Plastic Fantastic?

Die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UN) hat im April 2022 eine Resolution verabschiedet, um das erste globale Abkommen zur Vermeidung von Plastikmüll zu schaffen. Bis zur effektiven Reduktion des Plastikmülls ist es aber ein steiniger Weg. Erfahren Sie mehr im Beitrag von Silke Humbert, Nachhaltigkeits-Research im CIO-Office der Zürcher Kantonalbank.

Text: Silke Humbert , Nachhaltigkeits-Research

Plastikdeckel (Bild: Getty)
Selbst wenn ab heute kein Plastik mehr produziert würde, würde sich die Menge an Mikroplastik in den Meeren durch den langsamen Zerfallsprozess innerhalb von 30 Jahren mehr als verdoppeln. (Bild: Getty)

Grosse Ölunternehmen stehen aufgrund der durch fossile Energieträger verursachten Klimaerwärmung vor grossen Herausforderungen. In den letzten Wochen standen ausnahmsweise nicht die als Energiequelle genutzten fossilen Energieträger, sondern aus Öl und Gas hergestellte Produkte im Mittelpunkt: Plastikartikel. Die Bedrohungslage aus Sicht der Ölindustrie ist jedoch dieselbe, denn ein Drittel der Nachfrage nach Öl ist der Petrochemie zuzuordnen und bislang ist man hier von einem starken Wachstum ausgegangen.

Die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UN) hat in diesem Frühjahr eine Resolution verabschiedet, um das erste globale Abkommen zur Vermeidung von Plastikmüll zu schaffen. Von der Resolution über das Abkommen bis hin zur effektiven Reduktion des Plastikmülls ist es natürlich ein langer Weg. Das Besondere an der Resolution ist aber, dass alle Unterzeichnerstaaten einer rechtlichen Verbindlichkeit zugestimmt haben. Das Abkommen könnte neben Zielgrössen für das Recycling auch einen Verzicht auf Einwegkunststoffe oder eine Obergrenze für die Kunststoffproduktion beinhalten.

Viele Vorzüge – aber eine ökologische Bedrohung

Der Siegeszug von Plastik ist einfach zu erklären: Plastik ist günstig herzustellen, leicht, vielseitig einsetzbar, strapazierfähig und robust. So robust nämlich, dass es sich nicht biologisch abbaut, sondern nach vielen Jahren in Mikroplastik zerfällt. Und da sind wir auch schon bei den Nachteilen. Mikroplastik reichert sich in der Umwelt an und gefährdet Lebewesen und Ökosysteme.

Eine Tonne Plastik pro Person

Selbst wenn ab heute kein Plastik mehr produziert würde, würde sich die Menge an Mikroplastik in den Meeren durch den langsamen Zerfallsprozess innerhalb von 30 Jahren mehr als verdoppeln. Zählt man das bis heute produzierte Plastik zusammen, kommt auf jeden heute lebenden Menschen eine Tonne Plastik. Es wäre allerdings falsch, nur an Plastikstrohhalme oder Plastiktüten zu denken. Während Einweg- und Verpackungsartikel aus Plastik sicherlich reduziert werden können, bleiben immer noch viele Produkte, in denen Plastik nicht leicht zu ersetzen ist. Zum Beispiel in medizinischen Geräten, Solarpanels oder Rotorblättern für Windkraftanlagen. Hier müsste das Recycling ansetzen. Die Recyclingquote von Plastik ist mit bislang 10 Prozent sehr gering.

Gemischte Reaktionen auf die Konferenz

Während Politiker und Umweltschützer von der wichtigsten internationalen Umweltvereinbarung seit den Pariser Klimazielen sprechen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters über die versuchte Einflussnahme der amerikanischen Lobbyorganisation American Chemistry Council (ACC) gegen ein Zustandekommen der Resolution. Vielleicht ist es für die Ölindustrie Zeit, sich an einem anderen Slogan zu orientieren: Von «Plastic Fantastic» zu «Entweder bist du Teil der Lösung oder Teil des Problems».