Investieren im Sinne der Ozeane

Neben der Überfischung setzen die zunehmende Erwärmung, Versauerung und Verschmutzung den Weltmeeren stark zu. Was kann aus Investorenperspektive dagegen getan werden? Sabina Bals vom WWF Deutschland gibt im Interview mit Nachhaltigkeitsökonomin Silke Humbert darüber Auskunft.

Text: Silke Humbert

«Der ökologische Zustand der Ozeane und der wirtschaftliche Zustand der Unternehmen hängen voneinander ab», sagt Sabina Bals vom WWF Deutschland. (Bild: Getty Images)

Unter der Leitung der Finanzinitiative des UN-Umweltprogramms (UNEP FI) hat die Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) zusammen mit anderen Partnern die «Sustainable Blue Economy Finance Principles» entwickelt, mit denen zum ersten Mal ein Rahmenwerk für nachhaltige Investments in der «Blue Economy» vorliegt.

Silke Humbert hat bei Sabina Bals vom WWF Deutschland nachgefragt, weshalb der Ozean auch ökonomisch eine Rolle spielt und was es aus Investorenperspektive zu beachten gilt.

Der Zustand der Ozeane hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verschlechtert. Warum rückt das Thema erst jetzt in den Fokus?

Es gilt leider auch hier: aus den Augen, aus dem Sinn. Obwohl 80% aller Lebewesen der Erde im Meer leben, ist der Meeresgrund weniger erforscht als die Mondoberfläche. Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Umweltorganisationen wissen schon lange um die Notlage der Ozeane, aber erst jetzt werden die tatsächlichen Risiken und Kosten für Unternehmen, Investoren und Regierungen deutlich. Wenn wir jetzt handeln, ist es jedoch noch nicht zu spät.

Beim Thema Ozean denken viele vermutlich an den letzten Strand- oder Tauchurlaub. Inwiefern spielt der Ozean auch ökonomisch eine Rolle?

Die Sustainable Blue Economy wurde vom WWF im Jahr 2015 konservativ äquivalent zur siebtgrössten Volkswirtschaft der Welt mit einem Vermögenswert von USD 24 Bio und einem jährlichen Nutzen von rund USD 2,5 Bio bewertet. Der Wert ist so hoch, da das Naturkapital der Ozeane so hoch ist – es beschützt unsere Küsten und stellt die Nahrungs- und Lebensgrundlage von Millionen von Menschen dar. Deshalb ist es so wichtig, Ozeane zu verwalten, zu schützen und wiederherzustellen.

Ihren Aussagen zufolge wirtschaftet nur ein Bruchteil der Unternehmen nachhaltig – hat das damit zu tun, dass der Zustand der Ozeane für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen keine Rolle spielt?

Nein, das ist absolut nicht der Fall; der ökologische Zustand der Ozeane und der wirtschaftliche Zustand der Unternehmen hängen voneinander ab. In einem WWF-Bericht von 2021 wurde festgestellt, dass mehr als zwei Drittel der börsennotierten Unternehmen vom sich verschlechternden Zustand der Meere betroffen sein könnten. In den nächsten zehn Jahren sind dadurch mehr als USD 8,5 Bio gefährdet. Nachhaltige Entwicklungspfade könnten diese Verluste wesentlich reduzieren.

In der letzten Zeit sind zwei neue wichtige Abkommen zu den Ozeanen geschlossen worden. Somit stehen die Ozeane mehr im Fokus der Öffentlichkeit und werden bald wahrscheinlich stärker reguliert. Könnten dadurch für die Unternehmen Kosten entstehen?

Das ist wahrscheinlich. Wir gehen davon aus, dass regulatorische, rechtliche und Reputationsrisiken zunehmen werden. Diese gehen beispielsweise von wenig effizienten Schiffsflotten, Überfischung oder schlechten Arbeitsbedingungen aus. Durch proaktive und vorausschauende Transformation können Unternehmen diese Risiken reduzieren und die Chancen des Wandels für sich nutzen.

Nachhaltigkeit beim Anlegen ist schon lange ein Thema – vielfach ist jedoch unklar, was das für Aktivitäten rund um den Ozean bedeutet. Wo können sich Investoren informieren?

Die UNEP FI «Sustainable Blue Economy Finance Principles» und ihre Leitfäden sind ein guter Ausgangspunkt. Darin wird festgelegt, welche Aktivitäten prinzipiell nicht transformiert werden können und daher nicht finanziert werden sollten, welche transformiert werden müssen und welche relativ nachhaltig sind und deshalb gefördert werden sollten. Transformierbare Aktivitäten sollten Finanzierung erhalten, die Umsetzung gleichzeitig aber überwacht und begleitet werden.