Eigenheimkauf: Jetzt oder nie?

Die Pandemie forciert den Eigenheimwunsch. Auch mit der Rückkehr zur Normalität wird nicht alles wie früher. Trotz Warnungen der Schweizerischen Nationalbank ist keine Trendumkehr bei den Eigenheimpreisen in Sicht. Wir rechnen im kommenden Jahr mit weiterem, aber weniger starkem Preiswachstum.

Text: Ursina Kubli, Leiterin Analytics Immobilien

Eigenheimkauf
Grosser Andrang beim Eigenheimkauf. (Bild: Enzo Lopardo / enzolopardo.pictures)

Inserieren Makler ein Verkaufsobjekt auf einem Immobilienportal, erhalten sie mehrere Hundert Anfragen. An den Besichtigungen, die sich Interessenten häufig teilen müssen, ist eine gewisse Hysterie spürbar. Es fühlt sich an wie bei einem Schlussverkauf, mit der grossen Ausnahme, dass dort stark reduzierte Preise locken. Bei Eigenheimen müssen Interessenten hingegen so tief in die Tasche greifen wie noch nie. Warum steigen die Preise noch schneller? 

Einfluss der Pandemie anfangs unterschätzt

Angebotsseitig gibt es wenig Grund für eine Beschleunigung des Preiswachstums. Die Anzahl Transaktionen hat jüngst sogar zugenommen, da es gerade bei älteren Objekten öfter Eigentümerwechsel gab. Auch nachfrageseitig hat sich aus reinen Kostenüberlegungen wenig verändert: Die langjährigen Zinsen zeigten jüngst sogar leicht nach oben. Auch eine Abschaffung des Eigenmietwerts, die den Eigenheimbesitzern in der heutigen Marktsituation zugutekäme, ist trotz erneuter Thematisierung im Parlament weit davon entfernt, die politischen Hürden zu nehmen.

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Die Pandemie hat offenbar weitreichendere Konsequenzen als anfangs erwartet. Noch immer wird die eigene Wohnsituation so intensiv reflektiert wie noch nie. Wer träumt nicht von einer etwas grösseren oder komfortableren Wohnung und wünscht sich, diese sein Eigen zu nennen? Wer früher den Eigenheimwunsch hegte, kam diesem Traum durch die eigenen Sparanstrengungen jedes Jahr einen kleinen Schritt näher. Mit der heutigen Preisdynamik ist das allerdings kaum noch möglich. Vielmehr wird der Eigenheimkauf von Jahr zu Jahr anspruchsvoller. Viele Mieter geraten in Sorge, den Einstieg ins Wohneigentum zu verpassen. Dieses Phänomen bekommt in der Literatur mit «FoMO» (Fear of Missing Out) sogar einen eigenständigen Fachbegriff. «Jetzt oder nie», dürften sich manche Kaufwillige sagen. Vielleicht ist es in einem ersten Schritt eine kleinere Wohnung. Hat man seinen Fuss im Eigenheimmarkt, liegt ein Aufstieg zum Traumobjekt in den Folgejahren eher drin, da man nun selbst von den Preissteigerungen profitiert.

Das anhaltende Negativzinsumfeld dürfte ebenfalls einen Beitrag zur kräftigen Preisdynamik leisten. Während die Banken zu Beginn der Negativzinsen diese erst vereinzelt bei sehr hohen Geldbeträgen an die Kunden weitergaben, werden diese Grenzen bei manchen Banken allmählich gesenkt. Werden Zuflüsse in Einzelfällen bereits ab 250’000 Franken verrechnet, betreffen die Negativzinsen längst nicht mehr nur die Superreichen. Mieter mit hohen Guthaben, denen die eigenen vier Wände bislang nicht einmal so wichtig waren, erwägen, ein Eigenheim oder eine Liegenschaft zum Vermieten zu erwerben. Gleichzeitig wird ein Verkauf einer Liegenschaft zweimal überdacht. Was soll mit dem Verkaufserlös geschehen? Der Verkauf des Eigenheims und der Umzug in eine Mietwohnung, wie das früher im Rentenalter regelmässig erfolgte, ist heutzutage weniger attraktiv. Stattdessen wird das zu gross gewordene Einfamilienhaus oder die Eigentumswohnung vermietet und bietet eine Option für die Nachkommen, die Liegenschaft zu einem späteren Zeitpunkt zu übernehmen. Wird heute ein Objekt verkauft, dann geht die Veräusserung häufig mit einer Ersatzbeschaffung einher. Damit wird dem Eigenheimmarkt zwar ein Objekt zugeführt, es wird aber gleichzeitig auch eines absorbiert. Das ändert die Struktur des Immobilienangebots, nicht aber seine Höhe. Mit der Fortdauer der Negativzinspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) akzentuiert sich der Nachfrageüberhang am Immobilienmarkt. 

Prognosen zum Wohnungsmarkt

Prognosetabelle
(Quelle: Zürcher Kantonalbank)

Weiterhin Geduld gefragt

Einige Interessenten laufen Gefahr, für ein Eigenheim ihre finanzielle Komfortzone zu verlassen. Die SNB warnt bereits, dass diese Kaufwilligen bei einem unerwarteten Zinsanstieg auf dem falschen Fuss erwischt werden könnten. Ihre Warnungen sind ein klarer Aufruf an alle Hypothekargeber zu einer umsichtigen Kreditvergabe. Im Einzelfall dürfte es für Haushalte mit ungenügendem finanziellem Polster schwieriger werden, eine Finanzierung zu erhalten. Da in der heutigen Marktsituation häufig mehrere Dutzend Interessenten um ein Verkaufsobjekt buhlen, wird das nicht zur Trendumkehr führen. Die Besichtigungstermine wird man sich auch zukünftig mit anderen Mitinteressenten teilen müssen. Eine gewisse Entspannung ist dennoch möglich. Findet der Alltag wieder vermehrt ausserhalb der eigenen Wohnung statt, dürfte sich so manche Unzufriedenheit mit der eigenen Wohnsituation denn auch legen. Kaufwilligen ist zu wünschen, die Suche etwas entspannter anzugehen. Wer aus Angst handelt, etwas zu verpassen, handelt womöglich irrational. Wer glaubt «jetzt oder nie» ein Eigenheim erwerben zu müssen, bringt sich zu sehr unter Druck und könnte seinen Kaufentscheid später bereuen. 

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