Bodenschätze
Wir sehen eine Blumenwiese, Pflastersteine oder einfach nur Betonboden. Wenig augenfällig sind oft die Schätze, die der Boden birgt. Dabei sind diese von ökologischem, wirtschaftlichem, aber auch historischem und sozialem Wert für den Kanton Zürich und seine Bevölkerung.
Text: Rahel Perrot / Bilder: Patrik Fuchs | aus dem Magazin «ZH» 2/2023
Lehmgrube
Das Ziegelhandwerk hat im Kanton Zürich eine lange Tradition. Ausgrabungen und Funde lieferten Hinweise, dass bereits die Römer Ziegel herstellten. Später waren es vor allem Klöster und Städte, die ab dem 12. Jahrhundert Ziegeleien betrieben. Vom ausgehenden Mittelalter bis in die Neuzeit entstanden im Kanton drei Zentren der industriellen Ziegelherstellung: in der Region Winterthur-Embrach, im Gebiet um Bonstetten-Wettswil und in der Stadt Zürich am Fuss des Uetlibergs. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren im Kanton Zürich über 40 Ziegeleien tätig, heute sind es noch deren zwei mit Sitz im Kanton. Für die Produktion von Backsteinen und Dachziegeln eignen sich tonreiche Ablagerungen. Solche Lehmvorkommen finden sich besonders in Rafz. Die dort 1863 gegründete Ziegelei war bis 2015 in Betrieb. Ein Gestaltungsplan für die Weiternutzung des Areals ist derzeit in Arbeit. Derweil wird es von verschiedenen gewerblichen Mietern genutzt.
Zeitzeugen
Am Rande des Lindenhofs in der Zürcher Altstadt geht es über eine Bodenklappe hinab in den Lindenhofkeller. Darin befinden sich Artefakte aus 1800 Jahren Zürcher Siedlungsgeschichte. Der Lindenhof war einst Brennpunkt und Machtzentrum der städtischen Siedlung. Im Keller zu sehen sind zum Beispiel Gemäuer eines Hauses der Römersiedlung Turicum, Überreste der Mauern des Kastells, das die Römer im 4. Jahrhundert hier errichteten, oder Mauerreste der Königspfalz, einer burgähnlichen Palastanlage, in der im Mittelalter Kaiser und Könige Hof hielten. Die Römer waren jedoch nicht die Ersten, die hier siedelten: Ausgrabungen im Rennwegquartier belegen, dass beim Lindenhofhügel schon im 1. Jahrhundert vor Christus eine keltische Siedlung existierte. Wer selbst auf Entdeckungstour im Untergrund gehen will, kann den Schlüssel zum Lindenhofkeller im Stadthaus kostenlos gegen Depot eines Ausweises ausleihen.
Seebewohner
Der Zürichsee bietet Lebensraum für zahlreiche Fischarten. Darunter sind auch drei zu finden, die nur im Zürichsee und im Walensee vorkommen. Die beiden Seen sind über den Linthkanal miteinander verbunden. Die drei Fischarten sind der Grunder (Coregonus duplex), der Hägling («Albeli», Coregonus heglingus) und der Blaalig (Coregonus zuerichensis). Der Letztgenannte trat ursprünglich endemisch auch im Pfäffikersee und Greifensee auf. Nebst diesen Sonderlingen tummeln sich auch weitere Fischarten wie der Egli. Er ist einer der beliebtesten Speisefische und macht zahlenmässig den grössten Anteil im Zürichsee aus. Dem gegenüber steht die Seeforelle, die stark gefährdet ist. Der Wels stellt mit seinen bis zu zwei Metern Länge die grösste Fischart dar. Ein «Neuzugang» im Zürichsee ist der Sonnenbarsch: Mit seinen glitzernden Schuppen als Zierfisch aus Nordamerika eingeführt, hielt er um 1900 in hiesigen Gewässern Einzug.
Steuerungszentrale
Bäume sind empfindsame Wesen. Ihre Wurzeln erstrecken sich oft weiter als ihre Kronen und dienen nicht nur der Stabilität und der Versorgung mit Wasser. Vielmehr steuern sie das Verhalten des gesamten Baumes. Charles Darwin verglich sie mit Regenwürmern, die sich vorantasten auf der Suche nach geeignetem Boden, in dem sie Wasser und Nährstoffe finden. In seiner Forschung entdeckte er, dass in den Wurzelspitzen Reize ähnlich wie in den Gehirnen weniger entwickelter Tiere verarbeitet werden. Heute weiss man von über 20 verschiedenen Parametern, die von Wurzeln wahrgenommen und analysiert werden. So schliesst der Baum etwa bei Trockenheit die Spaltöffnungen aller Blätter oder produziert Giftstoffe gegen Schädlinge. Über Pilzgeflechte im Boden steht er mit anderen Bäumen in Kontakt und tauscht Informationen aus. Über dieses Netzwerk leitet der Baum auch Wasser und Nährstoffe an schwächelnde Artgenossen weiter.
Kohleabbau
Mit einer Stollenlänge von 80 km ist das Bergwerk Käpfnach schweizweit das grösste seiner Art. Käpfnach und das kleinere Bergwerk Riedhof sind die beiden einzigen Kohlevorkommen des Kantons Zürich, die von wirtschaftlicher Bedeutung waren. Die ersten schriftlichen Zeugnisse eines Kohlevorkommens in Käpfnach datieren aus der Zeit um 1548. Von 1784 bis 1911 wurde im Auftrag der Zürcher Regierung Kohle abgebaut. Während des Zweiten Weltkriegs erfolgte ein erneuter und letztmaliger Abbau und es wurden insgesamt rund 55’500 Tonnen Kohle zutage gefördert – etwa vier Prozent der gesamtschweizerischen Fördermenge dieser Zeit. Seit 1982 engagiert sich der Verein Bergwerk Käpfnach dafür, die Geschichte des Bergbaus in Horgen zu vermitteln und das Bergwerk als Denkmal der Industriekultur zu erhalten. Ein Teil der Stollenanlagen steht Besucherinnen und Besuchern offen und kann auf einer 1,4 km langen Bahntrasse befahren werden.
Wildbienengarten
Was bis Frühsommer 2022 als Zufahrt und Parkplatz genutzt wurde, ist nun Heimat von Bienen, anderen Insekten und über 150 grösstenteils einheimischen Pflanzenarten. Die Fläche vor der Geschäftsstelle Hard der Zürcher Kantonalbank dient der Biodiversität und einem angenehmen Stadtklima. Rund 400 m2 Asphalt wurden entsiegelt und mit einem speziellen Kies-Sand-Gemisch belegt. Gemäss dem Prinzip der «Schwammstadt» speichert eine solche Schicht Regenwasser besonders gut. An heissen Tagen verdunstet das Wasser und sorgt für Kühlung. Gemeinsam mit Kompass B hat die Zürcher Kantonalbank die Umgebung von 18 betriebseigenen Standorten naturnah gestaltet. Zudem unterstützt sie verschiedene Biodiversitätsprojekte im Kanton Zürich, aktuell die Revitalisierung der Jonen bei Rifferswil. Bis zum 1. September 2023 informiert eine Ausstellung an der Zürcher Bahnhofstrasse 9, wie jede und jeder Einzelne die Biodiversität fördern kann.
Goldwaschplatz
Zwischen Kies und Schlamm kommen sie zum Vorschein: millimetergrosse Goldstückchen. Beim Goldwaschen im Kanton Zürich geht es weniger um den Geldwert des Fundes als vielmehr um das Erlebnis in der Natur. Ein beliebter Ort ist das Ufer des Fuchslochbachs beim Drechslereimuseum Kleintal. An einem guten Tag finden geübte Schürferinnen und Schürfer zwei bis drei Gramm Gold. Doch Goldschürfen ist Schwerstarbeit. Wer das Handwerk mit der Goldwaschpfanne ausprobieren will, kann es an Tageskursen lernen und sein Glück versuchen. Da Goldwaschen als Freizeitbetätigung zunehmend beliebter wird, haben das Amt für Landschaft und Natur (ALN) und das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL)Bestimmungen erlassen: So sind nur gewisse Abschnitte des Rheins, der Thur und der Töss fürs Goldwaschen freigegeben. Zwischen Oktober und April darf nicht geschürft werden, um die Fortpflanzung der Fische nicht zu stören.
Blindenleitsystem
Manch einer Person fallen die weissen Linien im Hauptbahnhof Zürich gar nicht (mehr) auf. Das Bodenleitsystem hilft blinden und sehbehinderten Menschen, sich mithilfe eines Blindenstocks selbstständig, einfacher und sicherer zu bewegen. Leitstreifen führen zu wichtigen Zielen, wie etwa Aus- und Eingängen, Treppen oder Aufzügen. Aufmerksamkeitsfelder weisen beispielsweise auf Verzweigungen oder Richtungswechsel hin, markieren Orte, an denen eingestiegen wird, oder warnen vor Hindernissen. Gemäss dem Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen und der Verordnung über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs müssen alle öffentlich zugänglichen Einrichtungen des Verkehrssystems barrierefrei sein. Das Bodenleitsystem im Hauptbahnhof Zürich gibt es bereits seit 30 Jahren. 2015 wurde es vom Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband ausgezeichnet.