Höhere Baukosten belasten Private

In den letzten Monaten sind die Preise vieler wichtiger Baustoffe stark angestiegen. Während die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt vorerst insgesamt gering ausfallen werden, leiden insbesondere private Eigentümer älterer Liegenschaften.

Text: Emanuel Roos, Analytics Immobilien

Baustoffregal
Lieferengpässe bei Holz und Stahl bringen höhere Preise und Planungsunsicherheit. (Bild: iStock / Weerawit, antpkr)

Wer derzeit ein Haus bauen oder renovieren will, braucht vor allem eines: Geduld. In den letzten Monaten haben sich die Lieferfristen wichtiger Baustoffe wie Holz, Stahl oder Kunststoff teilweise vervielfacht. Die Preise sind praktisch im Gleichschritt in die Höhe geschnellt. Sie haben mittlerweile eine Dimension erreicht, die selbst langjährige Experten überrascht. Diese Entwicklung trifft den Schweizer Immobilienmarkt zur Unzeit, denn die ohnehin schon jahrelang andauernde Preisrallye hat jüngst wieder deutlich an Dynamik zugelegt. Dabei blieben die Baukosten in der letzten Dekade relativ stabil, die Teuerung fand praktisch ausschliesslich beim Wohnbauland statt. Nun könnte sich dies ändern. Werden die hohen Baustoffkosten das ohnehin schon starke Immobilienpreiswachstum noch zusätzlich befeuern? Mit welchen weiteren Konsequenzen ist zu rechnen?

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Simultaner Preisanstieg mehrerer Baustoffe

Dass es bei Baustoffen hin und wieder zu grösseren Preisschwankungen und Lieferengpässen kommt, ist üblich. Aussergewöhnlich an der jetzigen Situation ist, dass viele Baumaterialien gleichzeitig davon betroffen sind. So hatten sich beispielsweise die Preise für Holz zwischenzeitlich vervierfacht, und Stahl notierte zeitweise mehr als 50 Prozent über dem langjährigen Mittel vor der Pandemie. Selbst Glas, Elektro- und Küchengeräte, Abfallsysteme oder Spülbecken sind von der Teuerung betroffen. So haben unter anderem alle grösseren Küchengerätehersteller jüngst ihre Preise um rund 4–5 Prozent erhöht – und das unterjährig, was sonst nie vorkommt.

Diese Entwicklungen werden zweifelsohne auch zu höheren Baukosten führen. So hat der Schweizer Baupreisindex bereits im April reagiert. Er ist im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Prozent gestiegen. Wir gehen davon aus, dass die Baupreise auch in den nächsten Semestern weiter anziehen werden. Da allerdings lediglich rund 15–30 Prozent der Gesamtkosten beim Hochbau auf den Materialverbrauch fallen, dürften die erwarteten Kostensteigerungen deutlich tiefer ausfallen als bei den Rohstoffen.

Preise für Holz und Stahl sind extrem gestiegen

Indexiert, 01.01.2020=100

Entwicklung Holz- und Stahlpreise
(Quelle: Bloomberg)

Lieferengpässe erhöhen Planungsunsicherheit

Vielen Bauherren bereiten jedoch nicht die hohen Preise per se die grössten Kopfschmerzen, sondern die oft damit verbundenen Lieferengpässe. Die Lieferfristen vieler Baustoffe sind im Gleichschritt mit den Preisen angestiegen. Konnten Parkett, Dämmmaterial oder Backöfen vor der Pandemie noch innert zwei bis vier Wochen geliefert werden, müssen sich Bauherren derzeit bis zu vier Monate gedulden. Dies erhöht die Planungsunsicherheit und senkt die Flexibilität. Kurzfristige Änderungswünsche können kaum noch berücksichtigt werden.

Nachwehen der Pandemie als Hauptursache

Die Gründe dieser Entwicklungen sind vielfältig und vor allem den Nachwehen der Pandemie geschuldet. Die europäische Holz- und Stahlproduktion wurde grossteils von den USA und China aufgekauft. Grund dafür ist ein Bauboom aufgrund der anziehenden Konjunktur bei gleichzeitigem Einbruch der inländischen Baustoffproduktion dieser zwei Länder. Die Bautätigkeit wurde teilweise noch zusätzlich durch Fiskalstimuli der Regierungen in Infrastrukturprojekte angeheizt. Internationale Importe von Baustoffen in die Schweiz sind zusätzlich erschwert, da die Lieferketten weiterhin sehr fragil sind. Geschuldet ist dieser Umstand beispielsweise der verzögerten Produktion von Halbfabrikaten aufgrund von Fabrikschliessungen in Südostasien sowie der Behinderung des Transports von Baustoffen aufgrund der Schliessung ganzer Containerhäfen in China im Zuge der «Zero Covid»-Strategie.

Profis sind kaum betroffen

Da es sich bei den besonders stark betroffenen Rohstoffen grundsätzlich um Güter handelt, die langfristig nicht knapp sind, gehen wir davon aus, dass sich das Angebot mittelfristig einpendeln wird. Die Preise dürften sich erholen und die Lieferschwierigkeiten auflösen. Auch in der Zwischenzeit ist vonseiten grosser institutioneller Investoren bzw. Bauherren nicht mit einer Überreaktion zu rechnen. Lieferengpässe und höhere Baukosten machen die Planung zwar anspruchsvoller, der Profi weiss aber damit umzugehen. Ein Zuwarten und Hoffen auf günstigere Baupreise ist ebenfalls keine Option, sind die Projektpipelines doch oft über Jahre hinweg durchgeplant. Zum befürchteten Baustopp auf breiter Front wird es somit vorerst nicht kommen – zumindest nicht da, wo Profis am Werk sind, namentlich im Mietwohnungsbau und bei grösseren Eigentumsüberbauungen.

Private Eigenheimbesitzer haben das Nachsehen

Im Gegensatz zu den professionellen Immobilieninvestoren sind private Immobilienbesitzer deutlich stärker von den höheren Baukosten betroffen. Sind die Ressourcen knapp, dürften viele Handwerker und Zulieferer grösseren Auftraggebern den Vorrang geben in der Hoffnung auf lukrative Folgeprojekte. Kann der private Hausbesitzer seinen Auftrag dennoch platzieren, dann oftmals zu höheren Preisen. Ihm fehlt es häufig an Verhandlungsmacht, Vergleichsmöglichkeiten und Know-how. Insbesondere Käufer eines alten Eigenheims haben also das Nachsehen. Und genau von diesen alten Liegenschaften gibt es immer mehr. Weil kaum noch neue Einfamilienhäuser erstellt werden, konzentriert sich ein Grossteil der Einfamilienhaustransaktionen auf den Altbau. In den letzten zwanzig Jahren hat sich der Anteil der 30- bis 59-jährigen Einfamilienhäuser, die jährlich die Hand wechseln, von 22 Prozent auf 45 Prozent mehr als verdoppelt. Überdurchschnittlich oft geht bei dieser Altersklasse ein Kauf mit einer grösseren Sanierung, einem Umbau oder sogar einem Ersatzneubau einher. Die höheren Baukosten spielen hier somit eine besonders wichtige Rolle. Schliesslich ist die Finanzierung des Eigenheims und des Umbaus nicht selten eng bemessen. Dass daher das eine oder andere Projekt nicht realisiert bzw. aufgeschoben wird, liegt auf der Hand.
 

Immer mehr alte Einfamilienhäuser wechseln die Hand

Anteil Einfamilienhaustransaktionen nach Gebäudealter und Jahr

Immer mehr alte Einfamilienhäuser wechseln die Hand
(Quelle: Swiss Real Estate Datapool (SRED))

Immobilienpreise werden weiter steigen

Wir gehen davon aus, dass die höheren Baukosten die Immobilienpreise mittelfristig kaum beeinflussen werden. Beim Altbau wäre aufgrund der eben skizzierten Herausforderungen für private Eigentümer theoretisch mit einem Preisabschlag zu rechnen, da bei gleichen Anlagekosten nun ein grösserer Teil in die Sanierung fliessen muss. Dies würde die Zahlungsbereitschaft für die bestehende Liegenschaft senken. Der Wunsch nach einem Einfamilienhaus ist allerdings so immens, dass sich viele kaum Sorgen um den Umbau machen. Ausserdem finden sich aufgrund der Angebotsknappheit weiterhin problemlos genügend Interessenten, auch für sanierungsbedürftige Objekte. Somit ist kurzfristig nicht mit einem Preisabschlag im Altbau zu rechnen. Beim Neubau dürften die höheren Baukosten allenfalls als Sündenbock für abermals gestiegene Preisvorstellungen dienen. Der direkte Effekt auf den Immobilienpreis wird zu vernachlässigen sein, denn nach wie vor gilt: Die Preise am Immobilienmarkt orientieren sich grundsätzlich weniger an den effektiven Kosten als vielmehr an der Zahlungsbereitschaft der Käufer. Und diese wird stark von den attraktiven Finanzierungsbedingungen beflügelt. Zusammen mit dem weiterhin sehr knappen Angebot werden die Zinsen nach wie vor der wichtigste Treiber der Preisrallye bleiben.

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