Der ZKB Schillerpreis geht an Julia Weber und Heinz Helle

Das Schriftstellerpaar erhält den mit 20'000 Franken dotierten ZKB Schillerpreis 2023: Julia Weber für ihren Roman «Die Vermengung» und Heinz Helle für sein Buch «Wellen».

Text: Renate Meier / Bilder: Dominique Meienberg

Dr. Jörg Müller-Ganz, Präsident des Bankrates der Zürcher Kantonalbank, übergab den ZKB Schillerpreis an Julia Weber und Heinz Helle.
Dr. Jörg Müller-Ganz, Präsident des Bankrates der Zürcher Kantonalbank, übergab den ZKB Schillerpreis an Julia Weber und Heinz Helle.

Die beiden Bücher – «Die Vermengung» und «Wellen» – bilden ein Paar, so wie deren Autoren Julia Weber und Heinz Helle. Sie erzählen auf unterschiedliche Art vom Gleichen – von der Geburt eines zweiten Kindes, von dessen ersten Lebensjahren und von den Veränderungen, mit denen die kleine Familie zu tun hat.

Jedes der beiden Bücher bietet für sich eine bewegende Lektüre. Sie parallel zu lesen und zu vergleichen ist jedoch ebenso reizvoll: Wie werden dieselben Personen hier von innen, dort von aussen dargestellt? Wie führen die gleichen Vorkommnisse und Herausforderungen zu unterschiedlichen Reaktionen? Die Fragen, mit denen sich die Bücher auseinandersetzen, sind zeitlos: Wie können Berufs- und Familienaufgaben so wahrgenommen werden, damit nicht ständig das schlechte Gewissen lauert, dem einen und dem anderen nicht gerecht zu werden? Die Autoren zeigen wunderbar auf, wie sich das Leben auf angemessene Art in Literatur überführen lässt und wie diese von jenem auf angemessene Art Zeugnis gibt.

Dr. Gesa Schneider, Leiterin des Literaturhauses Zürich, begrüsste die Gäste und eröffnete die Preisverleihung.
Dr. Gesa Schneider, Leiterin des Literaturhauses Zürich, begrüsste die Gäste und eröffnete die Preisverleihung.

Zwei individuelle Schreibstile

Bei allen Berührungspunkten und Überkreuzungen haben Julia Weber und Heinz Helle zwei eigenständige Bücher mit je einem unverwechselbaren Ton verfasst. «Die Vermengung» lebt vom Montageprinzip, das tagebuchartige Notizen und Reflexionen, Briefe und Fragmente eines Romans aneinanderfügt. Die Sprechweise ist stockend; sie isoliert und verdichtet Alltagsepisoden zu poetischen Miniaturen. In «Wellen» wird alles in den Sog des wortmächtigen Redestroms des Erzählers gerissen, der unablässig beobachtet, reflektiert und seine Gedanken neu ordnet. Man kann sich fragen, ob da einfach zwei individuelle Schreibstile nebeneinanderstehen oder ob die Bücher auch als Belege dafür herangezogen werden können, dass eine Unterscheidung von weiblichem und männlichem Schreiben sinnvoll ist.

Dr. Jörg Müller-Ganz ordnete die Schlüsselthemen der beiden Bücher ein.
Dr. Jörg Müller-Ganz ordnete die Schlüsselthemen der beiden Bücher ein.

Gute Rahmenbedingungen für Eltern

Die Preisverleihung wurde mit einer Begrüssung durch Dr. Gesa Schneider, Leiterin des Literaturhauses Zürich, eröffnet. Danach widmete sich Dr. Jörg Müller-Ganz, Präsident des Bankrats der Zürcher Kantonalbank, den Themen Vereinbarkeit von Beruf, Familie, persönlichen Bedürfnissen und Freizeit. «Mich hat meine Lektüre der beiden Werke motiviert, Erfahrungen von mir selbst zum einen als Privatperson und zum anderen als Bankpräsident vor dem Hintergrund der in den Büchern bearbeiteten Fragen zu vertiefen.» Es sei Eltern kaum möglich, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, was er mit einer Altersdifferenz von 20 Jahren gelassener beurteilt. Als Arbeitgeber sei es eine wichtige Aufgabe, gute Rahmenbedingungen für kinderbetreuende Eltern sowie Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen für dieselbe Tätigkeit sicherzustellen. Die Zürcher Kantonalbank begegnet diesen Herausforderungen unter anderem mit der Zusicherung der Stelle vor dem Geburtstermin, der finanziellen Unterstützung bei Fremdbetreuung von Kindern, flexiblen Arbeitszeitmodellen und Home Office.

Nach der Begründung der Jury überreichte Dr. Jörg Müller-Ganz dem Schriftstellerpaar den ZKB Schillerpreis 2023, symbolisiert durch die Skulptur «Held Anti Held» des Zürcher Künstlers Max Grüter. Lesungen von Julia Webers «Die Vermengung» und Heinz Helles «Wellen» rundeten das offizielle Programm ab und leiteten über zu anregenden Gesprächen bei einem Apéro riche.

Die öffentliche Lesung im Literaturhaus Zürich wird voraussichtlich am 7. November 2023 stattfinden.

Die Preisträger

Julia Weber wird 1983 in Tansania geboren und zieht 1985 mit ihrer Familie nach Zürich. Nach der Schule macht sie eine Lehre als Fotofachangestellte und absolviert die gestalterische Berufsmaturität. Von 2009 bis 2012 studiert sie literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel/Bienne. Im Jahr 2012 ruft Julia Weber den Literaturdienst (www.literaturdienst.ch) ins Leben; 2015 ist sie Mitgründerin der Kunstaktionsgruppe «Literatur für das, was passiert» zur Unterstützung von Menschen auf der Flucht. Ihr 2017 erschienener Roman «Immer ist alles schön» wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Terra Nova Preis der Schweizerischen Schillerstiftung.

Heinz Helle, geboren 1978, studierte Philosophie in München und New York und arbeitete als Texter in Werbeagenturen, bevor er Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel studierte. Sein Debütroman «Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin» war bereits vielbeachtet. Für sein letztes Buch – «Die Überwindung der Schwerkraft» – wurde er mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2019 ausgezeichnet und stand 2018 auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises. 2023 erhielt er den Förderpreis des Kantons Zürich.

Julia Weber und Heinz Helle leben mit den beiden gemeinsamen Töchtern in Zürich.

Grosses Interesse am renommierten Literaturpreis.
Grosses Interesse am renommierten Literaturpreis.

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