Bewerbungs­gespräch bei der Zürcher Kantonal­bank: Sich selbst sein

Im Bewerbungsgespräch stehen viele Kandidatinnen und Kandidaten unter Stress. Bei der Zürcher Kantonalbank soll das nicht so sein. Rekrutierungsspezialist Amir Reshef erklärt, warum.

Text: Ina Gammerdinger

Amir Reshef, Rekrutierungsspezialist bei der Zürcher Kantonalbank (Bild: Simon Baumann)
Amir Reshef schätzt im Gespräch vor allem Humor: «Wenn jemand über sich selbst und mit anderen lachen kann und nicht zu verbissen an Situationen herangeht, finde ich das sympathisch.» (Bild: Simon Baumann)

Lockerer Dialog oder knallharte Fragen nach Schema – was erwartet mich bei Ihnen?

Bei der Zürcher Kantonalbank setzen wir auf halbstrukturierte Interviews. Zwar greifen wir auf unseren Leitfaden an Fragen zurück, insofern gibt es durchaus ein Frageschema – doch gehen wir immer flexibel auf Antworten von Kandidatinnen und Kandidaten ein und stellen Rückfragen. Gegenfragen sind ebenso erwünscht. Ein Bewerbungsgespräch ist kein Verhör. Wir führen in den meisten Fällen ein Gespräch oder sogar mehrere davon im Tandem mit Linienvertreterinnen und -vertretern. Durch die wechselseitige Kommunikation entsteht in den allermeisten Fällen eine angenehme, mitunter rege Diskussion. Mein Tipp: Bleiben Sie bei sich und verstellen Sie sich nicht. Wir möchten keine auswendig gelernten Mustersätze hören.

Wie sieht der Rekrutierungsprozess aus?

Unser Rekrutierungsprozess beinhaltet normalerweise mindestens zwei Runden. Wir nutzen vor allem für Erstgespräche auch digitale Kommunikationstools. Inhaltlich variiert der Prozess je nach Geschäftsbereich. Ich rekrutiere vorwiegend für unsere IT. In diesem Bereich holen wir oft vorgängig telefonisch einige Must-have-Kriterien ein. Uns interessieren technische Kenntnisse, Gehaltsvorstellungen, überhaupt die Beweggründe für den Stellenwechsel.

Grundsätzlich achten wir während des gesamten Rekrutierungsprozesses darauf, ob sich die Kandidatin oder der Kandidat mit unseren Werten identifizieren kann und die für diese Stelle notwendigen Kompetenzen mitbringt. Der «Cultural Fit» ist wichtig, um sich langfristig bei uns wohlzufühlen und das eigene Potential vollständig entfalten zu können.

Wie stellen Sie fest, ob Kandidaten die Kompetenzen haben?

Wir haben wir eine eigene Methodik, «kompetenzen@zkb», die drei Dimensionen von Kompetenzen abbildet: Ich, Wir, Job. Die Ich-Kompetenzen fokussieren sich auf den Mitarbeitenden als Persönlichkeit, die Wir-Kompetenzen decken die Mitarbeitenden in ihren Beziehungen zu Kollegen, Partnern und Kunden ab. Bei der Dimension Job geht es um die fachlichen und methodischen Kompetenzen. Die benötigten Kompetenzen werden bei jeder neuen Vakanz neu definiert. Welche Person suchen wir? Fast nie kommt es dabei zu einem 1:1 Ersatz, da sich Berufsbilder heute kontinuierlich weiterentwickeln.

«kompetenzen@zkb»

Die Zürcher Kantonalbank nutzt eine eigen entwickelte Methodik in der Rekrutierung. Im Zentrum stehen die drei Kompetenz-Dimensionen «Ich, Wir, Job».

Die Dimension «ICH» umfasst die persönlichen Kompetenzen:

  • Im Leben stehen
  • Mutig agieren und gestalten
  • Vernetzt und ganzheitlich denken

Die Dimension «WIR» umfasst die Sozialkompetenzen:

  • Wirksam kommunizieren
  • In Teams interagieren
  • Kundenorientiert agieren

Die Dimension «JOB» umfasst die Methoden- und Fachkompetenzen:

  • Fachwissen und Wissen über die ganze Bank bzw. Umwelt anwenden
  • Erfahrungen integrieren
  • Methoden adäquat anwenden

Über was sprechen Sie vornehmlich mit Kandidatinnen und Kandidaten?

Wir interessieren uns vor allem für die besonderen Abschnitte im Werdegang. Kandidatinnen und Kandidaten sollten sich auf Stationen konzentrieren, die für die ausgeschriebene Stelle relevant sind. Weiter thematisieren wir die Bewerbungs- und Leistungsmotivation. Natürlich stellen wir uns als Zürcher Kantonalbank vor und geben Einblicke in den Bereich und das Team. Auch besprechen wir Organisatorisches: Stelleneintrittsdatum, Pensum, Stand im Bewerbungsprozess, Wunschgehalt. Es bleibt auch immer genügend Raum für Fragen. Noch ein Tipp: Nutzen Sie die Chance und stellen Sie Fragen – das hilft Ihnen bei der Entscheidungsfindung und zeigt uns, dass Sie sich mit der Position beschäftigt haben.

Lerne ich das Team manchmal schon früher kennen?

Gegen Ende des Rekrutierungsprozesses kommt es meist zu einer Vorstellung im Team. Für manche Kandidatinnen und Kandidaten ist ein Kennenlernen jedoch eher unangenehm, weil sie sich häufig noch in ungekündigter Stellung befinden. Andere schätzen den lockeren Austausch. Das muss also individuell entschieden werden.

Sie rekrutieren insbesondere für die IT: Inwiefern unterscheidet sich dieser Prozess zu anderen Bereichen?

Es gibt kaum Unterschiede. Selbstverständlich stehen auch im IT-Bereich die Kandidatinnen und Kandidaten als Personen im Fokus. Softwareentwicklerinnen und -entwickler agieren längst nicht mehr im stillen Kämmerlein. Für viele IT-Funktionen sind die technischen Skills aber ein zwingendes Kriterium. Deshalb führen wir zum Teil schon zu Beginn ein Tech-Assessment durch. Unser besonderer Pluspunkt zudem: Wir entwickeln und betreiben den grössten Teil unserer IT-Landschaft in Zürich - #ITmadeinChreis5.

Wovor haben die meisten Kandidatinnen und Kandidaten Respekt?

Viele haben Angst, etwas Falsches zu sagen oder sich hinsichtlich Schwächen oder allfälliger Lücken im Lebenslauf rechtfertigen zu müssen. Ich versuche von Anfang an, eine angenehme und positive Stimmung zu schaffen. Mit einem lockeren Spruch oder mit anfänglichem Small-Talk schaffe ich Vertrautheit.

Faden verloren. Und jetzt?

Das ist nicht schlimm und kann jedem einmal passieren. Wir lassen den Kandidaten Zeit, um wieder zurück ins Thema zu finden oder helfen ihnen, indem wir die Frage wiederholen oder zusammenfassen, was wir bis anhin verstanden haben. Sich einen Moment Zeit nehmen, um sich wieder zu sammeln, ist völlig legitim. Ein Innehalten kommt einem manchmal sehr lange vor, aber Pausen aushalten gehört dazu. Wenn der Faden nicht wiedergefunden wird, kann immer noch ein anderer aufgenommen werden – auch das ist völlig in Ordnung.

Was ist für Sie ein No-Go?

Unpünktlichkeit ohne triftigen Grund. Sie schaffen es nicht pünktlich zum Termin? Geben Sie rechtzeitig Bescheid. Weitere No-Gos sind Arroganz, aggressives Auftreten und Personen, die nur Forderungen stellen. Das grösste und wohl unverzeihlichste No-Go aber ist Unehrlichkeit. Wenn man sich anders darstellt, als man in Wirklichkeit ist oder gar Diplome und Zeugnisse fälscht, verbaut man sich natürlich die Chancen auf den Job.

Wann haben Sie ein gutes Gefühl im Gespräch?

Wenn ein sogenannter Flow aufkommt, dann vergeht die Zeit dank des guten Gesprächs wie im Fluge. Oft entsteht auch ein Flow, wenn viele ähnliche Punkte mit der eigenen Person übereinstimmen. Ein solcher «Mini-Me-Effekt» wirkt verbindend und schafft Sympathie – und ist tückisch. Denn die Frage, ob die Kandidatin oder der Kandidat von den Kompetenzen und der Persönlichkeit her tatsächlich für die zu besetzende Stelle und das Unternehmen geeignet ist, tritt in den Hintergrund. Es ist daher mitunter unsere Aufgabe, Linienvertreterinnen und -vertreter mit wenig Rekrutierungserfahrung dahingehend zu sensibilisieren. Der beste Moment in meinem Job ist es, wenn ich die Person rekrutieren konnte, die am besten ins Team und zur Zürcher Kantonalbank passt.

Über Amir Reshef

Amir Reshef ist Vater von zwei Töchtern und verfügt über einen Masterabschluss in Psychologie der Universität Zürich. Seit 15 Jahren beschäftigt er sich mit Themen rund um die Personalauswahl, davon bald drei Jahre innerhalb der Zürcher Kantonalbank. Davor hat er bereits zahlreiche Talente unter anderem für die Aviatik, Pharma- und Medizintechnikindustrie rekrutiert.