Attraktiv, aber harzig

Im Zuge der Pandemie nimmt das Büroflächenangebot weiter zu, während die Wohnraumnachfrage steigt. Das investorenseitige Interesse für Umnutzungen von alten Bürogebäuden zu Wohnen dürfte folglich zunehmen. Noch verhindern Stolpersteine seitens der Behörden, dass Umnutzungen zum Befreiungsschlag des Büromarktes werden können.

Text: Ursina Kubli, Ingrid Rappl, Analytics Immobilien

Umnutzung zu Wohnen
Büroflächen in Wohnflächen umwandeln: Sieht man noch zu selten. (Illustration: JoosWolfangel)

«Ohne weiteres Bauland zu konsumieren, werden wir 80 bis 100 preisgünstige Wohnungen anbieten können», verkündete die städtische Stiftung PWG Anfang Jahr stolz. Möglich wird dies mit einer Umnutzung der alten SRG-Büroräumlichkeiten im Zürcher Leutschenbachquartier. Auch das Immobilienunternehmen Mobimo plant, im Zürcher Stadtkreis 3 einen alten Bürokomplex zu Wohnraum umzugestalten. Das Projekt mit insgesamt 66 Mietwohnungen wurde im vergangenen November bewilligt. Umnutzungen sind kein neues Phänomen. In der Vergangenheit wurden diverse Projekte finalisiert, wie zum Beispiel die Umnutzung eines Bürogebäudes in Albisrieden, in dem die Grossbank UBS 71 Wohnungen realisierte, oder der ehemalige Swissmem-Verbandssitz im Zürcher Seefeld, wo 27 luxuriöse Wohnungen entstanden sind. Auch Swisscanto baute im ehemaligen SIX-Gebäude an der Brandschenkestrasse die zwei obersten Bürogeschosse zu kleineren Business Apartments um.

Im Zuge der Corona-Krise dürfte das Umnutzungsthema weiter an Fahrt gewinnen. Während die Vermarktung von Büros anspruchsvoller wird, erhalten Wohnflächen durch die Pandemie einen zusätzlichen Nachfrageschub. Umnutzungen könnten diese Schere wieder etwas schliessen und das Gleichgewicht am Immobilienmarkt besser austarieren 

Ansprüche an Büroflächen im Wandel

Immobilienprofis berichten von einer spürbaren Zurück- haltung aufseiten der Mieter. Viele Unternehmen rechnen auch in den kommenden Monaten mit einer reduzierten Belegung, dürften doch die Abstände aufgrund der Hygie- nevorschriften weiterhin gross bleiben. Wie die Situation nach Corona aussieht, bleibt noch offen. Die Inseratedaten auf der Immobilienplattform Homegate bestätigen indes, dass der Büromarkt derzeit einem kühleren Wind ausgesetzt ist. Aktuell werden im Kanton Zürich rund 87’000 m2 Büroflächen mehr inseriert als vor einem Jahr. Allein auf dieser zusätzlich leeren Fläche könnte man rund 4’500 Bürobeschäftigte unterbringen. Interessanterweise hat sich das Büroangebot in der Stadt nicht verändert. Ist das ein Vorgeschmack darauf, was dem Büromarkt blüht, sollte sich vermehrtes Arbeiten von zu Hause aus auch über die Pandemie hinweg etablieren?

Nicht zwingend. Selbst wenn in Zukunft hybrid gearbeitet wird, also Büro und Home-Office kombiniert genutzt werden, muss die Büroflächennachfrage nicht dramatisch einbrechen. Die Entwicklung kreativer Ideen, die von den Inspirationen im Team und dem Austausch mit anderen Personen leben, wird im Büro stattfinden. Keine noch so ausgefeilte Technologie vermag die direkte Kommunikation vor Ort zu ersetzen. Modern gestaltete Bürolandschaften wie zum Beispiel die der Firma Google machen längst vor, welches Umfeld kreatives Denken fördert. Es sind ebennicht die heutigen Grossraumbüros, in denen in Reih und Glied ruhig und konzentriert nebeneinander gearbeitet wird. Vielmehr sind es Büroräumlichkeiten, die Bereiche für Zusammenarbeit und sogar Platz zum Spielen bieten. Es werden zwar nicht alle Firmen zu Google-Klonen mutieren, doch Begegnungs- und Erholungszonen werden in jedem Dienstleistungsbetrieb eine wachsende Rolle spielen. Hybrides Arbeiten braucht damit nicht zwingend weniger Platz. Allerdings sind nicht alle Büroräumlichkeiten den Anforderungen gleichermassen gewachsen. Beim Bau neuer Büros wird längst auf Flexibilität geachtet. Neue Büros lassen sich folglich relativ einfach auf die neue Situation ausrichten. Hingegen haben alte Bürobauten aufgrund starrer Nutzungsmöglichkeiten schlechtere Karten, sich veränderten Bedürfnissen anzupassen. Viele Eigentümer alter Liegenschaften werden künftig folgende Optionen haben: Sie entscheiden sich für einen kostspieligen Umbau, sie erwägen einen Ersatzneubau, oder sie fassen eine Umnutzung zu Wohnen ins Auge. Wird Letztgenanntes zum grossen Trend?
 

Büroflächenangebot steigt im Kanton ZH

Fakten zu Umnutzungen und Abbrüchen von Büros


Für einen Blick in die Zukunft ist es wichtig, die Vergangenheit gut zu kennen. Wir haben im Kanton Zürich untersucht, in welchen Gebäuden mit Büronutzungen seit 2015 neue Wohnungen entstanden sind. In insgesamt 227 Bürogebäuden war dies der Fall. Innerhalb von sechs Jahren entstanden 1’314 Wohnungen, was ein durchschnittliches Plus von 219 Wohnungen pro Jahr ergibt. Meist entstehen innerhalb eines Bürogebäudes nur wenige Wohnung, der Median liegt bei 2 Wohnungen. Umfangreiche Umnutzungen, in den Wohnungen in zweistelliger Anzahl entstehen, sind selten. Diese neu gebauten Wohnungen befinden sich häufig, aber nicht ausschliesslich in Zürich und Winterthur, wo bekanntlich die meisten Büros stehen und Wohnen besonders begehrt ist. Auch entlang beider Zürichsee-Ufer entstanden Wohnungen in Bürogebäuden. Selbst eher periphere Gemeinden wie zum Beispiel Rüti kennen dieses Phänomen.

Zusätzlich zu den Umnutzungen haben wir die Abbrüche von Bürogebäuden analysiert und evaluiert, welche Neubauten in den folgenden Jahren an diesen Orten entstanden. Abbrüche von Büroliegenschaften erfolgten in den letzten Jahren gehäuft im dynamischen Altstetten sowie im Trendquartier Zürich-West. In diesem Zeitraum waren 55 Prozent der Ersatzgebäude von Bürobauten Wohngebäude, meist mit drei oder mehr Wohnungen. Aufgrund von Abbrüchen und Wohnungsneubau entstanden seit 2015 rund 950 Wohnungen. Im Vergleich zu Umnutzungen werden bei Abbrüchen mehr Wohnungen generiert. Der Median liegt bei 12 Wohnungen pro Gebäude. Diese Zahlen untermauern eindrücklich das investorenseitige Interesse an der Wohnnutzung. Die abgebildete Karte zeigt den räumlichen Überblick von Umnutzungen und Abbrüchen mit allfälligen Ersatzbauten seit 2015.

 

Umnutzungen nach Baujahr

Bewilligungen als Stolperstein

Umnutzungen von Büroflächen wurden in den letzten sechs Jahren regelmässig realisiert und leisteten mit 2,3 Prozent einen spürbaren Beitrag zur Wohnungsneuproduktion im Kanton Zürich. Bei den meisten Umnutzungen werden aber nur eine Handvoll Wohnungen neu erstellt. Sie sind bislang keine flächendeckende Immobilienstrategie, die den Büromarkt von Leerständen befreien könnte. Vielmehr fristen Umnutzungen ein Nischendasein. Je weiter sich die Angebotsschere zwischen Wohnen und Büro öffnet, desto grösser dürfte das investorenseitige Interesse an Umnutzungen werden. Doch selbst wenn das Interesse geweckt ist, scheitern viele Vorstösse an den behördlichen Hürden. Während im Wohnungsneubau beinahe 90 Prozent aller Gesuche bewilligt werden, ist der Anteil bei der Umnutzung von Büro zu Woh- nen viel geringer. Mit lediglich 53 Prozent ist die Bewilligungsquote in der Wohnzone besonders niedrig. Damit wird eines klar: Umnutzungen von Bürogebäuden befinden sich rechtlich in einem engen Korsett. Mit den gegenwärtigen Restriktionen können sie nicht zum Befreiungsschlag für alte Büroräumlichkeiten werden. Je weiter der Immobilienmarkt aus dem Gleichgewicht gerät, desto grösser wird der Druck auf die Raumplanung und die öffentliche Hand, die Nutzungen zu flexibilisieren. Noch sind Büroumnutzungen im grossen Umfang wie bei den genannten Beispielen von Mobimo und PWG ein Randphänomen.

 

Bewilligungsquoten
Umnutzungen, Lokalisation

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