Keep on rockinʼ

Hip-Hop, Punk, Techno – viele Menschen bleiben den Werten der Jugendkultur, mit der sie aufgewachsen sind, auch als Erwachsene treu.

Text: Rahel Perrot / Bilder: Tom Huber / Videos: Mathieu Gilliand | aus dem Magazin «ZH» 1/2022

Rock ’n’ Roller: Toni Vescoli

Toni Vescoli

«Ich sah mich selbst nie als Rebellen. Ich war einfach ich. Und so bin ich auch heute noch.» Toni Vescoli (*1942) ist in den 1960er-Jahren Sänger einer der ersten Schweizer Rock-’n’-Roll-Bands. Mit «Les Sauterelles» tourt er um die Welt, sie werden als «Swiss Beatles» gefeiert, spielen 1967 als Vorband der Rolling Stones bei deren legendärem Konzert im Zürcher Hallenstadion. Die ersten Jahre seiner Kindheit verbringt Toni Vescoli in Peru, 1950 kehrt die Familie in die Schweiz zurück. «Als Zuge­zo­gener mit italienischem Namen war ich zunächst ein Aussenseiter. Doch das legte sich rasch.» Schon früh kam er über die Geschwister seiner Mutter mit Musik in Berührung, mit Kunst. Auf dem selbst gebastelten Detektorradio hörte er Rock ’n’ Roll. «Die Initial­zündung war, als ich ‹King Creole› mit Elvis Presley im Kino sah.» Der Vater ist nicht begeistert von Toni Vescolis musikalischen Ambitionen, etwas Richtiges muss er lernen: Hochbauzeichner. Parallel dazu nimmt seine Musikkarriere Fahrt auf. Kritische, gesellschaftspolitische Lieder sind ihm seit jeher ein Anliegen. «Mir ist Har­monie sehr wichtig, jeder soll zu seinem Recht kommen. Ungerechtigkeit hat mich schon immer auf die Palme gebracht.»

 

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Video über Toni Vescoli, Rock 'n' Roller

DJ: Manon Maeder

Manon Maeder

Es war 1989 in einem leer stehenden Ladenlokal in Bern: Die Musik war laut, der Rhythmus packend, hypnotisch. «So was hatte ich noch nie gehört. Der 4⁄4-Takt von Techno zog mich schlagartig in seinen Bann.» Manon Maeder (*1970) ist DJ, Produzentin und Eventveranstalterin und gilt als eine der Pionierinnen der elektronischen Musik in der Schweiz. Als DJ Manon steht sie seit den frühen 1990er-Jahren hinter den Plattentellern. Bei Techno spiele Alter oder soziale Herkunft keine Rolle, die Musik vereine alle. «Es entsteht eine einzigartige Energie, wenn ein ganzer Raum auf den gleichen Beat tanzt.» Als DJ könne sie die Stimmung des Publikums auffangen. Das sei der Grund, weshalb sie immer noch auf­lege: «Mit Musik kann ich Emotionen vermitteln, mein Publikum auf eine Reise mitnehmen. Es kann die Welt um sich herum vergessen, abtauchen aus dem Alltag.» Manon Maeder ist überzeugt: «Niemand ist zu alt zum Raven. Wir alle brauchen einen Ort, an dem wir loslassen können.»

 

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Video über Manon Maeder, DJ

Skater: Luc Kämpfen

Luc Kämpfen

«Auch wenn es nach Klischee klingt: Skateboarden bedeutet für mich die absolute Freiheit.» Luc Kämpfen (*1976) ist selbstständiger Video-Produzent. Er wächst in Wollishofen auf, in unmittelbarer Nähe zum damaligen Hotspot der Zürcher Skater-Szene, der Landi­wiese. Er macht als Kind viel Sport, spielt Tennis. «Skateboarden kann ich unabhängig von einem Verein, ohne fixe Trainingszeiten. Das gefällt mir.» Das Rollbrettfahren fällt Luc Kämpfen jedoch nicht einfach so in den Schoss. «Skateboarden braucht eindeutig Durch­haltewillen! Es lehrt einen, nach einem Sturz wieder aufzustehen und weiterzumachen – eine Lebensschule.» Durch sein Hobby kommt er früh mit Fotografie und Video in Berührung, über Umwege wird es zu seinem Beruf. Das Rollbrett gehört noch immer zu Luc Kämpfens Leben. «Mittlerweile haben viele meiner Skater-Freunde eine eigene Familie gegründet. Doch auch heute noch treffen wir uns regelmässig zum Skaten – diese Abende sind für mich wie eine Auszeit vom Alltag.»

 

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Video über Luc Kämpfen, Skater

B-Girl: Nicole Binggeli

Nicole Binggeli

«Anfang der 1990er-Jahre liefen auf MTV Musikvideos mit tanzenden Stars auf und ab. Das faszinierte mich.» Nicole Binggeli (*1979), Kulturmana­gerin, fing mit neun Jahren an, Jazz zu tanzen. Später im Jugendtreff sah sie Jungs Breakdance-Moves machen. Für das Breaken gab es damals weder Tanzschulen noch Regeln, sondern jeder konnte sich auf seine Art und Weise ausdrücken. «Das Kreative, das Aus­loten der ei­genen körperlichen Grenzen und der autonome Ehrgeiz, den es dazu braucht, haben es mir angetan.» Nicole Binggeli findet als Teenager im Breaken Halt und Orientierung, es wird zu ihrem Ausgleich im Alltag. Während ihrer Lehre zur Kauffrau nimmt sie erfolgreich an Battles teil, fängt an, in der Szene erste Events zu organisieren. Im Hintergrund die Menschen zusammenzubringen, statt selbst im Rampenlicht zu stehen, sagt ihr aber heute mehr zu. Sie ist im Vorstand der Swiss Breaking Federation. Breaking wird 2024 zum ersten Mal olympisch sein. «Wir vollziehen derzeit eine Transformation von einer Kultur hin zu einem Sport. Die Seele des Breakens wollen wir aber unbedingt erhalten. Denn wo du herkommst, spielt hier keine Rolle. Es ist die totale Chancengleichheit.»

Punk: Andreas Mösli

Andreas Mösli

Andreas Mösli (*1965) hat als Kleinkind Gitarristen imitiert, nachts unter seiner Bettdecke Radio gehört, aus Liebeskummer eine eigene Band mitgegründet und war in einer sozialistischen Jugendgruppe. Das Rebellische ist Teil von Andreas Mösli.
Der Fussballfan wuchs in einer Arbeitersiedlung im Winterthurer Stadtteil Wülflingen auf, die familieneigene Migrationsgeschichte prägte ihn. Harte Rockmusik war sein Ding und Ende der 1970er-Jahre dann Punk: laut, roh, unpoliert. «Punk ist für mich eine Lebenseinstellung. Er steht für Selbstbestimmung und eine kri­tische Haltung gegenüber dem Etablierten.» Der gelernte Maschinenzeichner konnte aber mit dem «no future»-Gebaren der Szene nie viel anfangen. Im Gegenteil: «Ich will mitgestalten. Klar, früher wollte ich die Welt verändern. Heute bin ich Realist und setze mich lokal ein – so auch seit 20 Jahren in der Geschäftsleitung des FC Winterthur; für mehr Respekt, Toleranz und Weltoffenheit.»

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