Lang lebe König Dollar

Die Diskussion um die «Entdollarisierung» vom US-Dollar, sprich die gewünschte Reduzierung der Abhängigkeiten zur US-Währung, gewinnt immer mehr an Dynamik. Wie unmittelbar ist der Status des Dollars bedroht? Währungsexperte Elias Hafner liefert Antworten

Text: Elias Hafner , Anlagestratege Devisen & Alternative Anlagen

Elias Hafner, Senior Investment Strategist bei der Zürcher Kantonalbank (Bild: Christian Grund)
«Zurzeit drängt sich unter den Währungen keine Alternative auf, welche die US-Währung ernsthaft zu konkurrieren vermag», sagt Elias Hafner. (Bild: Christian Grund)

Der US-Dollar wertete 2022 kräftig auf und erreichte im Herbst den höchsten Wert seit 20 Jahren. Seither hat die Nachfrage nach der US-Währung allerdings nachgelassen. Diese Bewertungskorrektur wird unter anderem auf verstärkte Bestrebungen zur «Entdollarisierung» zurückgeführt.

Insbesondere die gewichtigen BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), welche rund 40 Prozent der Weltbevölkerung und mehr als einen Viertel der globalen Wirtschaftsleistung auf sich vereinen, nehmen zunehmend eine Dollar-kritische Haltung ein. Ihre wirtschaftlichen Gewichte werden seit langem nicht mehr am globalen Devisenmarkt reflektiert. Sie stellen deshalb den Status der US-Währung in Frage und werben für die Verwendung der eigenen Währung.

Wie unmittelbar ist der Status des Dollars dadurch bedroht und welche Auswirkung hat dies auf seinen Aussenwert?

Dollar bleibt auf dem Thron

Die klare Dominanz in verschiedenen Bereichen des Währungsmarkts und im internationalen Zahlungsverkehr sowie die damit verbundenen Netzwerkeffekte machen eine Entthronung innerhalb von wenigen Jahren unwahrscheinlich. Zudem drängt sich zurzeit unter den Währungen keine Alternative auf, welche die US-Währung ernsthaft zu konkurrieren vermag. China verfügt weiterhin über Kapitalverkehrskontrollen und es bleibt offen, wie stark sich andere Länder als Alternative zum Dollar in die Abhängigkeit der chinesischen Währung begeben möchten.

Die BRICS-Länder sind kein optimaler Währungsraum und eine gemeinsame Währung, die sich aus dem Korb der einzelnen Währungen ableitet, schliesst weiterhin die Nachteile der unterliegenden Währungen mit ein. Und dem Euro fehlt beispielsweise ein liquider Anleihenmarkt in der Gemeinschaftswährung. Aus heutiger Sicht scheint deshalb ein Übergang in eine Welt wahrscheinlich, in der die volkswirtschaftlichen Gewichte auf dem Devisenmarkt etwas besser reflektiert werden, der Dollar aber vorerst weiter fest auf seinem Thron sitzt.

Bewertung und Inflationsentwicklung bestimmend

Darüber hinaus ist der Zusammenhang zwischen Aussenwert einer Währung und deren Anteil an den globalen Währungsreserven unklar. Wie sich der Aussenwert einer Währung mittel- bis langfristig entwickelt, ist hingegen wesentlich durch die Inflationsentwicklung getrieben. Dies gilt auch für den Dollar. Relativ zur Inflation hat sich die US-Währung in den letzten Jahren zu stark entwickelt, was sich in einer hohen Bewertung zeigt.

In der Vergangenheit hat eine solch hohe Bewertung über die darauffolgenden zehn Jahre zu einer deutlichen Abwertung des Dollars geführt. Unabhängig von seinem künftigen Status scheint also die längerfristige Entwicklung des Aussenwerts des Dollars vorgezeichnet. Gleichzeitig trägt die zunehmende Anspannung der Staatsfinanzen nicht zu einer Verbesserung des längerfristigen Ausblicks bei. Vor diesem Hintergrund hilft sicherlich nicht, wenn bisher wichtige Gläubigerstaaten aus den Schwellenländern künftig ihren Anteil am USD-Staatsanleihen-Kuchen nicht mehr aufessen wollen.

Alternative Häfen sind aktuell vorzuziehen

Für den Ausblick über die nächsten Quartale ändert sich dadurch nichts Wesentliches. Insbesondere behält der Dollar den Status eines sicheren Hafens. Die von uns über die nächsten Monate erwartete weitere Abschwächung der globalen Wirtschaft dürfte deshalb eine gewisse Nachfrage nach der US-Währung aufrechterhalten. Gleichzeitig sehen wir allerdings die Konjunkturabschwächung wesentlich durch die US-Wirtschaft getrieben, wo sich im zweiten Halbjahr 2023 eine milde Rezession anbahnt, was negativ für den Dollar ist.

Welcher Effekt überwiegt, hängt davon ab, ob die Konjunkturabkühlung insbesondere auf die USA fokussiert bleibt oder ob sich zunehmend auch stärkere Risse auf globaler Ebene zeigen werden. Im ersten Fall dürfte der US-Dollar gegenüber den meisten Währungen weiter an Bewertung einbüssen; im zweiten Szenario ist hingegen eine neuerliche Erstarkung des Dollars gegenüber zyklischen Währungen zu erwarten, also Währungen die positiv von der globalen Konjunktur abhängen. Unter dem Strich ergibt unsere Analyse, dass in beiden Szenarien im weiteren Jahresverlauf alternative sichere Häfen profitieren dürften: konkret der Schweizer Franken und der japanische Yen.