Es ist das Jahr 1869, als der Tösstaler Johann Jakob Keller die Grundidee einer Staatsbank mitentwickelt – es entsteht das Kantonalbankgesetz. Sinnhaftigkeit pur.
Jörg Müller-Ganz: In der Tat. Jede Zeit hat ihre übergrossen Figuren; nur über wen Jahrhunderte später noch geredet und geschrieben wird, ist nicht vergessen. Bankvater Keller – wie es mitunter heisst – war Politiker und zugleich Unternehmer mit dem Blick für jene, die keine Bank für Kredite oder Sparen hatten – und das war tatsächlich die breite Masse der Zürcher Bevölkerung. Es machte deshalb damals ausgesprochen Sinn, per Verfassung eine Institution genau auch für solche Aufgaben ins Leben zu rufen: eben die Zürcher Kantonalbank. Doch muss jede Institution sich erst einmal auch bewähren und sich dann im Verlaufe so im Markt beweisen, dass sie zu einem besonderen Ruf gelangt und sich eine Erfolgsgeschichte konstatieren lässt. Spätere Gesetzesrevisionen brachten Erweiterungen der Ursprungsaufgaben mit sich, doch der Zweckartikel im Kantonalbankgesetz blieb im Kern erhalten, wonach die Zürcher Kantonalbank einerseits Anlage- und Finanzierungsbedürfnisse durch eine kontinuierliche Geschäftspolitik befriedigen und andererseits zur Lösung volkswirtschaftlicher und sozialer Aufgaben im Kanton Zürich beitragen soll.
Urs Baumann: Die über 150-jährige Geschichte der Zürcher Kantonalbank zeigt, dass man ein Unternehmen im Dienst der Gesellschaft erfolgreich aufbauen und weiterentwickeln kann. Seit der Gründung fordert der Gesetzgeber von ihr das breite Dienstleistungsangebot einer Universalbank. Der Leistungsauftrag, ursprünglich als Versorgungsauftrag definiert, wurde später um die beiden Elemente Unterstützungsauftrag und Nachhaltigkeitsauftrag ergänzt. Dieser umfassende Leistungsauftrag ist ein klares Alleinstellungsmerkmal unter den Banken am Platz. Der ZKB wurde es so immer wieder möglich, sich an veränderte Kundinnen- und Kundenbedürfnisse und auch gesellschaftliche Belange anzupassen. Warum Johann Jakob Keller heute stolz wäre: Die Bank ist mit einer Marktdurchdringung von rund 50 Prozent bei Privat- und Firmenkunden Marktführerin im Kanton Zürich. Mit 400 Ausbildungsplätzen ist sie eine der grössten Lehrbetriebe und mit etwa 6’000 Mitarbeitenden eine bedeutende Arbeitgeberin im Kanton. Dies als Beispiele.
Kanton und Bank – welche Beziehung führen sie?
Jörg Müller-Ganz: Es ist eine ganz besondere partnerschaftliche, fast schon «siamesische Zwillings-Beziehung»: Denn die gegenseitige Stärkung der beiden Partner ist Teil der Zürcher Prosperität. Dass sich Zürich zu einer der weltweit wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen mit Wohlstand für die ganze Bevölkerung entwickeln konnte, ist auch die Folge des blauweissen Zusammenspiels zwischen dem Kanton und seiner Bank. Übrigens untersteht die Bank direkt dem Kantonsrat – dem Parlament – und nicht dem Regierungsrat. Auch das ist besonders. Die Zürcher Kantonalbank ist keine Aktiengesellschaft, sondern eine Institution des öffentlichen Rechts, wobei der Kantonsrat die Oberaufsicht und somit die Rechte einer Generalversammlung wahrnimmt. Diese besondere Rolle des Kantons diszipliniert und ist vermutlich ein relevanter Grund dafür, warum die ZKB mit Ausnahme des Gründungsjahrs – in welchem sämtliche Initialinvestitionen auf einmal abgeschrieben wurden – noch nie Verlust geschrieben hat.
Was bedeutet es noch, die ZKB zu sein?
Urs Baumann: Unser Eigentümer ist der Kanton und damit gehören wir den Zürcherinnen und Zürchern – die ZKB hat allein deshalb stets ein Hort der Stabilität zu sein. Vom Erfolg der Zürcher Kantonalbank profitieren alle: Die Bank schüttet jedes Jahr einen bedeutenden Anteil des Reingewinns an den Kanton und an seine Gemeinden aus. Zuletzt war es abermals ein Rekordbetrag von 528 Millionen Franken. In den vergangenen zehn Jahren belief sich die Ausschüttung auf gesamthaft über vier Milliarden Franken. Zudem wollen wir innerhalb unseres Leistungsauftrags jährliche Aufwendungen in der Höhe von 100 bis 120 Millionen Franken erbringen, die nicht rein gewinnorientiert sind – 2023 wurde dieses Ziel mit über 161 Millionen Franken übertroffen. Diese Leistungen dienen der Versorgung, der Unterstützung und der nachhaltigen Entwicklung. Die Zürcherinnen und Zürcher kennen uns besonders auch von unserem breiten Engagement. Apropos Unterstützungsauftrag: Wir sind der grösste Sponsor in unserem Kanton, unterstützen mit erheblichen Beiträgen zahlreiche Organisationen, Kultur- und Sportanlässe, Umwelt und Tierwelt. Über 400 Sponsoring-Engagements sind es, dazu gehören der Zoo Zürich oder das Nachtnetz des Zürcher Verkehrsverbunds. Wir fördern ebenso Künstlerinnen und Künstler mit Bezug zum Kanton. Vor allem prägen wir auch die Zürcher Bildungs- und Innovationslandschaft und gehören zu den grössten Start-up-Finanzierern der Schweiz. Wir tun also markant etwas für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Lebensqualität und die Wettbewerbsfähigkeit Zürichs. Wir sind schon eine sehr besondere Bank. Und im Grunde sind wir mehr als eine Bank.
Eben weil dem Leistungsauftrag jene Dreiteilung innewohnt. Der Unterstützungsauftrag ist beschrieben, es gibt dazu den Versorgungsauftrag als besonders wichtigen Bestandteil und den Nachhaltigkeitsauftrag. Bitte erklären Sie.
Jörg Müller-Ganz: Die Zürcher Kantonalbank wurde vor 154 Jahren mit einem Zweck gegründet: als Versorgerin der Zürcher Bevölkerung und Wirtschaft umfassende Bankdienstleistungen anzubieten, seit 1997 mit allen Geschäften einer Universalbank; dazu gehören natürlich Bankbasisdienstleistungen wie Zahlungsverkehr, Sparen, Anlegen und Finanzieren; zudem aber auch Spezialitäten wie Kapitalmarktzugang, Asset Management, Handel, Wertschriftenverwahrung, Investitionsgüterleasing, Kreditsyndizierung oder Exportfinanzierungen. Als Universalbank erbringt die ZKB diese Services für private Personen aller Vermögensklassen sowie für alle Unternehmensgrössen, vom KMU bis zu börsenkotierten Grossunternehmen und institutionellen Anlegern wie Pensionskassen. Wir begleiten Kundinnen und Kunden hierbei ein Leben lang: physisch in unseren – niemand hat mehr im Kanton – 51 Filialen, die wir bis 2030 modernisieren werden, und digital zu jeder Sekunde. Im Besonderen berücksichtigt die Bank die Anliegen der kleineren und mittleren Unternehmen sowie jene der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; natürlich schaut sie wie seit der Gründung auch auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft, ebenso auf die der öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Innovative Start-ups fördern wir wie sonst niemand im Land. Wohneigentum und der preisgünstige Wohnungsbau spielen innerhalb unseres Versorgungsauftrags ebenfalls eine gewichtige Rolle. Also: Stets aufs Neue setzen die Mitarbeitenden der Bank den Versorgungsauftrag innovativ, verantwortungsvoll und leidenschaftlich um.
Urs Baumann: Nachhaltigkeit – und damit meine ich ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit – wird bei uns als integriertes Geschäftsprinzip umgesetzt. Kurz definiert: Nachhaltigkeit meint bei der ZKB, erfolgreiches wirtschaftliches Handeln und die Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft dauerhaft in Einklang zu bringen. Wir orientieren unsere Ambitionen an den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, gestalten also Nachhaltigkeitsthemen aktiv, wollen bei nachhaltigen Angeboten führend sein, begleiten unsere Kundinnen und Kunden in eine nachhaltige Zukunft. Es ist unsere Überzeugung, dass unsere Nachhaltigkeitsambitionen ein wesentlicher Treiber unserer erfolgreichen und auf Kontinuität ausgerichteten Geschäftstätigkeit sind. Der Weg in eine nachhaltigere Zukunft braucht Unternehmertum, also Innovationskraft. In dieser Transition setzen wir auf zwei Hebel: Einerseits fördern wir neue Nachhaltigkeits- und Klimainnovationen, beispielsweise durch unsere Start-up-Finanzierung und Private-Equity-Lösungen, andererseits begleiten wir unsere Firmen- und Privatkunden mit unseren nachhaltigen Angeboten im Anlage- und Finanzierungsgeschäft. Gerade erst haben wir den ZKB Nachhaltigkeitsstandard im Anlagegeschäft lanciert und im Finanzierungsgeschäft die Klima- und Ressourceneffizienzberatung für unsere KMU – das Rückgrat unserer Wirtschaft. Selbstverständlich leben wir auch im eigenen Betrieb Nachhaltigkeit vor. So haben wir nun Diversity-&-Inclusion-Ziele implementiert – und punkto Klima: Die Bank hat ihre betrieblichen Treibhausgasemissionen seit 2010 um über 70 Prozent gesenkt, und sie strebt nun bis 2030 Netto-Null an.
Jörg Müller-Ganz: Die strategische Frage, wie sich ein Unternehmen entwickeln muss, um ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltig erfolgreich zu bleiben, ist eine zentrale Aufgabe des obersten Unternehmensorgans; bei der Zürcher Kantonalbank übernehmen sie das vom Kantonsrat gewählte Bankpräsidium und der Bankrat – er erläutert die Geschäftstätigkeit der Bank und nimmt die Anliegen des Kantonsrats auf. Dass wir mit allen unseren Anspruchsgruppen in ständigem Dialog sind – auf politischer Ebene eben besonders mit den Kantonsrätinnen und -räten als Vertretern des Eigentümers, wie auch mit dem Zürcher Regierungsrat, den Gemeinden und den Zürcher National- und Ständeräten –, ist wesentlich, um die Zürcher Kantonalbank in eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft zu führen: Ja, wir wollen als die «nachhaltige nahe Bank» die Kundinnen und Kunden in eine nachhaltige Zukunft zu Netto-Null begleiten, wir wollen sie aber nicht zur Nachhaltigkeit zwingen. Unsere Angebotspalette bleibt breit. Nachhaltig ist es übrigens auch, ein motivierendes und erfüllendes Arbeitsumfeld vorweisen zu können. Tun wir.