Corona verschärfte Unsicherheiten beim Immobilienverkauf

Monika Bürgi Geng ist seit Juni 2020 Leiterin der Abteilung Immobilien-Dienstleistungen. Im Gespräch äussert sie sich zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf den Immobilienmarkt und zu den Unsicherheiten auf Seiten von Verkäufern, Käufern und Bewertern.

Interview: Livia Caluori und Pascal Trüb, Foto: Flavia Pinton

Monika Bürgi Geng, die Anfangsmonate in der neuen Position dürften wegen Corona turbulent gewesen sein. 

Monika Bürgi Geng: Ja, das kann man sagen.

Was ist anders als sonst?

Es gab mehr Unsicherheiten. Sie waren vor allem im Frühling gross – wo geht die Reise hin? Jetzt im Herbst können wir Erfah­rungen einfliessen lassen, die wir sammeln konnten. Am Anfang der Krise lautete das Worst-Case-Szenario: Stillstand im Markt. Auch wenn wir den Immobilienmarkt als Fels in der Brandung ansehen, löste die Situation grosse Unsicherheiten bei den Markt­teilnehmern aus. 

In welchem Bereich waren die Unsicherheiten besonders gross?

Wir bieten drei Hauptdienstleistungen an: Immobilienbewertung, -verkauf und Bautreuhand. In der Bauherrenberatung sollte auf den Baustellen weitergearbeitet werden können. Im Verkauf mussten wir uns überlegen, wie wir zum Beispiel Besichtigungen durchführen. Am meisten von der Situation betroffen waren und sind unsere Immobilienbewertungen.

Konkreter?

Bei der Bewertung von Renditeobjekten sind zwei Grössen ausschlaggebend: der Zins und die Erträge, also die Mieteinnahmen. Erstere beurteilen wir als relativ stabil. Bei Letzteren ist entschei­dend, wie sich diese Einnahmen entwickeln. Ein Beispiel: Der Eigentümer einer Liegenschaft mit einem Restaurant ist darauf angewiesen, dass der Restaurantinhaber seine Miete bezahlen kann. Hier setzten die Unsicherheiten an. Denn seine Gäste blieben aus.

Unsere Aufgabe ist, die Zukunft der Ertragssituation des Restau­rants einzuschätzen, wobei alle Parameter wie Lage, Zustand des Objekts, Auslastung, Struktur, Segment und Bekanntheit miteinfliessen. Können wir davon ausgehen, dass die Gäste im Frühling wiederkommen? Oder hatte der Betrieb bereits vor Corona Schwierigkeiten? Für die Beurteilung tauschen wir uns auch mit Kollegen aus der Gastroberatungsbranche aus und recherchieren, wie die Branchenverbände ihre eigene Zukunft voraussagen.

Wie sieht es bei Renditeobjekten im Wohnbereich aus?

Hier ist die Situation etwas weniger komplex. Falls es bei einem Restaurant zu einem Mieterwechsel kommt, muss der Eigen­tümer wieder einen Restaurantbetreiber finden. Er kann nicht ohne Weiteres Büroräumlichkeiten oder eine Arztpraxis daraus machen. Der Wechsel einer Mietwohnung ist bedeutend einfa­cher und die Nachfrage zumindest im Raum Zürich immer noch sehr gut. Beim Bewertungsprozess kam es dagegen zu ungewohn­ten Situationen. Weil unsere Bewerter manchmal nicht in die einzelnen Wohnungen gehen konnten, wurden vom Eigentümer Treppenhausbesichtigungen organisiert: Die Mieter mussten Fotos von ihren Wohnungen aufnehmen und diese an ihre Haus­tür hängen, sodass sich die Bewerter ein Bild machen konnten. Nur waren teilweise nicht die Informationen zu sehen, die wir benötigen. Uns interessieren der Standard und der Zustand von Küchen und Nasszelle oder der Balkon und die Aussicht. Zu sehen bekamen wir manchmal aber Sofas, Esstische oder Kinderzim­mer. Unsere Bewerter machen sich lieber selber ein Bild.

Diese Unsicherheit – wie wird damit im Tagesgeschäft umgegangen?

Wir beurteilen den aktuellen Markt laufend und prognostizieren, wie sich Angebot und Nachfrage künftig entwickeln. Das heisst: Wir treffen unsere Einschätzung. Dazu beziehen wir alle bekann­ten Grössen ein und legen unsere Berechnungen und Annahmen nachvollziehbar und transparent offen. Wir beobachten die Entwicklungen in den verschiedenen Nutzer-Branchen laufend und berücksichtigen Veränderungen sehr schnell. Wünscht es der Kunde, rechnen wir auch in Szenarien. Wie wirkt es sich auf den Wert der Immobilie aus, wenn die Mieten während eines Jahres ganz ausfallen?

Wie ist die Stimmung auf dem Immobilienverkaufsmarkt?

Bei Käufern und Verkäufern haben wir keine grossen Unterschiede festgestellt. Schon vorher versuchten die Interessenten bei den Eigentümern einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen. Es werden Lebensläufe und teilweise auch Geschenke eingesen­det, um den Zuschlag zu bekommen. Wir nehmen jedes Angebot entgegen, und der Verkäufer entscheidet. Corona hat jedoch einige Trends akzentuiert. Die 360-Grad-Kamera kam etwas öfter zum Einsatz, sodass sich die Interessenten virtuell einen ersten Eindruck verschaffen konnten. Das ersetzt aber die Besichtigung vor Ort nicht. Die Teilnehmerzahl bei persönlichen Besichtigun­gen wurden reduziert, und die Termine waren dementsprechend schnell ausgebucht. Vor allem bei den Interessenten sorgte das für Enttäuschungen. Sie müssen sich vorstellen, da ist jemand seit Jahren auf der Suche nach seinem Traumobjekt, und dann ist die Liste schon voll. Vor Ort spürte man zudem eine andere Atmo­sphäre.

Inwiefern?

Die Interessenten fühlten sich bei Besichtigungen weniger frei. Auch das Bild, dass alle eine Maske tragen, wirkte hemmend. Zudem stellten wir fest, dass die Käufer ihre Erfahrungen im Lockdown gemacht hatten. Der Fokus lag stärker auf Aussenräumen, Terrassen, Zimmern für Büros, und es wurden in diesem Bereich auch mehr Fragen gestellt. 

Wie trocken ist der Markt?

Wir stellen fest, dass die Interessenten zu mehr Kompromissen bereit sind, aber nicht um jeden Preis. Das heisst, nicht alles geht weg wie warme Weggli. Natürlich, tolle Objekte sind sehr begehrt, und die Preise steigen. Aber es gibt auch Liegenschaften, bei denen wir keine vollen Teilnehmerlisten für Besichtigungen haben. Für eine 40-jährige Wohnung mit einem Mini-Balkon und ohne Einstellplatz auf dem Land ist es nach wie vor etwas schwie­riger, einen Käufer zu finden. Wir stellen uns dieser Herausforde­rung aber sehr gerne und freuen uns auf jede Besichtigung. 

Welche Erfahrungen machen Sie in der Bautreuhand?

Im Frühling war die Angst vor einem Baustopp gross. Insbe­sondere bei Objekten, die kurz vor dem Abschluss standen. Ein Stopp hätte grosse Probleme verursacht, weil die Einzüge schon definiert waren. Die neuen Bewohner haben alles organisiert, und dann ist die Liegenschaft nicht fertig. Aber dazu kam es glücklicherweise nicht. Wir haben unsere Kunden rasch auf mögliche Auflagen hingewiesen und beispielsweise genügend Sanitäranlagen organisiert. Der Kanton hat dann effektiv die Auf­lagen verschärft und Kontrollen durchgeführt. Hier waren wir froh, dass alles eingehalten werden konnte. 

Wie hat sich Corona auf die Zusammenarbeit im Bauprojektteam ausgewirkt?

Wie in vielen anderen Bereichen hat es auch hier einen Digitali­sierungsschub gegeben. Es war nicht mehr möglich, die Sitzungen mit physischen Bauplänen durchzuführen, da längst nicht mehr alle Personen teilnehmen konnten. Ausländische Partner konnten teilweise nicht einmal einreisen. Hier gehe ich davon aus, dass die Art, wie wir zusammenarbeiten, nachhaltig anders bleiben wird.

Noch eine persönliche Frage: Worauf freuen Sie sich nach einer Normalisierung der Lage am meisten?

Aufs Reisen. Eigentlich hatte ich mit meinem Mann für November eine grössere Südafrikareise geplant. Diese haben wir nun aber auf Ende des nächsten Jahres verschieben müssen. Und ich hoffe ganz fest, dass wir sie zumindest dann antreten können.

Zur Person

Interview Monika Bürgi Geng

Monika Bürgi Geng leitet seit Juni 2020 die Abteilung Immobilien-Dienstleistungen. Neben ihrer Tätigkeit für die Zürcher Kantonal-bank ist sie im Vorstand der Bewertungsexperten-Kammer SVIT. Sie verfügt über einen Master of Advanced Studies der ZHAW in Business Administration und Fachausweise als Immobilienschätzerin und -entwicklerin. Sie arbeitete für den Kanton Zürich als Landerwerberin, bevor sie zur Credit Suisse in die Immobilienbewertung wechselte und als Teamleiterin agierte. Die Ausserschwyzerin wohnt mit ihrem Mann in Stäfa. Sie ist begeistert von Lokalkrimis von Silvia Götschi und Reisen in die warme Ferne.

Die Zürcher Kantonalbank begleitet unsere Immobilienkunden während des ganzen Lebenszyklus einer Liegenschaft: von der Bewertung beim Erwerb über die Beratung bei ihrer Weiterentwicklung bis zur Abwick­lung des Verkaufs. Sie gehört im Wirtschafts­raum Zürich zu den Marktführern im Bereich der Immobilienbewertung.

Kategorien

Immobilien