Gewerbeflächen: Corona wirft einstige Toplagen aus den Fugen

Der Immobilienmarkt für Gewerbeflächen zeigt bislang kaum Spuren von COVID-19. Der Realitätscheck steht jedoch noch bevor. Normalerweise sind zentrale Lagen besonders krisenfest. Im jetzigen «Lockdown light» sind ausnahmsweise Betriebe an dezentralen Orten besser in der Lage, die Krise unbeschadet zu überstehen.

Text: Ursina Kubli, Leiterin Analytics Immobilien

Der Eindruck auf den Quartierstrassen täuscht nicht. Seit den am 28. Oktober verkündeten Restriktionen des Bundes schränken viele Menschen ihren Bewegungs­radius wieder stark ein. Stattdessen sind sie wieder vermehrt in der Nähe ihres Wohnortes anzutreffen. Das zeigen die jüngsten Indikatoren zur Mobilität. Aufgrund der Home-Office-Empfehlung wird vermehrt zu Hause gearbeitet. Im Gegensatz zum Lockdown im Frühling sind im Kanton Zürich die Läden und Restaurants jedoch nach wie vor geöffnet (Stand 19. November 2020). Damit befinden wir uns in einer Art «Lockdown light». Für viele Branchen wird jedoch bereits die Light-Version zur Knacknuss. Insbesondere die Gastronomie beklagt grosse Umsatzverluste, und es dürften auch die sonst so ertra­greichen Weihnachtsessen ins Wasser fallen. Und doch wird es auch in dieser Phase nicht nur Verlierer geben. Das zeigen die Analysen der Umsatzzahlen unserer Ge­schäftskunden während der ausserordentlichen Lage. 

Gewerbe hat den Realitätscheck noch vor sich

Schon zu Beginn der Corona-Krise waren Gewerbeliegenschaften unser grösstes Sorgenkind. Diese hängen un­mittelbar am Tropf der Konjunktur und waren von den Zwangsschliessungen im Frühling stark betroffen. Mehr als acht Monate seit dem ersten bestätigten Corona-Fall in der Schweiz ist es umso erstaunlicher, dass am Markt für Gewerbeliegenschaften noch immer kaum Spuren sichtbar sind. So ging die Summe aller inserierten Ge­werbemietflächen auf Online-Plattformen in den letzten Monaten sogar leicht zurück. Ein wichtiger Grund ist der bemerkenswert dynamische Konsum. Bereits während des Lockdowns genossen Supermärkte höhere Umsätze als zu normalen Zeiten. Offensichtlich war nicht nur Toilettenpapier plötzlich sehr gefragt, man ging auch nicht mehr ins Restaurant oder die Kantine und musste selbst kochen.

Gewerbe hat den Realitätscheck noch vor sich

Auch im Fachhandel schwenkten die Umsätze nach der Wiedereröffnung Mitte April auf einen kräftigen Erholungskurs, sodass die früheren Verluste häufig kompensiert wurden. Bei persönlichen Dienstleis­tungen war eine Kompensation schwieriger, da die Haare beim Coiffeur dann bekanntlich auch mal geschnitten sind oder Personen nicht zweimal pro Woche zur Massage gehen. Doch auch persönliche Dienstleistungen waren schlagartig zurück auf dem normalen Umsatzniveau. Sogar Restaurants und Bars konnten schneller wieder mehr Gäste begrüssen als zuvor befürchtet. Sie konnten zwar nicht ganz den Umsatz der Vorjahre erwirtschaften, aber doch nahezu. Neben der guten Konsumentenstim­mung hat auch die ausserordentliche Unterstützung des Staates in Form von COVID-19-Krediten, Kurzarbeit und Konkursschutz viele Gewerbler über die Runden gebracht. Gewisse Branchen, wie die Reise- und die Eventindustrie, trifft eine 95-Prozent-Wirtschaft jedoch mitten ins Herz. Spätestens mit dem Auslaufen des Konkursschutzes und der Kurzarbeit haben viele Betriebe den Realitätscheck noch vor sich. Dann dürften die inserierten Gewerbeflächen mancherorts rapide steigen.

Anlageregel Nummer 1: Lage, Lage, Lage für einmal umgekehrt

Wie gut die einzelnen Betriebe diesen zweiten Schock bewältigen können, hängt nicht nur von der Branche, sondern auch von der Lage ab. Viele neigen wohl intuitiv dazu, zentrale Lagen als besser gewappnet zu beurteilen. Schliesslich hat sich die altbewährte Anlageregel «Lage, Lage, Lage» tief in unserer DNA verankert. Der Haken an dieser Weisheit ist, dass sie nichts darüber aussagt, welche Lagen gemeint sind. In der heutigen Phase eines «Lockdown light» dürften die Umsätze ausgerechnet an den sehr zentralen Lagen einbrechen. Diese profitieren sonst von einer hohen Passantenfrequenz, wenn Berufstä­tige ihre Einkäufe auf dem Arbeitsweg erledigen. Mit der Arbeit im Home-Office verlagert sich auch das Einkaufen in die Wohngebiete. So erwirtschaftete während des Lockdowns im Frühling der lokale Metzger, die Drogerie am Wohnort oder ein Take-Away-Restaurant sogar höhere Umsätze als zuvor. Bezeichnend sind zum Beispiel die vielen «Dieci Pizza»-Autos, die in letzter Zeit häufig um die Häuser kurven. Das bestätigt auch unsere Analyse der Umsatzentwicklung unserer Geschäftskunden während des Frühlings-Lockdowns. In der Innenstadt führte die Ausdünnung der Passantenfrequenz zu erheblichen Umsatzeinbussen (rote, kleine Kreise) im Food-Bereich. In den typischen Wohnregionen wie zum Beispiel entlang beider Seeufer sowie im Speckgürtel rund um die Stadt Zürich war der Umsatz jedoch häufig mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr (dunkelblaue, grosse Kreise). Diese Beobachtung gilt nicht nur für den Food-Bereich. Höhere Passantenfrequenzen am Wohnort bringen schlussendlich auch mehr Kundschaft zum Optiker, zur lokalen Buch­handlung oder zum Coiffeur. Ausnahmsweise sind gerade Betriebe an dezentralen Orten eher in der Lage, die zweite Welle unbeschadet zu überstehen.

Umsatz ZKB Geschäftskunden im Foodbereich

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