung erfordert multidimensionaler Ansatz

Um den prognostizierten Anstieg der Nahrungsmittelnachfrage zu decken, braucht es eine Kombination aus erhöhter Produktion, bei möglichst gleichbleibender Landfläche und nachhaltigem Lebensmittelverbrauch. Brisant: Laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) beträgt die Lebensmittelverschwendung (Food Waste) in der Schweiz über alle Stufen der Lebensmittelkette betrachtet jährlich 2,8 Millionen Tonnen (BAFU, 2019). Ein nachhaltiger Lebensmittelkonsum entlastet die Produktionsseite, was sich wiederum positiv auf die Klimaentwicklung auswirkt.

Die unserer Ansicht nach wichtigsten Drehschrauben sind:

  • Reduktion des Lebensmittelbedarfs durch Vermeidung von Lebensmittelabfall und -ausschuss (z.B. durch bessere Lagerungsverfahren)
  • Erhöhung der Produktivität (u.a. durch andere Produktionsansätze, wie beispielsweise vertikale Landwirtschaft)
  • Wechsel zu einer nachhaltigeren Ernährung (u.a. Fleischersatz, kultiviertes Fleisch und andere Produkte)
  • Reduktion des Methanausstosses bei Wiederkäuern
  • Abkehr von pflanzenbasierten Kraftstoffen
  • Erreichung von nachhaltigen Geburtenraten

Start-ups als Lösungspartner

Von der angestrebten Schliessung der Nahrungs- und CO2-Lücke in den kommenden Jahren dürften jene Unternehmen profitieren, die zu einer Erhöhung der Produktivität im Prozess der Lebensmittel­herstellung beitragen, sei dies über eine bessere Nutzung bestehender Ressourcen oder über innovative Technologien und Produktions­verfahren. Ein besonderes Augenmerk gilt auch der Reduktion der Lebensmittel­verschwendung, wobei hier die gesamte Wertschöpfungs- und Nutzungskette gefordert ist. Als weiteren wesentlichen Bereich sehen wir die Veränderung der Essgewohnheiten.

Derzeit findet man an den Börsen noch wenige kotierte Gesellschaften, die sich vollständig den aufgezeigten Lösungsansätzen verschrieben haben. Dies dürfte sich aber über die kommenden Jahre sukzessive ändern. In gewissen Bereichen, wie Agricultural-Technology (AgTech) oder nachhaltigere Ernährung, ist die Anzahl innovativer Firmen beachtlich. Vielfach befinden sich diese Unternehmen noch in einer frühen Phase des Entwicklungszyklus' und werden privat gehalten. Vor diesem Hintergrund eröffnen sich vor allem Anlagechancen im Private-Equity-Bereich.