Das Ziel des Bundes ist, dass die AHV und die obligatorische berufliche Vorsorge die Fortführung des bisherigen Lebensstandards im Rentenalter ermöglichen. Wie realistisch ist diese Zielvorgabe?
Andreas Habegger: Nun, im Gesetzesartikel (BVG Art. 1, Abs. 1) ist auch der Zusatz «in angemessener Weise» enthalten. Dieses Leistungsziel aus 1. und 2. Säule wurde damals mit 60 Prozent des bisherigen Bruttoeinkommens beziffert. Mit den heute geltenden Parametern ist dies im BVG-Obligatorium für Jahreseinkommen bis max. 85‘320 Franken noch knapp eingehalten. Dies aber nur unter der Annahme, dass die versicherte Person während der ganzen Erwerbsphase sowohl in der 1. wie auch in der 2. Säule versichert war. Insbesondere bei höheren Einkommen sind überobligatorische Leistungen in der beruflichen Vorsorge nötig, um das Leistungsziel zu erreichen.
Können wir mit Justierungen die Schieflage im derzeitigen System beheben oder braucht es neue, innovative Ansätze?
A.H.: Unser aktuelles Vorsorgesystem verfügt über diverse Möglichkeiten für Anpassungen. Grundsätzlich muss die Beitrags- und Leistungsseite unter den heutigen Bedingungen – dabei denke ich vor allem an Ertragspotenzial und Lebenserwartung – wieder in ein Gleichgewicht gebracht werden. Mit einer Kombination verschiedener Massnahmen ist dies möglich, wie einer Erhöhung des Rentenalters, einem längeren Sparprozess, oder auch höheren Sparbeiträgen. Doch hier liegt der Ball bei der Politik.
Greift die aktuelle politische Diskussion die relevanten Punkte auf?
H.K.: Nur teilweise. Reformen in der beruflichen Vorsorge sind dringend notwendig. Vor allem ist der für die Berechnung der Rente massgebende BVG-Umwandlungssatz zu senken unter Aufrechterhaltung des Rentenniveaus. Diesbezüglich werden verschiedene Modelle diskutiert. Abzulehnen sind insbesondere die vom Bundesrat vorgeschlagenen fixen, lebenslänglichen Zuschläge für alle Neurentner – unabhängig von der Betroffenheit durch die Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes und finanziert mit zeitlich nicht limitierten Beiträgen von 0,5 Prozent auf dem AHV-Lohn. Wir haben Kompensationsmassnahmen vorgeschlagen mit einer vergleichbaren Wirkung, ohne dass aber eine teure, komplizierte und unnötige Umverteilung installiert werden muss.