Immobilien­expertin Ursina Kubli: «Ein Plan beim Hauskauf ist Pflicht»

Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research, stellt die neuste Immobilienstudie der Bank vor und gibt Tipps für Hausbesichtigungen.

Text: Yannik Primus / Bild: Flavio Pinton

Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research
Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research

Sie waren gerade an einer Hausbesichtigung mit Hunderten Mitbewerbern. Ist Ihnen Ihr Stockwerkeigentum in Homeofficezeiten zu eng geworden?

Weil man mehr zuhause arbeitet, dürfte sich bei vielen das Gefühl eingestellt haben, ein Zimmer mehr zu benötigen. Zwar geht mein Mann immer noch jeden Morgen ins Büro. Dennoch: Der Platzbedarf hat zugenommen.

Ein Büro mehr?

Ja – und ein weiteres Kinderzimmer. Bei uns ist nun zudem die Kapazitätsgrenze erreicht, von der wir wussten, dass sie kommen würde.

Und könnte aus dem besichtigten Einfamilienhaus etwas werden?

Der Einfamilienhausmarkt ist ein extremer Verkäufermarkt. Das sieht man nur schon bei der Anzahl Leute, die sich auf ein Objekt bewerben. Wie zum Beispiel eben: 300 Interessierte! Es ist klar, wer am längeren Hebel sitzt. Uns wurden 30 Minuten für die Besichtigung gewährt. Das reicht dann gerade einmal aus, um zu schauen, ob einem das Haus gefällt. Wasserleitungen im Keller prüfen? Liegt nicht drin. Das Positive: Man wird gezwungen, aufs Bauchgefühl zu hören.

Wie ist Ihr Bauchgefühl?

Das bespreche ich heute Abend (lacht).

Wenn nur 30 Minuten Zeit ist – worauf sollte man neben dem Bauchgefühl achten?

Man muss gut vorbereitet am Termin erscheinen: Die Unterlagen müssen studiert, der Ort bekannt sein. Häufig stehen hochwertige 3-D-Visualisierungen zur Verfügung. Das sollte man nutzen. Dann weiss man beispielsweise, ob die Fenstergrösse oder das Licht zu prüfen ist. Man muss von Beginn an einen Plan haben. Ein Hauskauf ist im Gegensatz zu manch anderen Investitionen immer sehr persönlich.

Ursina Kubli macht sich keine Illusionen: «Der Einfamilienhausmarkt ist ein extremer Verkäufermarkt.»
Ursina Kubli macht sich keine Illusionen: «Der Einfamilienhausmarkt ist ein extremer Verkäufermarkt.»

Im Gegensatz zu einer Aktie lässt sich ein Haus auch schlechter wieder abstossen.

Das ist ein bisschen eine Schweizer Mentalität. Dieses Gefühl, dass man ein Haus fürs Leben kauft und ewig am selben Ort wohnt. Andere Häusermärkte wie derjenige in Grossbritannien sind viel liquider. Dort wechseln die Leute häufiger die Adresse, so dass überall von Zeit zu Zeit Wohneigentum frei wird. Bei einem angestrebten Wechsel hilft es sicher nicht, wenn man Hunderttausende Franken in den Garten investiert oder das Objekt sehr speziell saniert hat. Aber die Idee, ein Leben lang im selben Haus zu wohnen, darf man langsam verwerfen – genauso die Vorstellung, ein Leben lang an der gleichen Stelle zu arbeiten.

Die Ergebnisse Ihrer neu erschienenen Studie «Immobilien aktuell» zeigen, dass in den kommenden 20 Jahren bis zu 30'000 neue Einfamilienhäuser auf den Markt kommen könnten. Heisst das, dass sich bald mehr Menschen den Traum vom Eigenheim verwirklichen können?

Gerade bei Einfamilienhäusern hat man keine Chance, wenn man sich nur auf den Neubau verlässt. Vor gar nicht allzu langer Zeit sind noch ganze Einfamilienhaus-Quartiere entstanden. Diese Zeiten sind vorbei. Raumplanerisch sind wir heute viel zu viele Menschen auf zu wenig Platz. Es macht keinen Sinn mehr, viele Einfamilienhäuser zu bauen. Chancen ergeben sich eher, wenn sich bei älteren Menschen, die in Einfamilienhäusern leben, die Bedürfnisse vor oder nach der Pensionierung ändern. So kommen viele Secondhand-Häuser auf den Markt. Viel liquider ist der Stockwerkeigentumsmarkt.

Weshalb?

Es entstehen noch immer neue Eigentumswohnungen. Natürlich kann man auch dort lange suchen, wenn man hohe Ansprüche stellt. Grundsätzlich gibt es aber in fast jedem Quartier immer wieder Angebote. Stockwerkeigentum gibt es erst seit 1965, weshalb jetzt langsam interessante Erbschaften den Markt bereichern.

Wie stossen Sie auf interessante Immobilienangebote?

Mein Mann sagt immer: «Finde uns ein Haus!» Schliesslich würde ich in der Immobilienbranche arbeiten. Das hilft mir aber gar nicht gross. Das Objekt von heute habe ich auf Homegate entdeckt (lacht).

Die Eigenheimpreise sind im Coronajahr wieder einmal regelrecht explodiert: Vier Prozent Steigerung im Kanton Zürich, fünf Prozent schweizweit. Wie lässt sich das erklären?

Dafür sind drei Faktoren verantwortlich: Erstens führen die tiefen Hypothekarzinsen dazu, dass sich ein Eigenheim finanziell mehr lohnt als ein Mietobjekt. Zweitens ist die Nachfrage sehr hoch, weil nicht so viel gebaut wird und ältere Menschen gerade in den aktuellen Zeiten etwas länger im Eigenheim bleiben als auch schon. Drittens hat die persönliche Wohnsituation an Bedeutung gewonnen – man braucht mehr Platz und die Ansprüche an die Mikrolage sind gestiegen, was die Zahlungsbereitschaft gesteigert hat. Zudem haben im vergangenen Jahr viele Menschen gezwungenermassen mehr gespart als sonst, weil Weekendtrips und längere Ferien ausgefallen sind.

Neben der Nachfrage nach Wohneigentum sind die leeren Büroflächen im Kanton Zürich um 87'000 auf 470'000 Quadratmeter angestiegen. Ist es nicht naheliegend, dass man diese umnutzt zu Wohnflächen?

Zwischen den Nutzungsformen hat sich eine Schere geöffnet. Wohnen ist mehr gefragt – und punkto Büroimmobilien weht ein kühlerer Wind – insbesondere bei älteren Büros. Das Naheliegendste wären Umnutzungen. Wir haben uns angeschaut, wie häufig das in der Vergangenheit gemacht wurde und haben herausgefunden, dass das nur eine Nischenstrategie war, wenn auch zugegebenermassen eine immer attraktivere. Es ist klar: Nicht jedes Objekt eignet sich für eine Umnutzung – wenn beispielsweise die Decken zu hoch sind oder zu wenig Licht vorhanden ist. Zudem gibt es behördliche Stolpersteine. Die Bewilligungsquote ist viel tiefer als beim Wohnungsneubau.

Mit einem Hochleistungsrechner habt ihr 100 Millionen Punkte innerhalb der Schweiz bezüglich Besonnung ausgewertet. Was hat das mit dem Immobilienmarkt zu tun?

Die Sonne war schon immer ein wichtiger Faktor. Natürlich hat man immer gern nahe einer Infrastruktur gebaut. Aber eben auch dort, wo die Sonne lange und ausgeprägt scheint. Das haben jetzt viele realisiert, die während dem Homeoffice zuhause im Dunkeln sitzen, wie Helligkeit fehlen kann. Unsere Hypothese ist: Die Ausprägung der Sonne wird bei Immobilien an Wichtigkeit gewinnen. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Messungen für spezifische Orte. Wir haben nun zum ersten Mal für alle Schweizer Orte berechnet, wann die Sonne untergeht. Das hat einige Aha-Momente bei uns ausgelöst.

Das heisst: Wenn man wenig Zeit für eine Besichtigung hat, lohnt es sich, die Adresse davor in eurer interaktiven Kartenapplikation einzugeben?

Absolut. Dann weiss man, wann da oder dort die Sonne untergeht. Wichtig ist auch abzuschätzen, wie viel Lärm vor Ort sein wird. Die Distanz zur nächsten Schule, die Busfrequenz von naheliegenden Haltestellen, überhaupt die generelle Infrastruktur sind immer entscheidende Faktoren. Das alles lässt sich natürlich auch gut nach einer 30-Minuten-Besichtigung in Erfahrung bringen.

Was geben Sie all denjenigen mit auf den Weg, die gerade auf Wohnungs- oder Haussuche sind?

Das Eigenheim ist nicht nur aus finanziellen Gründen eine attraktive Wohnform, sondern auch eine sehr sichere. Kein Vermieter kann einen auf die Strasse stellen, und man bleibt flexibel im Gestalten. Das ist mir viel Wert. Bei jedem ist irgendwann das Budget ausgeschöpft, weshalb man wissen sollte, was man möchte. Niemand kommt um eine realistische Wunschliste herum. Ich liebe zum Beispiel die Nähe zum See, kann aber auf die Seesicht verzichten. Diesen Aufschlag wäre ich nie bereit zu bezahlen.

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