Zum Schutz der Weltmeere

Nach zwei Jahrzehnten zähen Verhandlungen ist vor kurzem ein Konsens für ein Abkommen über den Schutz von Biodiversität auf hoher See erzielt worden. Braucht es tatsächlich noch mehr Abkommen zum Umweltschutz? Silke Humbert, Nachhaltigkeitsökonomin, liefert eine Einschätzung.

Text: Silke Humbert

«Beim Schutz der Meere geht es längst nicht mehr nur um den Erhalt von Biodiversität aus ideellen Gründen, es geht um unsere Lebensgrundlage», sagt Silke Humbert. (Bild: Getty Images)

Die britische Tageszeitung Guardian betitelte sie als wichtigste Verhandlung, von der kaum jemand je gehört hat.1 Nach zwei Jahrzehnten zähen Verhandlungen ist im März ein Konsens für ein Abkommen über den Schutz von Biodiversität auf hoher See erzielt worden. Die Präsidentin der Konferenz, Rena Lee aus Singapur, fasste es poetisch zusammen: «Das Schiff hat im Hafen angelegt», waren ihre Worte, als sie unter grossem Applaus die Einigung präsentierte.

Vor über 40 Jahren hat sich die Weltgemeinschaft auf das letzte Seerechtsabkommen (UNCLOS, United Nations Convention of the Law of the Sea) geeinigt. Auch wenn das Abkommen von 1982 den Schutz der Meere beinhaltet, ging es im Wesentlichen um die Zuteilung von Verfügungsrechten. Während es an Land einfach ist, Grenzen zu ziehen und Zäune zu bauen, ist das auf den Weltmeeren nicht möglich.

Immer wieder gab es zwischen den Nationen Streitfälle darüber, wer in welchem Gebiet fischen, forschen und mit Schiffen fahren darf. Das UNCLOS-Abkommen definierte nationale wirtschaftliche Exklusivzonen in einer Länge von 200 Seemeilen von der Küste Richtung Meer – die restlichen zwei Drittel der Meere wurden als internationale Hochsee definiert, die jedes Land beliebig für Fischfang, Forschung und die Schifffahrt nutzen kann. Der Ausbeutung des Ökosystems Ozean auf hoher See standen so Tür und Tor offen. Garrett Hardin, der in den 1960er-Jahren zu Allmenden forschte, also Gütern, deren Nutzung für alle möglich sind, wobei sich die Nutzer gegenseitig konkurrenzieren, formulierte es so: «Freiheit für alle führt zum Ruin für jeden.»

Es geht um unsere Lebensgrundlage

Der «Ruin» kann auf drei Ebenen beschrieben werden. Erstens betrifft es die Fischbestände. Seit 1970 haben sich die weltweiten Bestände der vom Menschen genutzten Meeresarten im Schnitt halbiert. Ein Drittel der Fischbestände ist von Überfischung betroffen, die Bestände kommen also mit der Regeneration nicht nach und schrumpfen. Das trifft - zum zweiten - alle Beschäftigten der Fischerei. Etwa 600 Millionen Menschen sind auf die Fischerei angewiesen. Für sie ist der Fischfang heute eine teurere und gleichzeitig weniger ergiebige Angelegenheit als früher.

Zum dritten sind aber auch alle nicht direkt in der Fischerei Beschäftigten von der abnehmenden Biodiversität auf den Weltmeeren betroffen: Aktuell absorbieren die Meere knapp die Hälfte des Kohlendioxids und produzieren über die Hälfte des Sauerstoffs. Studien weisen darauf hin, dass die abnehmende Biodiversität der Meere dazu führt, dass diese für uns Menschen zentrale Funktion der Meere nachlässt. Beim Schutz der Meere geht es also längst nicht mehr um den Erhalt der Biodiversität aus ideellen Gründen, es geht um unsere Lebensgrundlage.

Ende gut, alles gut?

Das Kernstück des neuen Abkommens zur Biodiversität auf hoher See sieht vor, die «Freiheit für alle» auf hoher See durch die Einrichtung von Meeresschutzgebieten einzuschränken. Aktuell sind etwa 1 Prozent internationaler Gewässer geschützt, zukünftig sollen es 30 Prozent sein. Einzelne Forschungsergebnisse stimmen zuversichtlich, was die Regeneration von Fischbeständen in Meeresschutzgebieten angeht. Ist das neue Abkommen also tatsächlich eines der wichtigsten Abkommen, von dem bislang kaum jemand gehört hat?

Die prinzipielle Einigung aller Vertragsparteien ist zweifelsohne ein grosser Durchbruch. Auch die Verhandlungspartner, die bereits jetzt die Abnahme der Biodiversität in den Meeren spüren und die folglich die höchsten Ansprüche an ein neues Abkommen hatten, zeigen sich zufrieden. «Insgesamt sind wir als kleine Inselstaaten sehr zufrieden mit dem Vertrag», sagt Ismael Zahir, Repräsentant von Samoa und Berater der Allianz der kleinen Inselstaaten. Die konkrete Umsetzung ist noch unklar, aber für die erste Etappe einer internationalen Einigung hat das Schiff erfolgreich im Hafen angelegt.

High seas treaty: historic deal to protect international waters finally reached at UN | Environment | The Guardian