Das Dilemma mit Seltenen Erden

Keine Frage: Der Abbau von Seltenen Erden ist grossen Herausforderungen an die Nachhaltigkeit ausgesetzt. Gleichzeitig sind diese zentral für die Energiewende, werden sie doch beispielsweise für den Bau von Windturbinen oder Elektromotoren benötigt. Wie Seltene Erden unter ESG-Gesichtspunkten zu bewerten sind – dies erklärt Jens Schweizer, Anlagespezialist Anlagethemen und -trends bei der Zürcher Kantonalbank.

Text: Jens Schweizer / Bild: Andreas Guntli

«Durch die Energiewende dürften Seltene Erden trotz aller Nachhaltigkeitsbedenken bezüglich ihres Abbaus an Bedeutung gewinnen», sagt Jens Schweizer, Anlagespezialist Anlagethemen und -trends bei der Zürcher Kantonalbank.

Neodym, Scandium, Dysprosium. Haben Sie im Chemieunterricht aufgepasst? Diesen chemischen Elementen begegnen Sie bestimmt jeden Tag. Sie sind unter anderem in Elektromotoren und Windturbinen verarbeitet und gehören zu den Metallen der Seltenen Erden. Neodym wird beispielsweise in Verbindung mit Eisen und Bor zur Herstellung von Dauermagneten eingesetzt, da die Verbindung mit Blick auf ihre magnetischen Eigenschaften überzeugt.

Essenziell für Energiewende

Seltene Erden sind aufgrund ihrer herausragenden physikalischen und chemischen Eigenschaften für eine Vielzahl von Anwendungen unabdingbar. Ihre Verwendung hat die Automatisierung und Digitalisierung massgeblich ermöglicht und spielt auch für die Energiewende eine essenzielle Rolle. Aufgrund ihrer Bedeutung werden sie politisch als strategische Metalle qualifiziert, da sie nicht allen Ländern gleichermassen zur Verfügung stehen.

Seltene Erden sind zwar über den ganzen Globus zu finden, kommen jedoch ihrem Namen entsprechend nur selten in genügend hoher Konzentration vor, um den Abbau rentabel zu machen. Die Förderung Seltener Erden ist gemäss dem US National Mineral Information Center kontinuierlich und jüngst vor allem aufgrund der eingeläuteten Energiewende auf aktuell geschätzte 280’000 Tonnen Rare Earth Oxide (REO)-Äquivalente angestiegen. Bis in die 1990er-Jahre dominierten die USA den Abbau Seltener Erden, bis die Entdeckung grosser und höher konzentrierter Vorkommen in China zu einem Quasimonopol führte.

Versorgungskrisen drohen

Heute ist die Produktion nach diversen politischen Querelen ausgeglichener, aber noch immer dominiert China den Markt mit einem Anteil von 60 Prozent. Die verwertbaren Reserven werden auf rund 120 Mio. Tonnen REO geschätzt. Theoretisch sind damit die aktuellen Bedürfnisse über Jahrhunderte gedeckt. Knapp 90 Prozent kommen aber in nur vier Ländern vor, nämlich in China (37 Prozent), Vietnam (18 Prozent), Russland (18 Prozent) und Brasilien (18 Prozent), was zu ungewollten Abhängigkeiten führt. Nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine zeigt, dass das verfügbare Angebot unsicher ist und Versorgungskrisen unvermittelt drohen. Die Nachfrage nach Seltenen Erden hingegen wird gerade durch den Konflikt weiter angeheizt.

Im Streben nach mehr Unabhängigkeit in der Rohstoff- und Energieversorgung wird die Energiewende nämlich zusätzlichen Schub erfahren und der Einsatz Seltener Erden trotz aller Bedenken bezüglich der Nachhaltigkeit ihres Abbaus an Bedeutung gewinnen. Denn Seltene Erden verhalten sich hier wie der Robin Hood der Rohstoffe: Schlechtes tun, um Gutes zu bewirken. Ihr Abbau ist grossen Herausforderungen an die Nachhaltigkeit unterworfen, ihr Einsatz für die Energiewende aber unabdingbar. 

Nachhaltigkeitsbetrachtung (ESG)

(E) Umwelt

  • Vorteil: Essenziell für Energiewende
  • Nachteil: Umweltschädlicher Abbau

 (S) Soziales

  • Nachteil: Abbau mehrheitlich in Regionen mit Kontroversen bezüglich Menschenrechte

(G) Unternehmensführung

  • Nachteil: Abbau mehrheitlich in Regionen mit mangelnder Korruptionsbekämpfung und hoher staatlicher Einflussnahme auf Geschäftsführung der Unternehmen

 

Ausgewählte Anlagemöglichkeiten in diesem Bereich weisen ein MSCI ESG Rating von BB auf. Die Zürcher Kantonalbank verzichtet aufgrund erhöhter direkter Nachhaltigkeitsrisiken auf die Finanzierung von Geschäften mit Seltenen Erden.