Teurer Winter

Die Verwerfungen an den internationalen Energiemärkten sorgen für einen teuren Winter. Wir haben für alle Wohngebäude der Schweiz den Heizbedarf berechnet und mithilfe der lokalen Energiepreise den Anstieg der Heizkosten bestimmt. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Heizkosten im Kanton Zürich 2022 im Schnitt um die Hälfte an. Wir zeigen, wo im Frühling 2023 die höchsten Heizkosten­abrechnungen ins Haus flattern und welche Heizungsarten besonders betroffen sind.

Text: Gerd Gisler, Analytics Immobilien

Teurer Winter
Heizung runterdrehen schont in diesem Winter das Portemonnaie (Bild: Getty Images)

Um einer Strommangellage vorzubeugen, beschliesst der Bund, den Betrieb von Elektroheizungen generell zu verbieten. Daher bleiben viele Wohnungen im folgenden Winter kalt. Weiter wird die Erzeugung von Warmwasser stark eingeschränkt. Sonntagsfahrverbote werden in Kraft gesetzt und die in der Schweiz vorhandenen Brenn- und Kraftstoffe rationiert oder unter Militärverwaltung gestellt. Die Höchsttemperatur für Wohnräume wird auf 18 Grad festgesetzt. Bei Zuwiderhandlung droht eine Kürzung der Brennstoffzuteilung. Viele Automobilisten haben ihre Fahrzeuge längst auf einen Holzvergaserantrieb umgestellt, um trotz Energiekrise mobil zu bleiben.

Was sich zunächst nach überzeichneten Massnahmen für den kommenden Winter anhört, geschah in Wahrheit vor mehr als 80 Jahren, als die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs ihre Energieversorgung mit Notmassnahmen sicherstellen musste. Gegenwärtig hat die Bevölkerung noch nicht mit grossen Einschränkungen zu kämpfen, und Holzvergasermotoren lassen sich heute allenfalls noch im Verkehrshaus in Luzern bewundern. Herr und Frau Schweizer spüren die angespannte Situation an den Energiemärkten momentan vor allem an einem Ort – im Portemonnaie. Nicht nur das Tanken ist deutlich teurer als im letzten Jahr, besonders die im Sommer oft vergessenen Heizkosten werden diesen Winter stark ansteigen.
 

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Gaspreise wirken sich auf andere Energieträger aus

Nach den bereits hohen Energiepreisen im Jahr 2021 sind die Kosten für Öl und Gas im Jahr 2022 infolge des Kriegs in der Ukraine in schwindelerregende Höhen geschnellt. Auch die Preise für Elektrizität wurden erhöht, weil diese teilweise in Gaskraftwerken erzeugt wird. Selbst in einigen Wärmeverbünden wird Gas als Energieträger genutzt. Daher reagiert auch der Fernwärmepreis mancher Gemeinden auf Schwankungen des Gaspreises.

Mit welchen Mehrkosten ist also zu rechnen? Um diese Frage zu beantworten, haben wir die benötigte Heizenergie für ein Standard-Einfamilienhaus berechnet und mithilfe der aktuellen durchschnittlichen Energiepreise in der Schweiz die zu erwartende Kostensteigerung bestimmt. Diese Vorgehensweise erlaubt es uns, die Kosten pro Heizungstyp für eine einheitliche Wohnungsart zu kalkulieren. Das von uns verwendete Einfamilienhaus hat eine Wohnfläche von 150 Quadratmetern und Baujahr 2005. Ein solches Objekt benötigt jährlich ca. 120 Kilowattstunden (kWh) Heizenergie pro Quadratmeter. Zur Orientierung: Mit einer kWh lässt sich beispielsweise zehn Stunden das ZKB-eBanking nutzen oder alternativ ein Kuchen backen.

Verrechnet man die benötigten Kilowattstunden mit den durchschnittlichen Preisen für die Energieträger in der Schweiz, fällt auf, dass sich die Kosten je nach Heizungsart sehr unterschiedlich entwickeln. Bei Öl- und Gasheizungen sind die Kostensteigerungen bis Ende 2022 mit je ca. 1’400 Franken sehr hoch. Dagegen fällt der Anstieg bei einer Pelletheizung weitaus geringer aus. Die Tarife für Elektrizität haben sich dieses Jahr kaum bewegt. Für Privatverbraucher sind die Strompreise in der Schweiz stark reguliert und werden jeweils ein Jahr im Voraus festgesetzt. Der hohe diesjährige Anstieg an den europäischen Strombörsen wird daher erst mit den Elektrizitätstarifen 2023 an die Endverbraucher weitergegeben. Wer noch immer an seiner Elektroheizung festhält, muss daher 2023 mit Heizkosten von bis zu 6’000 Franken rechnen (s. Grafik unten). Diejenigen, die in den letzten Jahren eine Umrüstung zur Wärmepumpe in Angriff genommen haben, können hingegen beruhigt sein. Die Heizkosten steigen im nächsten Jahr um weniger als 600 Franken. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass eine Wärmepumpe fast dreimal so effizient heizt wie ein Elektroheizkörper.

Heizkosten steigen deutlich

Heizkosten nach Heizungsart in Franken für die Jahre 2021–2023, Schweizer Durchschnitt¹ (Einfamilienhaus von 150 Quadratmetern mit Baujahr 2005)

Vergleich der Heizkostenanstiege
Quellen: Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Elektrizitätskommission, Preisüberwachung, EnergieSchweiz, Zürcher Kantonalbank

1 Bei fossilen Heizungen: Berechnungsgrundlage bilden die Durchschnittspreise des Jahres 2021 und der Durchschnitt der bisherigen Preise 2022 gemäss BFS und Preisüberwacher.

Der Einbau einer Wärmepumpe lohnt sich weiterhin

Regional gibt es aufgrund der unterschiedlichen Stromanbieter grosse preisliche Unterschiede. Grund dafür ist das Einkaufsverhalten der jeweiligen Versorger. Netzbetreiber, die frühzeitig eingekauft und sich so gegen Preisanstiege abgesichert haben, können den Verbrauchern attraktivere Konditionen anbieten als Anbieter, die sich an der gegenwärtig sehr teuren täglichen Strombörse mit Elektrizität eindecken. Diese werden die entstandenen Mehrkosten im Folgejahr auf die Endverbraucher überwälzen. Bei Gasversorgern gibt es eine ähnliche Ausgangslage, wenn auch ihr Freiraum bei der Preisgestaltung etwas grösser ist. Beim Heizöl ist der Anstieg in der ganzen Schweiz beinahe identisch und weniger vom Anbieter abhängig. Wichtiger sind der Einkaufszeitpunkt und die Grösse des Öltanks. Ein grösserer Öltank erhöht die Flexibilität und erlaubt es, in günstigen Zeiten Energie zu speichern. Wer allerdings gleich nach Ausbruch des Ukrainekriegs seinen Tank gefüllt hat, um sich die nötige Energie für den Winter zu besorgen, musste hohe Kosten tragen. Seither hat sich der Ölpreis etwas abgeschwächt, bleibt aber höher als vor der Krise.

Die regional unterschiedlichen Gas- und Stromtarife werden sichtbar, wenn man die zu stemmenden Heizkosten pro Gemeinde vergleicht. Im Jahr 2022 brennt eine Gasheizung bei unserem Standard-Einfamilienhaus am Standort Schlieren ein Loch von ca. 5’300 Franken ins Haushaltsbudget, während man bei der Wärmepumpe mit 1’200 Franken eher günstig unterwegs ist. Selbst in Grüningen, der Gemeinde mit den gegenwärtig höchsten Stromkosten, sind die jährlichen Ausgaben für eine Wärmepumpe mit beinahe 1’600 Franken immer noch viel geringer als in Pfungen, der Gemeinde mit den niedrigsten Gastarifen. Hier schlägt die Gasrechnung mit beinahe 1’900 Franken zu Buche. Mit Pellets (ca. 2’500 Franken) und Heizöl (ca. 3’500 Franken) liegt man kantonsweit noch immer weit über der teuersten Wärmepumpe. Auch mit den hohen Strompreisen von 2023 gerechnet wird man bei gleichbleibenden Gaspreisen in jeder Zürcher Gemeinde mit der Wärmepumpe besser fahren als mit einer Gas- oder Ölheizung – selbst dort, wo die Stromtarife am höchsten sind. Eine Umrüstung zahlt sich also aus – egal wo im Kanton Zürich.
 

Grosse regionale Unterschiede bei der Entwicklung der Heizkosten

Um einen Überblick über die Entwicklung der durchschnittlichen Heizkosten in den einzelnen Schweizer Gemeinden zu erhalten, haben wir den Heizenergieverbrauch aller Wohngebäude in der Schweiz gemäss der PACTA-Methode2 berechnet und anschliessend mit den regionalen Kosten des jeweiligen Heizsystems multipliziert. Wie viel Energie benötigt wird, hängt massgeblich vom Heizungsträger, vom energetischen Zustand des Gebäudes und von weiteren objektspezifischen Eigenschaften ab. Konkret brauchen fossile Heizungen am meisten Energie für die gleiche Heizleistung, während Wärmepumpen am energieeffizientesten sind. Aus diesem Grund fällt die Steigerung der Heizkosten je nach Region sehr unterschiedlich aus. Aus der Grafik zur gesamtschweizerischen Heizkostenentwicklung wird ersichtlich, dass sich regional Hotspots zeigen – also Gemeinden mit einem sehr starken Anstieg der Heizkosten. Diese Cluster sind häufig Gebiete mit einem hohen Gasanteil. Dabei handelt es sich meistens um urbane Gebiete, in denen das Gasnetz gut ausgebaut ist – viele ländliche Regionen haben im Gegensatz dazu überhaupt keinen Zugang zum Gasnetz. Somit steigen die Heizkosten gerade im städtischen Kanton Zürich sehr stark an. Bei den aktuellen Energiepreisen müssen die Zürcher im Schnitt 53 Prozent mehr für ihre Heizkosten berappen als im Vorjahr. Damit liegt der Kanton deutlich über dem schweizweiten Durchschnitt von 41 Prozent. Dennoch ist der Anteil Gasheizungen nur eine entscheidende Variable von vielen. So hat Basel zwar einen sehr hohen Gasanteil, jedoch ist der Anstieg der Gaspreise niedrig, was die zusätzlichen Kosten in Grenzen hält. Im Engadin zeigt sich hingegen ein grosser Anstieg der durchschnittlichen Heizkosten, obwohl die Region nicht ans Schweizer Gasnetz angeschlossen ist. Betrachtet man die Heizungsverteilung, fällt auf, dass der Anteil Ölheizungen in manchen Engadiner Gemeinden über 80 Prozent liegt. Durch den gestiegenen Ölpreis sind die Auswirkungen auf die Heizkosten somit massiv.

 

 

Grösste Heizkostenanstiege in Deutschschweizer Gemeinden

Anstieg der durchschnittlichen Heizkosten

Heizkostenanstiege (CH)
Quellen: Gebäude- und Wohnungsregister, Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Elektrizitätskommission, Preisüberwachung, EnergieSchweiz, Zürcher Kantonalbank

Auch im Kanton Zürich zeigen sich regional grosse Differenzen. Gemeinden mit einem hohen Anstieg der Gastarife weisen oft auch den höchsten Anstieg der durchschnittlichen Heizkosten auf. So steigen in Uster die Gaspreise um 133 Prozent. Da Uster zudem den höchsten Anteil an Gasheizungen im Kanton Zürich hat, führt dies im laufenden Jahr beinahe zu einer Verdoppelung der durchschnittlichen Jahresheizkosten von 18 auf 35 Franken pro Quadratmeter. Damit weist Uster die grösste Kostenzunahme des Kantons aus. Auch Zürich und Winterthur haben hohe Gasanteile. Die Preissteigerungen der dortigen Anbieter sind jedoch weniger ausgeprägt. Daher verzeichnen diese Städte einen geringeren Anstieg der Heizkosten. Mit am besten gewappnet gegen die steigenden Heizkosten ist Andelfingen. Die Gemeinde ist nicht ans Gasnetz angeschlossen, verfügt aber über einen hohen Anteil an strombetriebenen Wärmepumpen und Elektroheizungen sowie über ein eigenes Elektrizitätswerk, das exklusiv nur Andelfingen beliefert – mit sehr günstigen Tarifen. Hier sind die Strompreise 2022 sogar gesunken. Unter dem Strich hat Andelfingen so den niedrigsten Heizkostenanstieg des Kantons.

 

Im Kanton Zürich entwickeln sich die Heizkosten sehr unterschiedlich

Ø Heizkostenanstieg pro Gemeinde 2021 auf 2022 in % (Bezirkshauptorte Kt. Zürich)

Entwicklung der Heizkosten
Quellen: Gebäude- und Wohnungsregister, Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Elektrizitätskommission, Preisüberwachung, EnergieSchweiz, Zürcher Kantonalbank

Sich den steigenden Heizkosten zu entziehen, ist gegenwärtig schwierig. Eigenheimbesitzer mit einem fossilen System oder einer Elektroheizung können den Energieverbrauch immerhin durch den Wechsel auf eine Wärmepumpe drastisch reduzieren. Man koppelt sich so zwar nicht von den internationalen Energiepreisschwankungen ab, reduziert aber sein Risiko deutlich. Wer zur Miete wohnt, muss mit der vorhandenen Heizung leben. Immerhin lässt sich aber mit der Reduktion der Temperatur um 1 Grad Celsius im Schnitt bereits 10 Prozent der Energie einsparen. Wer also seine Wohnung bisher auf grosszügige 23 Grad geheizt hat, kann mit einer Reduktion auf 19 Grad fast 35 Prozent der Heizkosten einsparen. Leider ist in vielen älteren Liegenschaften kein Heizungszähler vorhanden. Da die Heizkosten dann über einen Verteilschlüssel abgerechnet werden, müssen betroffene Mieter darauf vertrauen, dass auch die Nachbarn fleissig mitsparen.

 

Wärmepumpenbesitzer sparen Geld

Heizkosten nach Heizungsart (links: Gasheizung, rechts: Wärmepumpe) für das Jahr 2022 in Franken (EFH 150 m², Baujahr 2005)

Heizkosten nach Heizungsart
Quellen: Eidgenössische Elektrizitätskommission, Preisüberwachung, EnergieSchweiz, Zürcher Kantonalbank

Es besteht weiterhin die Hoffnung, dass sich die Marktsituation mittelfristig wieder entspannt. Und für diejenigen, die sich beim letzten Verkehrshausbesuch mit dem Nachwuchs bereits verstohlen nach einem Holzvergasermotor umgesehen haben – vielleicht entspräche die Anschaffung eines Elektroautos und einer eigenen Solaranlage auf dem Hausdach eher dem Puls der Zeit.

2 Paris Agreement Capital Transition Assessment – die PACTA-Methode erlaubt es, den Energieverbrauch von Immobilien unter Verwendung von Gebäudealter, Fläche und Heizungstyp standardisiert zu berechnen. Daraus abgeleitet kann anschliessend der CO2-Ausstoss pro Gebäude bestimmt werden. Die Methode wird von Banken auf freiwilliger Basis verwendet, um den Kohlendioxid-Ausstoss ihres Hypothekarportfolios zu bestimmen, und unterstützt die Finanzinstitutionen somit dabei, sich auf das 1,5-Grad-Ziel des Weltklimarates auszurichten.