Verkaufsversuche scheitern häufiger

Das Eigenheim ist viel mehr als ein Investment; emotionale Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Das heutige Zinsumfeld ist ein natürliches Feldexperiment, um zu prüfen, ob diese Aussage so stimmt.

Text: Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research

Am Immobilienmarkt vergeht kaum ein Vierteljahr ohne neuen Rekord. Doch im dritten Quartal 2023 wurde ausnahmsweise kein neuer Höchststand bei den Eigenheimpreisen verzeichnet. Der Zürcher Wohneigentumsindex (ZWEX) hat mit einem Minus von 0,1 Prozent minimal nachgelassen. Hingegen tanzt in diesem Jahr im Kanton Zürich die geringe Anzahl von Freihandtransaktionen rekordverdächtig aus der Reihe. Seit Beginn der Erhebung im Jahr 2007 gab es im ersten Halbjahr noch nie eine so geringe Liquidität. Gegenüber dem Vorjahr war es ein Minus von 11 Prozent.

Gemäss Swiss Real Estate Data Pool haben sich die Transaktionen im dritten Quartal leicht erholt, bleiben jedoch auf tiefem Niveau. Dieser Negativrekord passt nicht zum Eindruck, den man beim Durchforsten der grossen Immobilienplattformen erhält. Eigenheim-suchende mit einem Suchabonnement stellen erfreut fest, dass endlich wieder mehr Verkaufsangebote in ihrer Mailbox landen. Das Angebot ist zwar nach wie vor übersichtlich, aber immerhin. Nach ein paar -Wochen verschwinden die meisten Inserate wieder von der Plattform. Früher konnte man davon ausgehen, dass die Objekte der entfernten Inserate verkauft worden sind. Heute ist das offenbar nicht immer der Fall.

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Wurde beim ersten Verkaufsversuch kein Käufer gefunden, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Bei der ersten sehen die Verkäufer von einer Veräusserung ab und bewohnen die Liegenschaft noch länger oder vermieten sie. In der Regel ist der Entscheid für einen Verkauf aber bereits definitiv. Die zweite und damit viel wahrscheinlichere Möglichkeit ist ein neuer Verkaufsversuch. Anhand der bisherigen Erfahrung aus dem Verkaufsprozess lässt sich die Vermarktung optimieren. Ein tieferes Preisschild ist aber kaum zu vermeiden – und damit befindet sich der Immobilienmarkt in einer kritischen Phase. Eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Eigenheimverkäufern denkt über Preissenkungen nach.

Gerade professionelle Immobilienverkäufer sind sich des Risikos bewusst, die Angebotspreise allenfalls reduzieren zu müssen. Des Öfteren verzichten sie in ihren Verkaufsinseraten daher auf eine genaue Adressangabe und beschränken sich auf die Angabe der Wohngemeinde. Bei einem zweiten Vermarktungsanlauf lassen sich damit Preisreduktionen sowie die längere Vermarktung weniger gut nachverfolgen. Dieser Raffinesse muss man sich erst einmal bewusst sein.

Fingerspitzengefühl bei den Preisverhandlungen

In der heutigen Phase des Immobilienmarktes sind bei der Vermarktung gute Marktkenntnisse und Fingerspitzengefühl bei den Preisverhandlungen unabdingbar. Kein Wunder, dass wieder etwas mehr Verkäufer die Vermarktung einem Profi überlassen. Renommierte Makler verfügen nicht zuletzt über einen eigenen Kundenstamm, mit dem sich potenzielle Käufer gezielt ansprechen lassen.

Während der Pandemie hatten sich manche Eigentümer den Verkauf selbst zugetraut, fast ein Viertel aller Immobilienverkaufsinserate wurden im Kanton Zürich damals von Privatpersonen geschaltet. Der Ansturm auf Eigenheime war immens, sodass der Verkauf innert kürzester Zeit über die Bühne ging und sich Eigenheime gefühlt ohne Aufwand verkaufen liessen. Die Pandemie dürfte als Ausnahmezustand in die Geschichtsbücher eingehen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Viele fragen sich: Lässt sich ein Absinken des allgemeinen Preisniveaus noch verhindern?

Gelöscht und nicht verkauft?

Eigenheim-Freihandtransaktionen und gelöschte Eigenheim-Inserate, Kanton Zürich (2022=100)
 

Inseratelöschungen
Quellen: Statistisches Amt des Kantons Zürich, SRED, Homegate, Zürcher Kantonalbank

Jüngst aufgeschaltete Suchabonnements sprechen gegen kräftige Preiseinbussen. Kurz nach dem Zinsanstieg ging der Anteil der Eigenheimsuchabonnements zurück, die höheren Wohnkosten im Eigenheim sowie die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Zinsentwicklung hinterliessen Spuren. Inzwischen dürfte das Gröbste vorbei sein, eine Seitwärtsentwicklung der Zinsen zeichnet sich ab. Damit ist auch seitens Nachfrage etwas Ruhe eingekehrt. Der Anteil der Suchabonnements für Eigenheime beträgt im Kanton Zürich rund 20 Prozent aller Suchabonnements, während er nach dem Ende der Negativzinsära zwischenzeitlich auf 16 Prozent gefallen war.

Auch wenn tiefe Wohnkosten in den eigenen vier Wänden kein Grund mehr sind, ein Eigenheim zu erwerben, bleibt die Nachfrage hoch. Von Umfragen weiss man längst, dass Eigenheime mehr als ein finanzielles Engagement sind. Es werden also nicht strikt die Kosten der Mietwohnungen mit den Wohnkosten im Eigenheim verglichen. Stattdessen zählen auch emotionale Motive wie zum Beispiel Freiheit, Sicherheit, Gestaltungsspielraum oder sogar Prestige. Das heutige Zinsumfeld erlaubt erstmals ein natürliches Feldexperiment, das die erwähnten Umfragen bislang stützt. Wer auf stark sinkende Eigenheimpreise hofft, dürfte enttäuscht werden.

Bei Mehrfamilienhäusern sieht die Situation etwas anders aus. Allmählich beginnt sich auch das Rätsel zwischen um die sehr unterschiedlichen Entwicklungen der etablierten Preisindizes für Wohnrenditeliegenschaften aufzulösen. Inzwischen haben zwei der drei Indizes Richtung Süden gedreht. Die Marktakteure stellen den Preisrückgang nicht infrage. Locken Anlagealternativen wieder mit höherem Ertrag, geben sich Immobilieninvestoren nicht mehr mit tiefen Nettorenditen wie zu Zeiten der Negativzinsen zufrieden. Ihre Zahlungsbereitschaft sinkt.

Versicherungen und junge Gefässe haben im Zuge der höheren Zinsen von der Käufer- auf die Verkäuferseite gewechselt. Versicherungen brachten Anfang Jahr vor allem schlechte Objekte auf den Markt, also dezentrale Liegenschaften, die den heutigen Nachhaltigkeitsansprüchen nicht genügen. Portfoliobereinigungen standen im Vordergrund.

Nachfrage noch vorhanden

Im weiteren Verlauf des Jahres gelangten hingegen sehr gute Objekte in den Verkauf, um Gewinne zu realisieren. Auf der Käuferseite sind vermehrt Genossenschaften und Privatinvestoren auszumachen. Insgesamt ist die Nachfrage nach Wohnliegenschaften noch vorhanden. Sie hat an zentralen Wohnlagen den geringsten Einbruch erlitten. Die Nachfrage für Projektentwicklungen hat hingegen kräftig nachgelassen. Das ist kein gutes Zeichen für die künftige Bautätigkeit. Die Mietwohnungsleerstände dürften bis 2024 weiter sinken.

Wohnraum bleibt insbesondere in den Zentren Mangelware, was für steigende Angebotsmieten sorgt. Auch bestehende Mieter bleiben vor höheren Wohnkosten nicht verschont. Der Referenzzinssatz wird im Dezember 2023 zum zweiten Mal seit seinem Bestehen um 25 Basispunkte steigen. Mit der zunehmenden Knappheit am Mietwohnungsmarkt gilt den politischen Risiken besondere Aufmerksamkeit. Gut möglich, dass die Anzahl von politischen Motionen im Kontext Wohnen in Zukunft einer der eingangs erwähnten Rekorde am Immobilienmarkt wird.
 

Prognosen zum Wohnungsmarkt

Prognosen-11-23

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Immobilien