Staatspräsident Xi Jinping – der grosse Umweltschützer?
Eine chinesische Greta Thunberg sucht man vergebens. Auch von chinesischen Klimaklebern hat man bis jetzt nie gehört. Während sich der Westen gewohnt ist, dass das Thema Umweltschutz von Aktivistengruppen auf die Agenda gesetzt wird, ist es in China dagegen Chefsache. Auf Xi Jinping selbst geht die Theorie der zwei Berge zurück.3 Goldene und silberne Berge stehen in China für etwas von unschätzbarem Wert. Xi Jinping hat in einer mittlerweile berühmten Rede postuliert, dass klare Gewässer und grüne Berge selber als goldene und silberne Berge anzusehen sind. Das mag erstaunen für ein Land, das als Werkbank der Welt bekannt ist und mit seinen vielen Kohlekraftwerken eine hohe Luftverschmutzung verursacht.
Und doch liegt genau hier der Zusammenhang. Die hohe Luftverschmutzung, die dazu geführt hat, dass Chinesinnen und Chinesen ihre Fenster nicht mehr aufmachen konnten, hat dafür gesorgt, dass der Stellenwert einer sauberen Umwelt gestiegen ist – und zwar auf politischer Ebene. Xi Jinping hat mehrfach betont, dass die erste Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung auf Kosten der Umwelt ging, man aber nun versuchen müsse, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. Ein weiteres Schlagwort, welches die chinesischen Machthaber in diesem Zusammenhang oft benutzen ist das der «ökologischen Zivilisation».
Dass es die chinesischen Machthaber ernst meinen, sieht man beispielsweise daran, dass 2023 bereits der dritte Aktionsplan zur Förderung der Luftqualität herausgegeben wurde. Umweltfreundliche Energien statt Kohle, industrielle Dekarbonisierung und grüner Transport spielen dabei eine grosse Rolle. Als weiteres Indiz kann betrachtet werden, dass in Chinas 14. Fünfjahresplan Umweltziele bindend sind, während die Ziele zur wirtschaftlichen Entwicklung nur Richtwerte darstellen.
China ist führend bei grünen Technologien
Chinas wirtschaftlicher Erholung nach dem Ende der Zero-COVID-Strategie folgte eine hohe Nachfrage nach Elektrizität, die anteilsmässig stark durch Kohle generiert wurde. Die Ziele zur Energieeffizienz, die sich China für das Jahr 2025 gesetzt hat, sind somit in die Ferne gerückt. Das heisst aber nicht, dass China sich auf ganzer Linie von der Zielerreichung entfernt hat. Ein als Ziel formulierter Meilenstein ist, dass die Kohlendioxidemissionen bis ins Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben und danach abnehmen sollen.
Dieses Ziel rückt immer näher: Durch den enormen Ausbau der Solarkraft am Elektrizitätsmix nimmt der grüne Anteil immer weiter zu. So hat China allein 2023 mehr Solarpanels installiert als die USA in ihrer ganzen Geschichte. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass China das für 2030 selbstgesteckte Ziel von 1'200 GW an Kapazitäten in erneuerbarer Energie schon 2024 erreichen wird.
Auch bei den Elektrofahrzeugen hat China die Nase vorn (vgl. Grafik). Mehr als die Hälfte aller Elektrofahrzeuge fährt auf den Strassen Chinas. Dort war letztes Jahr schon jedes dritte neu verkaufte Auto elektrisch betrieben – in Europa war es jedes vierte und in den USA jedes zehnte. Zusätzlich treiben die Chinesen das bidirektionale Laden voran. Autobatterien sollen intelligent in das Stromnetz eingebunden werden. Durch zeitabhängige Tarife sollen sie vermehrt während Randzeiten aufgeladen werden und gleichzeitig als mobile Speicher fungieren, die nicht nur das Auto mit Strom versorgen, sondern auch den Haushalt. Bei Bedarf soll Strom auch wieder zurück ins Netz geschickt werden können. Mit dem bidirektionalen Laden schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Stromnachfrage zu Spitzenzeiten wird reduziert und es bedarf weniger externer Stromspeicher. Bis im nächsten Jahr möchte China hierfür 50 Pilotprogramme in verschiedenen Regionen aufsetzen.
Anzahl Elektro-Autos in Millionen