Kennen Sie «Die Kinderbrücke»? Das Bilderbuch erzählt von zwei Bauern, die an einem Fluss leben. Der eine auf der linken, der andere auf der rechten Seite. Ersterer geniesst morgens beim Pflügen die Sonne, während das Haus des anderen noch im Schatten liegt. Abends ist es umgekehrt. Der Bauer im Schatten schaut jeweils neidisch auf den in der Sonne.
Spätestens in der Primarschule lernt heute jedes Kind: Im Osten geht die Sonne auf, im Süden ist ihr Mittagslauf, im Westen wird sie untergehen, im Norden ist sie nie zu sehen.
Dieser Merkspruch kommt sicher den meisten bei der Wohnungssuche in den Sinn. Da jedoch kaum noch jemand mit dem Pflug ums Haus unterwegs ist, kommt es beim Eigenheimkauf eher auf die Abendsonne an. Wer möchte nicht seinen Nachmittagskaffee in der Sonne geniessen und das goldene Abendlicht von der eigenen Terrasse aus schwinden sehen? Gerade die Südwest-Hanglagen versprechen einen späten Sonnenuntergang mit fantastischer Abendsonne. Ist diese auch noch gepaart mit einer grossartigen Aussicht – spiegelt sich die untergehende Sonne gar in einem See –, haben wir es mit besonders exklusiven Wohnlagen zu tun. Sie ziehen ein wohlhabendes Publikum an. Entsprechend gehoben wird an solchen Lagen gebaut. Viele Gemeinden haben ihren gerühmten Sonnenhügel. In der Schweizer Sonnenstube, dem Tessin, heisst eine Gemeinde sogar ganz offiziell Collina d’Oro (Goldhügel). Dies nicht zu Unrecht, denn sie liegt am Sonnenhang über Lugano mit wunderschönem Blick auf den Luganersee. Hier liess sich einst der Schriftsteller und Nobelpreisträger Hermann Hesse nieder. Und auch heute beherbergt der Goldhügel noch zahlreiche Persönlichkeiten. In Zürich ist es die begehrte «Goldküste», an der die gefragten Wohnlagen im warmen Abendlicht in einem fabelhaften Glanz erscheinen.
Um diese besonderen Wohnlagen aufzuspüren, haben wir erstmals für die gesamte Schweiz berechnet, wann die Sonne untergeht. Dabei haben wir explizit auch das Gelände berücksichtigt, das gerade in der Gebirgslandschaft der Schweiz einegrosse Bedeutung hat. Die Sonne geht in diesem Sinne bereits unter, wenn sie hinter einem Berg oder auch nur einem Hügel verschwindet. Sobald sie nicht mehr direkt zu sehen ist, liegt der betreffende Geländepunkt im Schatten. Ein Hochleistungsrechner hat die Simulation für 100 Millionen Punkte in Bezug auf den längsten und den kürzesten Tag des Jahres durchgeführt.
In den Sommermonaten scheint die Sonne in weiten Teilen des Landes noch relativ lang. 84 Prozent der Wohnungen haben am 21. Juni selbst um 20 Uhr noch Sonne. Im Winter hingegen, wenn die Sehnsucht nach Licht, Glanz und Wärme am grössten ist, ist es ein grosses Privileg, den fernen Feuerball am späten Nachmittag noch sehen zu können. Werfen wir daher einen Blick auf den Sonnenuntergang am kürzesten Tag des Jahres, dem 21. Dezember.