«Euro-Schwäche hält an»

Die zögerliche EZB-Zinspolitik, die konjunkturellen Nachwehen der Pandemie und die Versorgungsunsicherheiten beim Gas – dies alles belastet die europäische Einheitswährung. Erfahren Sie mehr im Interview mit Elias Hafner, Senior Investment Strategist bei der Zürcher Kantonalbank.

Interview: Johanna Stauffer

Elias Hafner ist Senior Investment Strategist bei der Zürcher Kantonalbank. (Bild: Andreas Guntli)

Der Euro ist gegenüber dem US-Dollar auf den tiefsten Stand seit rund 20 Jahren gefallen. Wie erklärt sich das?

Aktuell ist die Normalisierung der Geldpolitik der Haupttreiber auf dem Währungsmarkt. Zwar kämpfen sowohl die Eurozone als auch die USA mit ähnlich hohen Inflationswerten – aber die geldpolitischen Reaktionen unterscheiden sich deutlich. Die US-Notenbank zeigt glaubwürdig, dass sie es mit der Inflationsbekämpfung ernst meint. So hat die Fed die Leitzinsen im Juni um 75 Basispunkte angehoben. So einen grossen Schritt haben wir das letzte Mal 1994 gesehen. Und die US-Notenbank wird mit grossen Zinsschritten weiterfahren. Auch die SNB und die Bank of England haben bereits an der Zinsschraube gedreht. Die Europäische Zentralbank hingegen zögert noch. Sie hat zwar für Juli einen ersten Zinsschritt angekündigt, dieser dürfte sich jedoch vorerst auf 25 Basispunkte beschränken.

Warum geht die EZB so zögerlich vor?

Aus zwei Gründen. Zum einen befürchtet sie höhere Risikoaufschläge für die hochverschuldeten Peripherie-Staaten. Denn in der europäischen Währungsunion gibt es ja nicht nur Deutschland. Die EZB befürchtet, dass eine stärkere Straffung der Geldpolitik diese Staaten zusätzlich unter Druck setzen wird. Denn Anleger könnten ihre Zahlungsfähigkeit infrage stellen, was die Zinsen für die Anleihen in die Höhe treibt. Um dem Problem von Fragmentierungsrisiken entgegenzuwirken, wird die EZB im Juli ein Paket von Massnahmen präsentieren, das insbesondere mehr Anleihenkäufe bei den Peripheriestaaten beinhaltet. Die Frage ist, ob dieses Paket überzeugend genug sein wird.

Der zweite Grund?

Die Konjunktur. Wirtschaftlich gesehen hat die Corona-Pandemie Europa insgesamt härter getroffen als die USA. Dank grosser Konjunkturpakete sind diese zügiger aus der Krise gekommen. Hinzu kommt der Ukraine-Krieg und hier insbesondere die Versorgungsunsicherheiten im Energiemarkt. Es darf nicht vergessen werden: Die Energiekrise ist insbesondere ein europäisches Problem, gibt es hier doch eine starke Abhängigkeit von russischem Gas – im Vergleich zu den USA, die in gewissen Bereichen gar energieautark sind. Russland hat seine Gas-Lieferung nach Europa bereits gedrosselt. Es könnte zu weiteren Reduktionen oder im schlimmsten Fall gar zu einem Lieferstopp kommen. Dies wiederum hätte einen stärkeren wirtschaftlichen Rückgang zur Folge.

Der Euro wird derzeit knapp über Parität zum Dollar gehandelt. Könnte er noch weiter fallen?

Das hängt vom weiteren Verlauf in Bezug auf die Erdgasproblematik und der wirtschaftlichen Lage ab. Unsere 3-Monats-Prognose liegt bei 1,01 Dollar für den Euro. Dabei gehen wir grundsätzlich davon aus, dass wir in Europa eine weitere Wachstumsverlangsamung sehen werden. Falls die wirtschaftlichen Probleme aber darüber hinaus noch weiter zunehmen und die EZB so zögerlich wie bisher bleibt, könnte der Euro-Dollar-Wechselkurs jedoch durchaus unter die Parität fallen.

Und warum ist der Dollar derzeit überhaupt so gefragt?

Die aggressive Zinserhöhung in den USA macht den Dollar-Raum derzeit deutlich attraktiver gegenüber anderen Währungsregionen. Zudem ist der US-Dollar gerade in Phasen mit hohen globalen Rezessionsängsten beliebt. Der Dollar gilt dann wegen seiner Liquidität und seiner internationalen Bedeutung als «Save Haven». Auch der Schweizer Franken ist in Krisenzeiten gefragt – das merken wir derzeit ebenfalls.

Stichwort Franken: Der Euro ist vor Kurzem unter Parität gefallen. 2015 hat dies hierzulande für eine breite Beunruhigung gesorgt – doch diesmal nicht. Wieso?

Das hat damit zu tun, dass in der Eurozone die Preise in den letzten 12 Monaten viel stärker angestiegen sind als in der Schweiz. So kletterte die Inflationsrate in Europa im Juni auf 8,6%, während wir hierzulande «nur» mit 3,4% kämpfen müssen. Und bei den Produzentenpreisen ist die Diskrepanz nochmals deutlich grösser. Diese Entwicklung dämpft die Folgen des starken Frankens für die Exportwirtschaft.

Es gibt derzeit unter Fachexperten einige Diskussionen darüber, inwiefern der Franken zu stark ist. Was ist Ihre Einschätzung?

Gemäss unseren Berechnungen liegt die Bewertung des Frankens gegenüber dem Euro im fairen Bereich. Den Dollar sehen wir in der langen Frist gar als überbewertet gegenüber dem Franken an. Es lässt sich also sagen, dass der Franken derzeit insgesamt nicht mehr zu stark ist. Auch die Schweizerische Nationalbank hat in ihrem Juni-Meeting nicht mehr von einer hohen Bewertung gesprochen – im März sah dies noch anders aus

Wie wird es mit dem Euro-CHF-Wechselkurs weitergehen?

Wir gehen davon aus, dass sich der Euro-Franken-Kurs vorerst auf Parität und darunter festsetzen wird. Bisher war es so, dass die SNB einen schwächeren Franken bevorzugt hatte. Diese Präferenz hat sie im aktuellen Inflationsumfeld aufgegeben. Falls die Inflationsrisiken anhalten, dürfte sie eher an einem starken Franken interessiert sein. Und nach unserer Ansicht erreicht die Inflation erst Ende dieses Jahrs ihren Höhepunkt. Deshalb scheint uns eine Erholung des Euros gegenüber dem Schweizer Franken sichtlich über Parität als wenig wahrscheinlich.