Fairness, die allen dient

Prämien auf Fairtrade-Gold helfen, die Bedingungen für die Mineure im kleingewerblichen Bergbau und ihre Angehörigen zu verbessern.

Text: Patrick Steinemann | aus dem Magazin «ZH» 3/2022

Die meisten Minenarbeiter im kleingewerblichen Goldbergbau in Peru sind heute einer Kooperative angeschlossen, zehn dieser Genossenschaften bilden zusammen die CECOMSAP, die Central de Cooperativas Mineras San Antonio de Poto. (Bild: Gina Rosas)

Ananea, Peru: In der Ortschaft in den Anden auf 4’800 Metern über Meer ist die Luft dünn, die Vegetation karg, die Wege abseits der Hauptstrassen sind meist schlammig und die Bergspitzen ringsum oft schneebedeckt.

Früher arbeiteten sich die Mineure rund um Ananea von Hand durch Gestein und Sand. Die Arbeit war hart und gefährlich. Heute bewegen Schaufelbagger die Erde, Lastwagen transportieren den Aushub zu Schüttrutschen für die Grobsortierung. Arbeiter an speziellen Rütteltischen waschen schliesslich die kleinsten Partikel jenes Metalls aus, um das sich hier alles dreht: Gold.

Ananea ist eines der Zentren des kleingewerblichen Goldbergbaus – Peru gehört zu den bedeutendsten Goldproduktionsländern weltweit. Auch wenn der Arbeitsalltag und das Leben im Ort nach wie vor schwierig und entbehrungsreich sind: In den letzten Jahren hat ein Wandel stattgefunden und dieser hat zwei Gründe – die genossenschaftliche Organisation der Mineure und der Goldhandel unter Fairtrade-Bedingungen. Die meisten Minenarbeiter sind heute einer Kooperative angeschlossen, zehn dieser Genossenschaften bilden zusammen die CECOMSAP, die Central de Cooperativas Mineras San Antonio de Poto.

Schweiz als Golddrehscheibe geht voran

2011 lancierte die britische Fairtrade-Organisation ein Label für Fairtrade-Gold; später übernahm die Schweizer Stiftung Fairtrade Max Havelaar die Führung bei diesem Thema – die Schweiz gehört zu den Drehscheiben des internationalen Goldhandels. Seit 2014 sind Fairtrade-Goldprodukte in der Schweiz erhältlich. Und seit 2018 liefert auch die CECOMSAP Fairtrade-zertifiziertes Gold in die Schweiz.

Markus Staub, Projektleiter für internationale Zusammenarbeit bei Fairtrade Max Havelaar, kennt den Bergbau in Peru – und die Bedeutung eines fairen Goldhandels: «Zwar stammen nur 10 bis 20 Prozent der weltweiten Goldmenge aus den kleingewerblichen Minen. Weltweit sind aber über 80 Millionen Menschen direkt oder indirekt von diesem Gewerbe abhängig. Es ist deshalb essenziell, dass die Arbeitsbedingungen sicher, der Marktzugang geregelt und die Geschäftsbeziehungen langfristig angelegt sind.»

Genau festgelegte Fairtrade-Standards schützen die Menschen und die Umwelt in Ananea und anderen Bergbaugebieten: Missbräuchliche Kinderarbeit und Zwangsarbeit sind verboten, der Gesundheitsschutz und die Unfallprävention haben einen hohen Stellenwert. Und die nationalen Umwelt- und Arbeitsgesetze müssen eingehalten werden: So ist etwa der Einsatz von Chemikalien bei der Goldgewinnung klar geregelt.

Prämien für Projekte

Im Gegenzug für die Einhaltung dieser Bedingungen erhalten die Mineure eine Fairtrade-Prämie von 2’000 US-Dollar pro Kilogramm Gold. «Diese zusätzlichen Einnahmen investieren die Genossenschaften vorwiegend in die Verbesserung der Produktion und des Arbeitsumfelds sowie in diverse Gemeinschaftsprojekte», erklärt Markus Staub. «Sie verbessern die Bedingungen vor Ort deutlich.» Neben einfacheren betrieblichen Abläufen bringen die Projekte Fortschritte bei der Wasseraufbereitung oder verbessern das Abfallmanagement und dienen so dem Umweltschutz.

Die Prämien werden aber auch eingesetzt, um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz zu erhöhen. Neben persönlichen Schutzkleidern für die Mineure gehören dazu seit neuestem elektrisch betriebene gravimetrische Rütteltische: Das zuvor konzentrierte Sand-Wasser-Gemisch wird über Rillen geleitet, an denen die schwereren Goldpartikel hängen bleiben und eingesammelt werden können. Diese Tische sorgen auch dafür, dass auf das gesundheits- und umweltschädliche Quecksilber bei der Goldausfällung verzichtet werden kann.

Aber nicht nur die Produktionsprozesse werden verbessert durch die Fairtrade-Prämien: Das Zusatzgeld fliesst ebenso in den Bau von Bürogebäuden, Unterkünften oder Bildungseinrichtungen und kommt dadurch auch den Familien der Minenarbeiter zugute. Von der finanziellen Unterstützung profitieren zudem die umliegenden Gemeinden: «Aus dem Geld schaffen die Genossenschaften Computer für Schulen an, sie finanzieren Spielplätze für Kinder, unterstützen ärmere Dorfbewohner mit Gebrauchsgütern und Nahrungsmitteln, planen die Anschaffung eines Ambulanzfahrzeugs oder den Bau einer kleinen Klinik vor Ort», berichtet Stiftungsvertreter Staub. Dank gezielter Förderung finden auch Frauen vermehrt Jobs in der einstigen Männerdomäne, etwa als Verantwortliche im Bereich Umweltmanagement.

Das unter Fairtrade-Bedingungen gewonnene und gehandelte Gold gelangt schliesslich zu Goldhändlern und Goldschmieden in der Schweiz. Aber auch zu Finanzinstituten wie der Zürcher Kantonalbank: In Zusammenarbeit mit Fairtrade Max Havelaar verkauft die Bank seit 2015 Fair­trade-Goldbarren mit einem Gewicht von 1 bis 10 Gramm und ist damit Pionierin in diesem Bereich.

Lebensalltag massgeblich verbessert

Drazen Repak, Leiter Edelmetallhandel bei der Zürcher Kantonalbank, schätzt den direkten Kontakt mit den Produzenten aus Peru: «Vertreter der Genossenschaften kommen jedes Jahr zu Besuch in die Schweiz und berichten uns von den Projekten, die sie mit den Fairtrade-Prämien umsetzen konnten.» Er ist dabei immer wieder beeindruckt: «Sie führen minuziös Buch über die verwendeten Gelder und realisieren konkrete Dinge, die ihren Lebensalltag massgeblich verbessern.» Goldhandelschef Repak registriert auf Käuferseite ein zunehmendes Bewusstsein für die Herkunft und die Produktionsbedingungen von Gold: «Aufgrund der grossen Nachfrage verkaufen wir seit Mai 2021 auch Fairtrade-Goldbarren mit einem Gewicht von 20 Gramm.»

Ein nachhaltiger Edelmetallmarkt – er hat für die Zürcher Kantonalbank aus einem weiteren Grund einen besonderen Stellenwert, wie Romina Schwarz, Leiterin der Fachstelle Leistungsauftrag, erläutert: «Nachhaltigkeit ist eine integrierte Dimension unseres Geschäftsmodells. Das heisst, dass wir bei unseren Aktivitäten ökologische, soziale und ökonomische Kriterien miteinbeziehen.»

Die Tätigkeiten sind an den 17 Zielen der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) ausgerichtet, an denen sich auch die Fairtrade-Organisationen und Goldorganisationen wie die CECOMSAP orientieren. «Mit unserem nachhaltigen Fairtrade-Goldangebot tragen wir dazu bei, dass die Minenarbeiter in Peru ihre Situation aus eigener Kraft verbessern können», sagt Romina Schwarz. «Bis zur Grösse von 20 Gramm bieten wir aus Über­zeugung ausschliesslich Fairtrade-Gold an», wie Schwarz betont.

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