Rückzug ins Eigenheim verschärft die Preisdynamik

Die Eigenheimpreise rannten im Pandemiejahr regelrecht davon. Dafür gibt es fundamentale Gründe. Doch erklären sie gänzlich eine Preisdynamik im Kanton Zürich von über 4 Prozent, in der Schweiz sogar von über 5 Prozent?

Text: Ursina Kubli, Leiterin Analytics Immobilien

Fundamentalfaktoren erklären steigende Preise


Zwei Faktoren sind schon seit Jahren für das Preiswachstum verantwortlich. Erstens sind die tiefen Hypothekarzinsen ein wichtiger finanzieller Ansporn, ein Eigenheim zu erwerben. Zweitens ist das Angebot knapp, da die Bauindustrie zwar sehr aktiv ist, sich aber auf den Bau von Mietwohnungen fokussiert.

Während sich die Hypothekarzinsen auf tiefem Niveau stabilisierten, hat sich die Knappheit an Wohneigentum in den vergangenen zwölf Monaten nochmals verschärft. 2020 wurden auf der Immobilienplattform Homegate im Kanton Zürich rund 13 Prozent weniger Eigenheime aufgeschaltet als im Jahr zuvor. Dies ist zum einen der geringeren Neubautätigkeit geschuldet, zum anderen zögerten ältere Verkaufswillige mit der Veräusserung. Lieber genossen sie ein weiteres Jahr den schönen Garten im Einfamilienhaus und verschoben den allfällig geplanten Umzug in eine Alterswohnung in die Zukunft. Als zu gross erachteten sie die Gefahr, aufgrund erneuter Besuchsbeschränkungen von Familie und Freunden abgeschnitten zu sein.
Die Hauptgründe für steigende Immobilienpreise sind indes auch während Corona intakt. Manche mögen sich dennoch die Frage stellen, weshalb es in einer derart prekären Konjunkturlage mit entsprechend ungewissen Arbeitsmarktaussichten so viele Kaufwillige gibt. Eine Erklärung ist, dass die Pandemie die einzelnen Branchen sehr unterschiedlich trifft. Für den Eigenheimmarkt relevante Lohnsegmente kamen bislang relativ glimpflich davon. Hingegen wurden tiefer angesiedelte Lohngruppen wie die Gastronomie oder der Tourismus mitten ins Herz getroffen. Kurzarbeit ist zwar eine wesentliche Stütze für die Betroffenen. Mit einer Entschädigung von bisher 80 Prozent und fehlendem Trinkgeld haben sie dennoch spürbar weniger Geld in der Tasche. Dies hat bisher keine sichtbaren Spuren am Mietwohnungsmarkt hinterlassen. Ganz im Gegenteil: Die Angebotsmieten stiegen 2020 im Kanton Zürich und der Schweiz mit 2,3 Prozent bzw. 0,9 Prozent sogar stärker als zuvor. Wohnen hat in den letzten zwölf Monaten also einen Nachfrageimpuls erhalten, der über die Fundamentaldaten hinausgegangen ist. Psychologie dürfte eine wichtige Rolle gespielt haben.

Prognosetabelle

Psychologie erklärt den Rest

Erinnern wir uns an den vergangenen Frühling, als wir uns alle schockartig in unser Zuhause zurückzogen. Was lag in dieser schon fast weltuntergangsähnlichen Stimmung näher, als für ein möglichst schönes Nest zu sorgen? Der sogenannte Cocooning-Effekt setzte ein und sorgte dafür, dass schönes Wohnen bei vielen weit oben auf der Wunschliste stand. Die Wohnung sein Eigen zu nennen, bedeutete dann das ganz grosse Glück. Corona hat schon einige bisher unbekannte Phänomene ausgelöst. Zum Beispiel war im letzten Frühling Hefe für lange Zeit ausverkauft, da plötzlich alle anfingen, ihr Brot selbst zu backen. Inzwischen besuchen die meisten liebend gern wieder den Bäcker nebenan. Die Normalität kommt häufig schneller zurück, als man sich das mitten in der Krise vorstellen kann. Ist damit auch der Cocooning-Effekt bald passé?

Preisentwicklung Eigentumswhg. vs Vorjahr
Ferienwohnungen en vogue

Corona als Katalysator

Längst ist es nicht mehr die schiere Panik, die dem Wohnen den grossen Stellenwert zuschreibt. Vielmehr haben sich die Wohnbedürfnisse offenkundig nachhaltig verändert. Zu Beginn der Pandemie zeigten vor allem die Mieter ein verändertes Umzugsverhalten. Mieter sind aufgrund des liquiden Mietwohnungsmarktes flexibler und können eine Fehlbeurteilung eher auch wieder rückgängig machen. Bei Eigentümern ist ein Umzug hingegen eine Entscheidung von grösserer Tragweite. Aber auch Letztere haben inzwischen ihr Umzugsmuster adjustiert. Bei der Auswertung der Adressänderungen unserer Kundenbasis ist ein Trend besonders hervorzuheben: Derzeit verlassen mehr Personen die Stadt als zu normalen Zeiten. Dies erklärt, weshalb die städtischen Immobilienpreise ausnahmsweise eine etwas schwächere Preisdynamik haben als ländliche oder periurbane Gebiete. Aufgrund der grösseren Platzbedürfnisse weichen viele in den ländlichen Raum aus, um im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten eine passende Wohnung zu finden. Diese Ausweichbewegungen sind zwar nicht neu – sie wurden durch das vermehrte Arbeiten zu Hause aber verstärkt. Home-Office hat nicht nur räumliche Konsequenzen, sondern prägt auch die gestiegenen Qualitätsansprüche an den Wohnraum. Diese höheren Ansprüche sind ein weiteres Argument für den Wunsch nach einer Eigentumswohnung. Mietwohnungen rühmen sich in den Inseraten zwar häufig mit «Eigentumsstandard», indes können die wenigsten ihr Versprechen einlösen. Im Gegensatz zum Brot-Phänomen ist die rege Wohneigentumsnachfrage nicht nur ein kurzfristiger Hype.

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