Mit Stefan Bucher auf dem MS Etzel

Wenn er nicht in der Filiale Klusplatz seine Kundinnen und Kunden betreut, ist Stefan Bucher nicht selten in Uniform auf dem Zürichsee anzutreffen. Nicht nur als Matrose ist er mit dem MS Etzel eng verbunden. Er engagiert sich aktiv im Verein und in der Genossenschaft, die beide dieses Zürcher Industriedenkmal am Leben erhalten.

Text: Othmar Köchle / Bilder: Simon Baumann

Freizeitmatrose Stefan Bucher für einmal im Steuerhaus des MS Etzel.

Bürkliplatz, Schifflände 6 –​ die Sonne scheint, aber der See ist wegen der steifen Brise etwas aufgewühlt. 

Stefan Bucher, Matrose, steht auf dem Schild ​der Brusttasche des weissen Hemds, dazu trägt er eine schicke, aber doch sportliche dunkle Uniformhose und stabile knöchelhohe Schuhe. Seemännische Kompetenz strahlt Stefan aus, als er uns an Bord des MS Etzel​ freundlich empfängt. Niemand würde vermuten, dass Stefan Bucher nicht professioneller Matrose, sondern vielmehr hauptberuflich als Kundenbetreuer der Zürcher Kantonalbank in der Filiale Klusplatz tätig ist.

Der See hat ihn immer schon fasziniert

Schon vor Jahren hat sich Stefan Bucher bei der Zürichsee Schifffahrtsgesellschaft (ZSG) zum Saison-Matrosen ausbilden lassen. Die Ausbildung dauert total sieben Monate und ist der Einstieg in eine nautische Karriere in der Binnenschifffahrt.

«Auf dem See sein, der technische Aspekt dieser grossen Motorschiffe und dazu der Kontakt und die Gastgeberrolle gegenüber den Passagieren: Das ist eine Mischung, die mir gefällt. Für mich ist es zwar nur eine Freizeitgeschichte, aber auf jeden Fall ein bereichernder Ausgleich zur Arbeit in der Bank», sagt Stefan. 

Es ist im Gespräch zu spüren, wie viel seines Herzbluts für die Schifffahrt und für das MS Etzel fliesst. Vor etwa sieben Jahren war er gefragt worden, ob er Interesse hätte, sich im Verein Pro MS Etzel und in der Genossenschaft MS Etzel zu engagieren – man kennt sich in der nautischen Szene. Die Idee hat ihm sofort gefallen, allerdings wollte er es nur unter der Prämisse tun, wenn er auch Gelegenheit erhielte, auf dem Schiff zu arbeiten; ausschliesslich Vereinsarbeit reizte ihn weniger. 

Hier und dort Aktuar

Heute ist er als Aktuar der Genossenschaft und als Aktuar und Kassier im Verein im Vorstand beider Organe. Und wie unterscheiden sich Genossenschaft und Verein? «Das Schiff gehört der Genossenschaft und wird von dieser auch betrieben. Den Verein muss man sich mehr als Fanclub vorstellen. Die meisten Anteilscheine der Genossenschaft sind zudem in der Hand des Vereins», erklärt Bucher den Unterschied. 

Neben diesen Tätigkeiten ist er eben auch regelmässig als Matrose auf dem MS Etzel im Einsatz. Er empfängt die Fahrgäste, hilft ihnen ​beim Ein- und Aussteigen, ist überhaupt für die Sicherheit der Passagiere zuständig, vertäut das Schiff beim Anlegen und sorgt für Ordnung auf der Etzel. Allerdings weniger als früher, denn für andere Crew-Mitglieder sind die Einsätze ein wesentlicher Teil ihres Einkommens. Für ihn sind es deshalb noch einige wenige Einsätze pro Monat. Bei Wind und Wetter.

Schwierige Phase mit Corona

Wegen der Pandemie konnte die MS Etzel in den letzten zwei Jahren nicht wie gewohnt mit zahlreichen Gesellschaften und Rundfahrten betrieben werden. Das brachte auch die Genossenschaft in finanzielle Bedrängnis. Aktuar Stefan Bucher – und mit ihm der Vorstand der Genossenschaft –​ musste sich einiges einfallen lassen und kurzfristig Mittel beschaffen, um diesen Oldtimer auf dem Zürichsee zu erhalten.

Jetzt scheint die Pandemie fürs Erste überwunden. «Ich freue mich, dass wir wieder mit Passagieren auf den See können», sagt Matrose Bucher. Leinen los!

Stefan Bucher an seinem «Arbeitsort». Die MS Etzel liegt an der Schifflände 6 am Bürkliplatz. Man kann sie chartern.

MS Etzel

Das Motorschiff Etzel wurde in den 30er-Jahren von Escher Wyss & Cie. im Schiffbau in Zürich​ gebaut und lief am 1. März 1934 vom Stapel. Im Juni desselben Jahres wurde es von der Zürcher Dampfbootgesellschaft – wie sie damals noch hiess – in Betrieb genommen. Es sollte an der Landesausstellung 1939 nicht nur die Querverbindung über den See verbessern, sondern war als technische Meisterleitung selber Publikumsmagnet. Der Antrieb des Motorschiffs Etzel unterschied sich nämlich von allen herkömmlichen Schiffsantrieben. Der Motor in der Etzel dreht mit stabiler Drehzahl. Manöver erfolgen nicht durch mehr oder weniger Motorschub, sondern durch Verstellung der Winkel der Propellerschrauben. Diese können vom Steuerhaus aus über eine Hydraulik direkt manipuliert werden und erlauben einen stufenlosen Vor- oder Rückschub.

Doch Ende der 1990er Jahre drohte dem MS Etzel das gleiche Schicksal wie bereits den Landischiffen «Halbinsel Au», «Möve» und «Speer», die von der ZSG ins Ausland verkauft wurden. Um die letzte «Schwalbe» und einen wichtigen Zeugen der Zürcher Industriegeschichte auf dem Zürichsee zu erhalten, gründete Stefano Butti, Schiffsführer bei der ZSG, im Juni 1999 eben jenen Verein Pro MS Etzel. Um die Finanzierung zu sichern, kam im Januar 2001 die Genossenschaft MS Etzel als Kapitalgesellschaft dazu und im gleichen Jahr konnte das Schiff zu einem symbolischen Preis von der ZSG übernommen werden. ​

Für den weiteren Betrieb musste über die Jahre viel Kapital und Arbeit investiert werden. Zuletzt wurde das MS Etzel 2018/2019 dank grosszügiger Beiträge von vielen Gönnern (darunter auch die Zürcher Kantonalbank) für 1,4 Millionen Franken umfassend revidiert. Heute ist das charmante Motorschiff, das zirka 40 Personen sitzend ausreichend Platz bietet, ein beliebtes Charter- und Publikumsschiff. Es führt pro Jahr über 150 Fahrten aus, darunter auch zahlreiche öffentliche Rundfahrten.

 

Mehr Infos unter: www.msetzel.ch