Der nachhaltigste Zucker Europas

Wie wäre es mit einem Kraftwerk, das problematische Holzabfälle verbrennen und die entstandene Energie weiterverwenden kann? Zum Beispiel für die Verarbeitung von Zuckerrüben. Klingt nach einem Traum – und ist dank einer Finanzierung der Zürcher Kantonalbank gar Realität.

Text: Livia Caluori

Thomas Kallen (FSNF), Patrick Richiger (FSKS), Bruno Urscheler (FSKL) (v.l.n.r.)
V.l.n.r.: Thomas Kallen (FSNF), Patrick Richiger (FSKS), Bruno Urscheler (FSKL) (Bild: Simon Baumann)

Bahnschwellen, Leitungsmasten und Munitionskisten – allesamt schwerstbelastetes Altholz. Dieses muss in eigens darauf spezialisierten Anlagen entsorgt werden. Bislang passierte dies mehrheitlich im Ausland. Seit wenigen Monaten gibt es auch eine einzigartige Schweizer Lösung.

Es handelt sich um das schweizweit erste Holzkraftwerk, das Altholz sämtlicher Kategorien verwerten kann. In ökologischer Hinsicht ist das Kraftwerk in Aarberg ein Leuchtturmprojekt. Die Folge: Von den rund 350'000 Tonnen Altholz, welche die Schweiz pro Jahr exportiert, kommen nun etwa 70'000 Tonnen nach Aarberg. Ende November 2020 wurde das Feuer erstmals entfacht und die Anlage über die darauffolgenden Monate sukzessiv in Betrieb genommen. Kürzlich feierte man die offizielle Einweihung des Millionenbaus.

Partnerschaftliche Begleitung

Doch zurück zum Anfang im Jahr 2014 und dem ersten Kontaktpunkt mit der Zürcher Kantonalbank. «Via Kontaktformular auf unserer Webseite haben wir erstmals von dem Projekt erfahren», erinnert sich Firmenkundenbetreuer Thomas Kallen, und ergänzt: «Mit einer dreizeiligen Nachricht bat der Absender um einen Rückruf bezüglich eines Baukredits für die Finanzierung eines Holzkraftwerks im Wert von knapp 100 Millionen Franken – eine ordentliche Summe.» Nach einigen Telefonaten und der Sichtung von Unterlagen war dann aber schnell klar: Doch, die meinen es ernst.

Es folgte bankseitig die Bildung eines Deal-Teams unter Leitung von Structured Finance und entsprechende Treffen mit dem potenziellen Kunden – wie auch Konkurrenten, anlässlich eines Informationsmeetings für potenzielle Lead-Banken. «Wir waren nämlich nicht die einzige Bank, die auf die Anfrage reagierte. Interessiert an einer Federführung waren auch zwei Grossbanken», sagt Patrick Richiger, Mandatsleiter Structured Finance. Er resümiert die Gespräche: Nach diversen Verhandlungsrunden erhielten wir das Mandat für die Etablierung eines Konsortialkredits. So überzeugte bei der Zürcher Kantonalbank einerseits der gute Ruf im Markt. Hinzu kam, dass wir den Kunden in Gesprächen mit unserer partnerschaftlichen Art gewinnen konnten. «Der Austausch auf Augenhöhe ist für uns selbstverständlich: Wir hören zu, lassen die Parteien von deren Vorstellungen und Wünschen erzählen. Erst dann bringen wir unsere Sichtweise ein – und nicht umgekehrt», sagt Patrick Richiger.

Gemeinsamer Kredit

Die Summe, auf welche sich beide Seiten einigten, war schliesslich 67.5 Millionen Franken. Dieser Grosskredit kam unter dem Lead unserer Bank zusammen mit der Migros Bank, Basler Kantonalbank und der Basellandschaftlichen Kantonalbank zustande. Denn: Solche umfangreichen Projektfinanzierungen tätigt selten eine Bank allein. Vielmehr schliesst man sich mit Gross-, Regional- und Kantonalbanken sowie ab und zu internationalen Banken zusammen und vergibt zusammen einen sogenannten syndizierten Kredit. So auch hier.

Und so kam es Ende 2017 zur Vertragsunterzeichnung. «Diese war nur dank dem perfekten Zusammenspiel sämtlicher intern involvierter Abteilungen des Deal-Teams und ausgezeichneten Kontakten zu anderen Konsortialbanken sowie externen Anwaltskanzleien möglich», erläutert Bruno Urscheler, Loan Syndications.

Natürliche Energie zur Verarbeitung von Zuckerrüben

Sieben Jahre nach dem Erstkontakt steht nun der Millionenbau im bernischen Aarberg: ein Altholzkraftwerk. Doch es ist nicht einfach ein normales Holzkraftwerk. Nein – es handelt sich um das modernste Holzkraftwerk der Schweiz. Dank der aufwändigen Rauchgasreinigung ist es gar das einzige, welches sämtliche Altholzklassen umweltverträglich verbrennen kann.

Einerseits erzeugt die Anlage jährlich Strom aus erneuerbarer Energie für umgerechnet rund 18'000 Haushalte. Andererseits wird diese erneuerbare Energie in Form von Heisswasser und Dampf in der benachbarten Zuckerfabrik für die Verarbeitung von Zuckerrüben verwendet. Die Schweizer Zucker AG spart dadurch jährlich rund 16'000 Tonnen CO2-Emissionen – denn bisher haben sie ihren Energiebedarf mit Erdgas gedeckt. Dank dem Holzkraftwerk kann die Fabrik zum grössten Teil auf erneuerbare Quellen setzen und reduziert den Verbrauch fossiler Brennstoffe um über 70 Prozent. Das Resultat: der europaweit nachhaltigste Zucker.

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