Umgang mit Fachkräfte­mangel: «Bei uns sind alle Eigentümer»

Das Zürcher IT-Unternehmen AnyWeb AG spürt kaum etwas vom Fachkräftemangel. Das Unternehmen setzt im Werben um neue Mitarbeitende vor allem aufs Netzwerk der eigenen Leute. «Ein Patentrezept gegen den Fachkräftemangel haben wir nicht», sagt Mitgründer Roman Schad. Aber viele Zutaten, die helfen. Zum Beispiel eine Unternehmenskultur, die auf Eigenverantwortung und Mitbestimmungsrecht gründet.

Text: Andreas Dürrenberger / Bilder: Simon Baumann

Roman Schad, HR und Training Manager bei AnyWeb AG (Bild: Simon Baumann)
Bei der AnyWeb sind alle Mitarbeitenden Eigentümer, es herrscht Transparenz über das Lohnsystem und die Geschäftsleitung wird demokratisch gewählt. Roman Schad, Mitgründer der AnyWeb AG und heute als HR und Training Manager.

Geht es um das Thema Fachkräftemangel, wird der IT-Sektor häufig und seit langem als besonders stark betroffene Branche genannt. Als Vertreter dieser Branche weiss Roman Schad davon nur zu genau – Schad ist HR und Training Manager beim IT-Anbieter AnyWeb AG in Zürich. Dennoch sagt er: «Von den Auswirkungen des Fachkräftemangels spüren wir selbst kaum etwas.» Woran das liegt? Schad stellt gleich einmal klar: «Ein Patentrezept für einen erfolgreichen Umgang mit dem Fachkräftemangel haben auch wir nicht.» Aber einen Blick darauf zu werfen, wieso die AnyWeb AG kaum Personalmangel kennt, lohnt sich: Denn es hat viel mit ihrer besonderen Unternehmenskultur zu tun.

Um diese zu verstehen, muss auf die Anfangszeit der AnyWeb AG zurückgeblickt werden. Gegründet wurde das Unternehmen im Dezember 1994. Damals arbeitete Schad bei einem IT-Anbieter, und dort lernte er vier Kollegen kennen, mit denen er sich gut verstehen sollte. «Wir haben bei unserem damaligen Arbeitgeber eine Ahnung davon bekommen, was besser zu machen ist. In der IT-Branche herrschte Aufbruchstimmung. Und so gründeten wir unsere eigene Firma», berichtet Schad.

Über die AnyWeb AG

AnyWeb wurde 1994 gegründet und deckt mit Consulting-, Implementierungs-, Support- und Trainings-Leistungen ein breites Portfolio an IT-Lösungen ab. Als Cisco Authorized Learning Partner hat das Unternehmen bislang 14'000 Kursteilnehmende ausgebildet.

AnyWeb hat Kunden aller Grössen und Branchen. Ihr gemeinsames Merkmal ist, dass IT- und Kommunikationstechnologie für sie von strategischer Bedeutung sind. Besondere Erfahrung hat das Unternehmen bei Service Providern, Behörden, Blaulichtorganisationen (BORS), Energieversorgern und Finanzinstituten gesammelt. Der Sitz des Unternehmens ist in Zürich-Oerlikon.

Alle Mitarbeitenden bilden den Verwaltungsrat

Die Gründer nutzten den unternehmerischen Freiraum und gestalteten ihren noch jungen Betrieb so, wie sie sich selbst einen guten Arbeitgeber vorstellen. Als Gründer hatten sie alle ein Mitbestimmungsrecht, wie die Geschicke des Unternehmens geleitet werden sollten. Und dieses Recht räumten sie auch allen Mitarbeitenden ein. So ist es bis heute geblieben. «Bei uns sind alle Eigentümer», sagt Schad, «die AnyWeb AG ist vollständig im Besitz ihrer Mitarbeitenden.» Beispielsweise gibt es keinen Verwaltungsrat, der strategische Entscheide im stillen Kämmerlein fällt. «Zweimal pro Jahr organisieren wir eine Mitarbeiterveranstaltung, also eigentlich unsere Verwaltungsratssitzung. Jeder Mitarbeitende hat eine Stimme», so Schad.

Debattiert wird dort beispielsweise über das Lohn- und Bonussystem. «Seit der Gründung herrscht bei uns Lohntransparenz. Vertrauen und Eigenverantwortung sind uns enorm wichtig. Da können wir die Löhne doch nicht davon ausklammern», sagt Schad, «alle sollen das Lohnsystem kennen und verstehen.» Wer wie viel Lohn erhält, entscheiden die Teams – im Rahmen der geltenden Regeln – selbst. Nur wenn innerhalb des Teams keine Einigung zustande kommt, zieht es die Geschäftsleitung zur Klärung bei. Übrigens wird auch dieses Gremium demokratisch gewählt.

 

Roman Schad, HR und Training Manager bei AnyWeb AG (Bild: Simon Baumann)
«Bei offenen Stellen suchen wir Menschen, die Mitverantwortung tragen wollen», Roman Schad, Mitgründer AnyWeb AG

Was tun gegen den Arbeitskräftemangel?

Offene Stellen zu besetzen, ist für viele Unternehmen in nahezu allen Branchen schon lange schwierig. Aber wie lässt sich das Problem lösen? Eine simple Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Aber es gibt Unternehmen, die der Herausforderung mit guten Ideen und ungewöhnlichen Lösungsansätzen begegnen.

So wie die AnyWeb AG und ihr Mitgründer Roman Schad. Die Zürcher Kantonalbank vermittelt interessierten KMU die Möglichkeit, im Rahmen eines 1:1-Dialogs von Schads Erfahrung und Expertise zu profitieren. Das Angebot «Von KMU zu KMU» bringt Ratgebende und -suchende zusammen. Es ist Teil der Initiative «KMU ZH» der Zürcher Kantonalbank, deren Ziel die Stärkung der Zürcher KMU ist.
 

Zufriedene Mitarbeitende sind die besten Botschafter

Mitbestimmung und Eigenverantwortung ziehen sich durch den gesamten Arbeitsalltag. Verschiedene Ausschüsse, in denen Mitglieder aller Teams vertreten sind, entscheiden etwa über die Ressourcenplanung oder bereiten strategische Entscheide vor. «Jeder soll unternehmerisch denken», fordert Schad ein. «Das wirkt motivierend und verhindert das Silo-Denken.» Die Mitarbeitenden sollen ihre eigenen Stärken entwickeln können; Druck, in solchen Gremien mitzuwirken, gibt es laut Schad jedoch nicht.

Eine Folge dieser besonderen Unternehmenskultur ist eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit. Diese äussert sich beispielweise in der Fluktuation. «Unsere Mitarbeitenden sind im Schnitt acht bis zehn Jahre bei uns», sagt Schad. «Der Branchenschnitt liegt sonst eher bei fünf Jahren.» Müssen Stellen neu besetzt werden, setzt die AnyWeb AG stark auf das Netzwerk der eigenen Mitarbeitenden. Sind sie zufrieden, werden sie zu Botschaftern des Unternehmens. «Klassische Stellenausschreibungen nutzen wir kaum. Falls nötig, schreiben wir Stellen auf unserer Webseite aus. Aber auch an Fachmessen zeigen wir Präsenz, damit uns potenzielle Mitarbeitende kennenlernen und spüren können.» Die ICT-Branche in der Schweiz sei recht überschaubar, man kenne sich in der Szene. «Wir haben uns einen guten Ruf aufgebaut und erhalten deshalb auch regelmässig Spontanbewerbungen.»

Den Anstellungsentscheid fällen die Teammitglieder

Beim Bewerbungsprozess sind wiederum die Teams entscheidend. «Die Teammitglieder entscheiden, wer angestellt wird. Ihre Argumente sind wichtig. Das beschleunigt eine Rekrutierung zwar nicht, aber der Entscheid ist meist nachhaltiger, wenn man sich früh gut kennenlernt», erklärt Schad. Fachliche Faktoren spielen eine Rolle, noch wichtiger sei aber die richtige Einstellung, findet er. «Als IT-Firma wollen wir immer einen Schritt voraus sein. Wir hören unserer Kundschaft gut zu und tüfteln, bis wir ihre Probleme gelöst haben. Dafür suchen wir nicht einfach hochspezialisierte Fachleute, die in ihrem eigenen Silo gefangen sind, sondern Menschen, die Mitverantwortung tragen und zum Erfolg des ganzen Unternehmens beitragen wollen.»

Roman Schad ist bewusst, dass die besondere Unternehmenskultur der AnyWeb AG stark mit Persönlichkeiten wie zum Beispiel den Gründern – vier von fünf sind noch aktiv –, ihrer Geschichte und ihrer Grösse verknüpft ist. «Mit insgesamt 35 Mitarbeitenden sind wir relativ klein. Wir wollten nie um jeden Preis wachsen», sagt Schad. «Bei unserer Grösse funktioniert unsere besondere Kultur sehr gut.» Ein Patentrezept gegen den Fachkräftemangel haben Schad und seine Mitunternehmerinnen und -unternehmer also nicht gefunden. Aber viele Zutaten, die helfen, am Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.

Haben auch Sie ein Erfolgsrezept im Umgang mit dem Arbeitskräftemangel? Dann melden Sie sich direkt hier bei uns.

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