Wegfall des Eigenmietwerts bringt weder Angebots- noch Nachfrageschub
Der Immobilienbarometer: Fakten und Trends zum Zürcher Immobilienmarkt | Oktober 2023
Text: Ursina Kubli, Analytics Immobilien
Die Besteuerung des Eigenmietwertes ist ein Paradebeispiel für die Schweizer Steuerlandschaft. Ursprünglich wurde der Eigenmietwert 1934 per Notrecht zur Gesundung des Bundeshaushalts eingeführt und 1958 ins reguläre Recht übernommen. Bereits einige Anläufe zur Abschaffung der temporär angedachten Steuer sind gescheitert. Der aktuelle parlamentarische Vorstoss fand seinen Ursprung im Jahr 2017, als an das Ende der Negativzinsen noch kaum zu denken war und die geringen zinsseitigen Abzugsmöglichkeiten den Hauseigentümern besonders schwer auf dem Magen bzw. dem Portemonnaie lagen. In der Zwischenzeit sind sich National- und Ständerat in den wichtigsten Eckpunkten zur Abschaffung des Eigenmietwertes einig. Die Kosten für den Unterhalt können nicht mehr abgezogen werden. Ersterwerber sollen einen zeitlich und betragsmässig begrenzten Schuldzins abziehen können (Paare 10'000, Einzelpersonen 5'000 Franken, absteigend über max. 10 Jahre). Wie hoch die Zinsabzugsmöglichkeiten der Nicht-Ersterwerber sein sollen, wird nach wie vor diskutiert – bis zu 40% oder gar 70% der steuerbaren Vermögenserträge? Vermögensstarke Eigenheimbesitzer hätten damit einen gewissen Spielraum für Zinsabzüge. Die Besteuerung von Zweitliegenschaften, eine wichtige Steuereinnahmequelle in den Tourismuskantonen ist ein weiterer Knackpunkt. Wie wahrscheinlich eine Einigung ist, und ob die Abschaffung einem Volksreferendum standhalten kann, wird sich zeigen. Welche Konsequenzen hätte die Abschaffung auf den Immobilienmarkt? Würde Wohneigentum ohne die Steuer noch begehrter?
Für Neukäufer ist der Eigenmietwert im gegenwärtigen Zinsumfeld besser als sein Ruf. Das zeigt eine einfache Rechnung. Der typische Käufer von Stockwerkeigentum im Kanton Zürich hat mit einer Belehnung von 75%, einer 5-jährigen-Hypothek sowie einer Wohnung zum Preis von 1,2 Millionen Franken im heutigen Regime einen finanziellen Vorteil – die Abzugsmöglichkeiten von Zins und Unterhalt übertreffen den Eigenmietwert von 18'000 Franken um 5'760 Franken. Mit dem angedachten Entfall des Eigenmietwerts können keine Unterhaltskosten abgezogen werden, Ersterwerberpaare dürfen jedoch im ersten Jahr maximal 10'000 Franken Zinsaufwand verrechnen. Damit wären diese anfangs leicht bessergestellt. Bei anderen Käufern wäre die finanzielle Rechnung nach der Reform aber zu deren Ungunsten. Der Wegfall des Eigenmietwertes wird der Nachfrage keinen Schub verleihen.
Altbesitzer dürfen der Abschaffung des Eigenmietwertes eher entgegenfiebern. Würde die Besteuerung heute wegfallen, würde ihr steuerbares Einkommen um rund 8'100 Franken sinken. Dies bei einer durchschnittlichen Wohnung und einer mittleren Belehnung von 33 Prozent. Bei Vermögenserträgen wäre die finanzielle Rechnung für ältere Immobilienbesitzer noch attraktiver. Die Freude der älteren Immobilienbesitzer am Wegfall des Eigenmietwertes wäre folglich gross. Doch werden sie deshalb seltener verkaufen? Wohl kaum. Der finanzielle Nachteil durch die Besteuerung des Eigenmietwerts während der Negativzinsen hat nicht zu mehr Veräusserungen geführt. Familiäre und emotionale Faktoren sind bei diesem Entscheid wichtiger als Kalkulationen mit einem Taschenrechner.
Altbesitzer profitieren am meisten von einer Reform
ZWEX sinkt im dritten Quartal minimal
Die Entwicklung des Zürcher Wohneigentumsindex (ZWEX) zeigt im dritten Quartal ein zaghaftes Minus von -0,1%. Der Rückgang wird durch den Preisrückgang in der Seeregion (-1.8%) verursacht, welche die Stadt Zürich sowie die Zürcher Seegemeinden umfasst. Damit fand eine Gegenbewegung zu dem in der Seeregion kräftiger als erwarteten Preiswachstum des Vorquartals statt. Das Preiswachstum ggü. dem Vorjahr befindet sich mit einem Plus von 2,5% weiterhin auf robustem Niveau. Auch nach dem ersten negativen Vorzeichen seit 2017 ist der Zürcher Eigenheimmarkt weit davon entfernt, dass die Preise breitflächig sinken.
Zürcher Wohneigentumsindex (ZWEX)
Jahresveränderung in %
Geringere Liquidität am Zürcher Eigenheimmarkt
Die Liquidität am Eigenheimmarkt hat seit der Zinswende spürbar abgenommen. Gemäss Swiss Real Estate Datapool (SRED) sind die Freihandtransaktionen im Kanton Zürich im dritten Quartal erneut zurückgegangen. Zum Vorjahresquartal hat sich die Liquidität am Immobilienmarkt somit bei den STWE um 18% und bei den EFH um 22% reduziert. Gleichzeitig werden auf den grossen Immobilienplattformen derzeit etwas mehr Eigenheime inseriert. Offenbar findet im heutigen Zinsumfeld nicht mehr jedes Objekt so rasch einen Käufer. Je länger die Vermarktung dauert, umso wahrscheinlicher werden Einbussen bei den Preisvorstellungen der Verkäufer.
Wachstum der Freihandtransaktionen, Kanton Zürich
Jahresveränderung in %, laufende Jahressumme
Knappheit an Mietwohnungen stützt Eigenheimmarkt
Die statistischen Zahlen bestätigen, dass Wohnraum im Kanton Zürich knapper wird. Die Zahl leerer Mietwohnungen ist gesunken und beträgt derzeit rund 0.6% aller Mietwohnungen. Dies ist der tiefste Wert seit 2003. Beim Wohneigentum sind die Leerstände dagegen minimal angestiegen, bleiben aber mit einer Quote von 0,4% der Eigenheime äusserst gering. Die Herausforderungen eine geeignete Mietwohnung zu finden, die steigenden Nettomieten sowie nicht zuletzt die Wohnsicherheit, die die eigenen vier Wände bieten, unterstützt den Eigenheimmarkt indirekt.
Leerwohnungsziffern im Kanton Zürich
Anzahl leere Wohnungen in Relation zum Wohnungsbestand in %
Aufwärtstrend der Eigenheimpreise ist gebrochen
Die zunehmende Knappheit am Mietwohnungsmarkt wird auch zukünftig die politischen Diskussionen prägen. Die Anzahl der Mietwohnungen im Bau wird die hohe Nachfrage nach Wohnraum nicht befriedigen können. Der Trend der Anfangsmieten wird somit weiterhin nach oben zeigen. Auch ein grosser Anteil der Bestandesmieter wird mit dem baldigen Anstieg des Referenzzinssatzes mit einer weiteren Mieterhöhung konfrontiert. Beim Wohneigentum ist hingegen der Aufwärtstrend der Eigenheimpreise gebrochen. Eigenheimkäufer, welche auf stark fallende Preise hoffen, dürften aber enttäuscht werden. Die Angebotssituation bleibt knapp und schränkt den Verhandlungsspielraum bei attraktiven Objekten ein.
ZKB Immobilienprognosen
Letzte Prognose-Anpassung: Oktober 2023