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Wie stark ist die Schweiz von US-Importzöllen betroffen?

Die von der US-Regierung am 31. Juli veröffentlichte Liste mit aktualisierten länderspezifischen Zöllen sieht für die Schweiz per 7. August einen Importzoll von 39% vor. Die Handelspolitik von US-Präsident Trump enthält neben länderspezifischen Zöllen aber auch zusätzliche Zölle auf ausgewählte Güter wie Automobile, Stahl, Aluminium und Kupfer. Darüber hinaus gibt es eine lange Liste mit über 1'000 verschiedenen Gütern, die von US-Zöllen befreit sind, darunter Pharmaprodukte, Gold, Metalle, Holz, Chemikalien, Halbleiter und elektronische Güter.

Text: Martin Weder und Kevin Gismondi

Martin Weder, Chefökonom Zürcher Kantonalbank
Martin Weder, Chefökonom (Bild: Christian Grund)

Die Schweiz exportiert vor allem Pharmaprodukte und Gold in die USA

Wie stark ein einzelnes Land von den US-Zöllen betroffen ist, ist deshalb oft nicht so einfach zu beantworten, zumal sich die Situation seit Jahresbeginn aufgrund der erratischen Handelspolitik von Präsident Donald Trump immer wieder verändert hat. Dementsprechend gibt es auch für die Schweiz verschiedene Zahlen und Einschätzungen, die in den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden. Ein Blick auf die Schweizer Aussenhandelsstatistik für das Jahr 2024 zeigt beispielsweise, dass rund 70% der Schweizer Exporte in die USA im vergangenen Jahr auf die beiden Kategorien Chemie- und Pharmaprodukte sowie Gold, übrige Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenstände und Antiquitäten entfielen und demzufolge grundsätzlich nicht von US-Importzöllen betroffen sein sollten. Demgegenüber geht der Bundesrat in seiner Medienmitteilung vom 4. August davon aus, dass rund 60% aller Schweizer Exporte in die USA von Zusatzzöllen betroffen sein werden. Wie ist diese grosse Differenz zu erklären?

US-Statistik weist bei Pharmaprodukten und Gold deutlich tiefere Werte aus

Eine Erklärung für die teilweise grossen Unterschiede liegt darin, dass die US-Handelsstatistik nicht vollständig mit jener aus der Schweiz übereinstimmt. So sind beispielsweise Pharmaprodukte in der US-Statistik anders definiert als in der Aussenhandelsstatistik der Schweiz. Vor allem in den beiden Bereichen «Immunologische Produkte» sowie Gold liegen die Importwerte der US-Statistik um mehrere Milliarden Franken bzw. US-Dollar tiefer als in der Schweiz. Dementsprechend ist die Schweiz gemäss der US-Statistik und Klassifizierung stärker von den US-Importzöllen betroffen, als es die helvetische Statistik nahelegt. Im Handelskonflikt ist letztlich die amerikanische Perspektive entscheidend, weshalb die US-Statistik aussagekräftiger ist. Die Angaben des Bundesrates, dass 60% aller Schweizer Exporte von den Zusatzzöllen betroffen sein werden, scheinen folglich auf der US-Statistik zu basieren.

Zahlreiche Ausnahmen und güterspezifische Zölle erschweren den Durchblick

Eine weitere Erklärung für die Diskrepanz ist die Tatsache, dass in der Praxis auch innerhalb der Bereiche Pharma und Gold unterschiedliche Zollsätze zur Anwendung kommen. Die US-Liste mit den zollbefreiten Gütern zeigt, dass im Pharmabereich rund drei Viertel aller Produkte zollbefreit sind. Von Zöllen ausgenommen sind insbesondere Medikamente. Beim übrigen Viertel kommen jedoch bereits heute für alle Länder US-Zolltarife zur Anwendung. Ähnlich ist es beim Gold. Während die Einfuhr von gegossenen Goldbarren nicht mit Zöllen belegt ist, wird der Import von gestanzten Goldbarren oder geprägten Münzen mit dem jeweiligen länderspezifischen Zoll belastet. Die Logik dahinter ist, dass die US-Regierung fertige Produkte mit​​ Zöllen belegt, die künftig vermehrt in den USA hergestellt werden sollen. Kritische Inputfaktoren oder Produkte, die der inländischen Weiterverarbeitung dienen, werden hingegen nicht belastet. Darüber hinaus kommen in der Schweiz neben dem Pauschaltarif von 10% bereits heute verschiedene güterspezifische Zölle zur Anwendung. So beispielsweise bei Zulieferern der Automobilindustrie (25% auf Autoteile) oder in den Bereichen Stahl und Aluminium (50%). Gemäss einer Analyse von Global Trade Alert, die alle Produkte und Zollkategorien berücksichtigt, wären zukünftig etwas mehr als die Hälfte der Schweizer Exporte von Zöllen betroffen. Der effektive Zollsatz für die Schweiz läge unter Berücksichtigung aller Ausnahmen und sektorspezifischen Zöllen demnach aktuell bei 21.3%.

Handelseinigung mit den USA erwartet

Die grosse Komplexität und Unsicherheit im Güterverkehr hat seit Amtsbeginn von US-Präsident Trump markant zugenommen. Das hat den Alltag für Unternehmen viel schwieriger gemacht und verlässliche Konjunkturprognosen nahezu verunmöglicht. Wir erwarten jedoch unverändert, dass sich die USA und die Schweiz im Handelsstreit einigen werden und am Ende deutlich tiefere Importzölle zur Anwendung kommen. Mehr als 80% der Schweizer Güterexporte gehen nicht in die USA und der gesamte Dienstleistungshandel ist nicht von Importzöllen betroffen. Dementsprechend rechnen wir nur mit begrenzten gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, auch wenn einige Branchen und Unternehmen wegen den Zöllen vor grossen Herausforderungen stehen. ​