Schwebender Schwung

Schwungräder können Schwankungen im Stromnetz stabilisieren. Das Start-up Levron Dynamics bringt die Technologie auf eine neue, magnetisch schwebende Ebene.

Text: Patrick Steinemann / Illustration: Sarah Mazzetti | aus dem Magazin «ZH» 1/2024

Illustration zum Start-Up Levron Dynamics

Rotierende Massen können mit ihrer Bewegung als ideale Energiespeicher und -lieferanten dienen: Dies wurde schon im Altertum erkannt und genutzt, etwa bei Töpferscheiben, die sich möglichst regelmässig drehen sollen. Das zentrale Element dabei: ein Schwungrad, das – einmal in Bewegung gesetzt – seine Energie nach und nach wieder abgeben und auch Schwankungen beim Verbrauch ausgleichen kann. Schwungräder drehen sich auch ein paar tausend Jahre später noch – und bekommen gerade einen neuen Drall. Mittendrin: Ein Start-up namens Levron Dynamics und sein Mitgründer Alex Korocencev. Doch was hat ein junger Forscher im 21. Jahrhundert mit einem uralten Prinzip der Physik zu schaffen?

Die Erklärung führt zurück zu den bereits erwähnten Schwankungen: Diese spielen auch beim Übergang von den fossilen zu den erneuer­baren Energien eine entscheidende Rolle. «Wenn Fotovoltaikanlagen und Windräder nur unregelmässig Energie produzieren und sich gleichzeitig der Verbrauch ständig ändert, sind Schwankungen im Stromnetz vorprogrammiert», erklärt Korocencev. «Die Stromfrequenz muss aber immer möglichst konstant gehalten werden, sonst droht ein Netzzusammenbruch.» Und genau hier kommen die Schwungräder wieder ins Spiel: Gekoppelt mit Generatoren können sie durch rasch wechselnde Energieabgabe und -aufnahme das Stromnetz im Gleichgewicht halten.

Forschungspreise und ein Patent

Levron Dynamics befasst sich jedoch nicht in erster Linie mit dem eigentlich einfachen Funktionsprinzip der Schwungräder, sondern mit ihrem scheinbar unumgehbaren Problem – dem Reibungsverlust durch die mechanische Lagerung: Irgendwann steht jedes Schwungrad still, wenn keine neue Energie zugeführt wird. «Dieses Problem kann allerdings minimiert werden, wenn das Schwungrad magnetisch zum Schweben gebracht wird und sich in einer Vakuumkammer fast ohne Widerstand dreht», sagt Korocencev. Magnetisches Schweben? Schräg, würden wohl die meisten denken. «Cool!», sagt jedoch Alex Korocencev schon als Schüler. Er vertieft sich in die Technologie, entwickelt ein «Jugend forscht»-Projekt, gewinnt Forschungsmeisterschaften für junge Wissenschafter – und meldet sogar ein Patent an in diesem Bereich. Ein von ihm mit Kollegen entwickelter Prototyp – ein schwebendes «Hoverboard» – schafft es sogar als Exponat ins Futurium-Museum in Berlin.

Ergänzung zu Batterien

Ein paar Jahre später studiert Korocencev an der Universität Basel Physik, trifft auf gleich gesinnte Mitstudenten, neue Energiethemen – und die Kombinationsmöglichkeit von Schwungrad und Schwebetechnologie. Die jugendlichen Forschungen werden ins Erwachsenenalter überführt, ein Labor wird dank einer Finanzierung durch die Gebert Rüf Stiftung mit kleinformatigen Prototypen bestückt und ein studentisches Start-up mit einem Namen versehen: Levron Dynamics. «Unsere Technologie ist als Ergänzung zu anderen Energiespeichern gedacht», sagt Korocencev. «Während Stauseen für längere Speicherdauern ausgelegt sind, können unsere mit 20’000 bis 50’000 Umdrehungen pro Minute rotierenden Schwungräder im Millisekundenbereich wechseln von Energieabgabe zu -aufnahme und so Hochfrequenzschwankungen im Stromnetz ausgleichen.»

Mittlerweile ist Levron Dynamics in ein Labor an der ETH Zürich gewechselt. Die sieben Physik-, Maschinenbau- und Elektrotechnikstudenten arbeiten daran, ein funktionierendes Design ihres Schwungrades zu entwerfen, um so den nächsten Schritt ins Unternehmertum zu machen. Zudem haben sie Anschluss gefunden ans Mentoring-Netzwerk der ZKB. Als eine der grössten Start-up-Förderinnen der Schweiz betreibt sie im Innovationspark Zürich einen Co-Working-Space für Jungunternehmen: das Büro Züri Innovationspark. Dort können die Jungunternehmer von Levron Dynamics vom Know-how anderer Start-ups und erfahrenen Unternehmern profitieren. Das Prinzip aus dem Altertum ist mit schwebendem Schwung definitiv in der Neuzeit angekommen.

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