Der Teufel steckt im Detail
Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ein deutsches Sprichwort ins Spiel zu bringen: «Der Teufel steckt im Detail!» Die Frage stellt sich nämlich, wie diese CO2-Reduktionen zustande gekommen sind. Der Grossteil der während der letzten drei Jahre bei Shell und BP erzielten CO2-Reduktionen beruht nicht auf Verringerungen der Emissionen im operativen Geschäft, sondern auf Verkäufen eines Teils des CO2-intensiven Geschäfts, also auf sogenannten «Divestments». Für Shell und BP sind solche Verkäufe essenziell, um Net-Zero-Ziele zu erreichen, und daher eine gute Sache.
Und für das Klima?
Das hängt stark davon ab, an wen diese Unternehmensteile verkauft werden – im Fall von BP und Shell an Privatfirmen. Und das ist ein Problem. Denn während börsennotierte Firmen hohen Anforderungen bezüglich Transparenz genügen müssen und dem Druck von Investorinnen und Investoren und der öffentlichen Meinung ausgesetzt sind, ist das bei Privatunternehmen nicht der Fall. Höchstwahrscheinlich werden die neuen Eigentümer kaum nach ihrem CO2-Ausstoss gefragt. Das birgt keinen Anreiz, Emissionen tief zu halten – im Gegenteil. Für das Klima ist das also leider keine gute Sache.
Ist das ein Einzelfall? Nein, vermuten die Autoren eines kürzlich erschienen Arbeitspapiers. Generell gibt es im CO2-intensiven Bereich mehr Verkäufe börsennotierter Firmen an privat geführte Firmen als umgekehrt, sagen die Autoren Gözlügöl und Ringe1, bei denen ein ungutes Gefühl zurückbleibt. Ziel muss es schliesslich sein, die Emissionen global zu reduzieren und nicht, schöne Berichte von den im Rampenlicht stehenden Unternehmen zu erhalten.
Das Kind mit dem Bade ausschütten?
Ist es also falsch, Druck auf Firmen auszuüben, damit sie ihre CO2-Emissionen reduzieren und infolgedessen Net-Zero-Zusagen machen? Nein, denn «What gets measured gets done» hat immer noch seine Berechtigung. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass nur ein Bruchteil der Firmen börsenkotiert ist. In der Schweiz sind zum Beispiel weniger als 0,1 Prozent aller Firmen börsennotiert. Die Schlupflöcher, die bei einem Fokus auf börsengelistete Firmen entstehen, sind riesig. Gleichzeitig sollte die Metrik erweitert werden. Es zählt nicht nur, ob Net Zero erreicht wird, sondern auch wie. BP und Shell sind diesbezüglich immerhin transparent: Divestments werden klar in der Strategie für die Erreichung der Net-Zero-Ziele aufgeführt. Net-Zero-Pläne gänzlich abzuschaffen wäre übereifrig. Damit würde man, um ein drittes Sprichwort zu bemühen, das Kind mit dem Bade ausschütten. Was es braucht, ist eine verbindliche Anwendung von Net-Zero-Zielen für alle Unternehmen oder die Vorgabe, diese Ziele ohne Divestments zu erreichen.
1 Alperen Gözlügöl und Wolf-Georg Ringe. April 2023. Net-Zero Transition and Divestment of Carbon-Intensive Assets. European Center for Corporate Governance.