Das Gespenst vom Steinfelsplatz

Corona hin oder her – längst hat der öffentliche Raum auch die Kunst zurückerobert. Zeit, um am Zürcher Steinfelsplatz Miriam Caflisch und ihren Ausführungen über Aldo Mozzinis «quasi un babau» zu lauschen.

Text: Markus Wanderl

Aldo Mozzinis «quasi un babau» vor dem Gebäude der Zürcher Kantonalbank am Steinfelsplatz. (Bild: Markus Wanderl)
Aldo Mozzinis «quasi un babau» vor dem Gebäude der Zürcher Kantonalbank am Steinfelsplatz. (Bild: Markus Wanderl)

Haltung zeigen – wer würde damit nicht laufend konfrontiert, erst recht seit dem März. Corona hat vor nichts halt gemacht. Erst recht nicht vor dem urbanen Raum, dem Ort des Austauschs und der Zusammenkunft, der er hier zwischendurch nicht mehr gewesen ist. Nicht mehr sein durfte.

Wie gerufen kam deshalb am letzten Mittwoch die wunderbare 30-minütige Kunstbetrachtung mit Miriam Caflisch, Verantwortliche Kunstvermittlung der Zürcher Kantonalbank – der Steinfelsplatz als Bühne.

Haltung zeigen? Schwer, so könnte man meinen, muss das dem sogenannten «babau» (ital.: Geistermann) fallen. Der «babau» ist eine Kunstfigur aus Leinentüchern. Und werden diese nicht vom Winde verweht? Seit dem 27. Juni ist der «babau» auf dem Steinfelsplatz zu finden, fest auf einem Betonsockel montiert. Doch wird er ganz und gar nicht durchzaust.

Denn der in Zürich lebende Künstler Aldo Mozzini (*1956) hat sein Kunstwerk mit einer sogenannten Zweikomponenten-Flüssigkeit versteift. Es weht nicht. Aber die Witterung! Sie hat den «babau» peu à peu verschmutzt. Oder vielleicht positiver konnotiert: Hat ihn, gezeichnet von Staub und Dreck, an Charakter gewinnen lassen.

Früher gab es hier an Ort und Stelle eine Seifen- und Waschmittelfabrik, eben die Steinfels AG. An «Maga» zu denken, jenes Gespenst auf der bekannten Verpackung, ist durchaus legitim. Anderseits: Auf «Uneindeutigkeit» käme es Aldo Mozzini sehr wohl an, wie Miriam Caflisch sagt. Sie war einst an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) seine Studentin.

Bloss «flüssig lackiert und versteift» hat Aldo Mozzini also das Leinentuch und es so über ein Kreuz gespannt, dass bestenfalls eine Tessiner Vogelscheuche assoziiert wird. Dort, im Tessin, hat Mozzini seine Wurzeln, die seiner schwebenden Figur auf den ersten Blick abzugehen scheinen. Doch halt: Sie hat sehr wohl Hand und Fuss.

Der Steinfelsplatz – einer der drei Orte in Zürich, an denen die Zürcher Kantonalbank exponiert ist. Und ganz im Sinne des Kunstvermittlungsengagements der Bank soll die gezeigte Gegenwartskunst namens «quasi un babau» zum Nachdenken und zu Gesprächen anregen. Das ist auch das Ziel der Kunstvermittlung. Warum nicht mal ein Beratungsgespräch über unser Kunstengagement beginnen, ist doch die Kunst im öffentlichen Bereich der Bank allgegenwärtig, ergänzt Miriam Caflisch.

Kunstprojekt «Gasträume»

Seit 2010 gibt es fast regelmässig das jährlich wiederkehrende Kunstprojekt der Stadt Zürich mit dem Titel «Gasträume» – auf 15 Standorte in der Innenstadt, in Zürich-West und in Altstetten verteilen sie sich, die Plätze wurden auch hinsichtlich ihrer unterschiedlichen urbanen Qualität ausgewählt.

Bis zum 20.9. ist Mozzinis Kunstwerk, das die Jury wegen der «spielerischen und doch zu tiefergehenden Gedanken anregenden Seite» auszustellen empfahl, noch am Steinfelsplatz zu sehen. Und dann? Vielleicht findet er an anderer Stelle einen neuen Platz.

Miriam Caflisch, Verantwortliche Kunstvermittlung der Zürcher Kantonalbank
Miriam Caflisch, Verantwortliche Kunstvermittlung der Zürcher Kantonalbank (Foto: Flavio Pinton)

Über den Künstler

Aldo Mozzini wurde 2019 für sein Werk «Quasi Cane» mit dem Schweizer Kunstpreis des Bundesamts für Kultur ausgezeichnet. Für «fast ein Hund» sammelte er über ein Jahr Plastikabfälle, die den Kern des Kunstwerks bilden, und dazu dunkel verschmierte Lappen, an denen sich Studierende beim Abwischen der Druckplatten ihre Hände abstreichen – aus ihnen schaffte der ZHdK-Dozent die Hülle des Werks, das wie erschöpft auf unseren Umgang mit Ressourcen und Umwelt anzuspielen scheint. Swiss Art Awards begründete: «Quasi Cane verblüfft durch seine Einfachheit. Das Werk vermag einen poetischen Moment entstehen zu lassen und ist auch als Plastik und Form äusserst originell: ein Werk, das über das Wesentliche spricht, ohne geschwätzig zu sein.»

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