Sinn stiften

Denen geben, die nicht so viel haben oder dort in die Lücke springen, wo es sonst niemand tut: Der Wunsch, mit Geld etwas Gutes zu tun, scheint zutiefst menschlich. Der Kanton Zürich kann auf eine lange Tradition der Philanthropie zurückblicken. Anfang Jahr schlug er ein neues Kapitel im Bereich der gemeinnützigen Förderstiftungen auf.

Text: Rahel Perrot / Illustration: Bratislav Milenkovic | aus dem Magazin «ZH» 1/2024

2,5 Milliarden Franken: So viel hat die Schweizer Bevölkerung 2022 an gemeinnützige Organisationen gespendet – ein Rekord. Gemäss Spenden­report 2023 von Swissfundraising und der Stiftung Zewo ist dies das dritte Mal in Folge, dass in der Schweiz mehr als 2 Milliarden Franken gespendet wurden. Es entspricht einem langjährigen Trend, dass immer mehr Haushalte mit ihrem Geld etwas Gutes tun wollen: Sei dies aus einem Gefühl der sozialen Verantwortung heraus oder als Ausdruck der eigenen Werte und Überzeugungen. Heutzutage gibt es nebst dem klassischen Spenden vielfältige Möglichkeiten, wie mit Geld Institutionen, Projekte, Gruppen oder auch Privat­personen unterstützt werden können. Wer einen Teil seines Vermögens für einen gemeinnützigen Zweck einsetzen will, kann dies beispielsweise in Form einer Stiftung tun.

Gemeinnützig über das eigene Leben hinaus

Schweizweit gab es im vergangenen Jahr insgesamt 308 Stiftungsgründungen. Oft entstünden Stiftungen im Rahmen einer Nachlassplanung, sagt Hansjörg Schmidt, Leiter Key Clients Stiftungen bei der Zürcher Kantonalbank. «Eine Stiftung kommt vor allem infrage, wenn jemand einen bestimmten Zweck über lange Zeit verfolgen möchte. Das kann der Betrieb eines Museums sein oder die Unterstützung von Bedürftigen.» Die ZKB berät bei der Gründung und Verwaltung von Stiftungen. Ihre Mitarbeitenden verfügen über langjährige Erfahrung und ein breites Netzwerk im Schweizer Stiftungssektor.

Der Stiftungszweck sollte so formuliert sein, dass er langfristig auch unter veränderten gesellschaftlichen und technologischen Umständen Sinn ergibt. Da beim Führen einer Stiftung laufende Kosten für Administration, Aufsicht, Revision oder Vermögensverwaltung anfallen, gibt es eine Untergrenze, die das Stiftungsvermögen nicht unterschreiten sollte. «Wir empfehlen, mindestens fünf Millionen Franken einzusetzen», sagt Schmidt. «Zudem müssen einige amtliche Formalitäten berücksichtigt werden. Dazu gehören etwa die Bestimmung von Stiftungssitz und Aufsichtsbehörde, der Handelsregistereintrag sowie die Beantragung der Steuerbefreiung», merkt der Experte an. «Es lohnt sich daher, sich bei der Gründung professionell beraten zu lassen.» Alternativ gäbe es auch die Möglichkeit, eine Substiftung innerhalb einer Dachstiftung einzurichten, beispielsweise bei der ZKB Philanthropie Stiftung, welche die Zürcher Kantonalbank Anfang 2024 gegründet und mit 25 Millionen Franken alimentiert hat (siehe Box). «Dabei entstehen weniger Kosten als für eine eigenständige Stiftung, sodass sie sich bereits mit etwa einer Million Franken Kapital realisieren lässt», sagt Schmidt.

Illustration zum Thema Spenden
2022 spendete die Schweizer Bevölkerung über 2,5 Milliarden Franken an gemeinnützige Organisationen.

Bedeutende Wirkung für die Gesellschaft

Der Schweizer Stiftungssektor wächst konstant: In den letzten zehn Jahren hat sich das Stiftungsvermögen beinahe verdoppelt. 2023 belief es sich auf knapp 140 Milliarden Franken. Die Bedeutung von Stiftungen für das Gemeinwohl ist daher nicht zu unterschätzen, schütten diese doch geschätzt zwischen 2 und 2,5 Milliarden Franken pro Jahr aus. «Vom Volumen her sind sie Nischenplayer, machen aber oft den

Unterschied», sagt Beate Eckhardt. Sie ist ehemalige Geschäftsführerin des Verbandes der Schweizer Förderstiftungen SwissFoundations und heute selbstständige Beraterin, unter anderem für den Kanton Zürich. «Das Stiftungswesen ist nah an der gesellschaftlichen Entwicklung und nimmt Impulse aus der Gesellschaft auf», sagt Eckhardt. Gemäss dem Schweizer Stiftungsreport 2023 von SwissFoundations und den Universitäten Basel und Zürich stehen bei den Tätigkeitsbereichen der Stiftungen die Bereiche Kultur und Freizeit, Forschung und Bildung sowie Sozialwesen an erster Stelle. In den letzten zehn Jahren legte zudem der Bereich Umweltschutz deutlich zu.

Zürich: attraktiver Stiftungsstandort

Trotz steigendem Stiftungsvermögen, der Sektor erlebt seit ein paar Jahren eine Kon­soli­dierung. Im vergangenen Jahr gab es mit 220 Liquidationen so viele wie noch nie. «Nicht jede Stiftung, die gegründet wird, ist auch sinnvoll», sagt Eckhardt. «Kleine Stiftungen mit geringem Kapital sind in einer grösseren Dachstiftung teils besser aufgehoben und können dort mehr bewirken. Eine gewisse strukturelle Bereinigung ist somit in Ordnung.»

Mit über 2’200 gemeinnützigen Stiftungen ist der Kanton Zürich der bedeutendste und grösste Stiftungsstandort der Schweiz. Trotzdem können die Neugründungen die Liquidationen seit einigen Jahren nicht mehr wettmachen. So beschloss der Zürcher Regierungsrat auf Initiative von Regierungsrätin Carmen Walker Späh Anfang 2023 Massnahmen zur Stärkung des Sektors. Ein Kernanliegen betraf die Verbesserung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen. Dieses wurde im Februar 2024 in die Tat umgesetzt: Neu dürfen gemeinnützige und damit steuerbefreite Stiftungen im Kanton Zürich sowohl ihre Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte angemessen honorieren als auch international tätig sein, sofern ihre Aktivitäten aus gesamtgesellschaftlicher Sicht als fördernswert erscheinen. Zudem ist die Fördertätigkeit nicht nur auf À-fonds-perdu-Beiträge und Darlehen beschränkt, sondern es sind auch Impact Investments möglich. Voraussetzung ist, dass Stiftungen dort tätig sind, wo es noch keinen Markt gibt – sie also keine Konkurrenz für nicht steuerbefreite Investoren sind. Zudem müssen die an die Stiftung zurückfliessenden Mittel wieder für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. «Dank der neuen Praxis wird der Stiftungsstandort Kanton Zürich einer der innovativsten und stiftungsfreundlichsten der Schweiz – wenn nicht sogar international», sagt Regierungsrätin Walker Späh. Sie freue sich daher sehr über diese nachhaltige Stärkung.

Illustration zum Thema Legate
Seit der Erbrechtsrevision können Erblassende über die Hälfte ihres Nachlasses frei verfügen - auch in Form von Legaten.

Vernetzt wirken: digitale Philanthropie

Der Stiftungssektor modernisiert sich. Eine wichtige Treiberin dafür ist nicht zuletzt auch die Digitalisierung. Sich diese zunutze machen will die Plattform stiftungschweiz.ch. Sie richtet sich an gemeinnützige Organisationen und deren Förderer. «Wir stellen die nötigen Informationen, digitalen Werkzeuge und passenden Dienstleistungen für eine wirkungsvolle, gut vernetzte und transparente Philanthropie bereit», erklärt Claudia Dutli, Verantwortliche für Kommunikation bei stiftungschweiz.ch. Dabei gehe es darum, Sichtbarkeit und Transparenz des Sektors zu erhöhen. Das wiederum sorge für mehr Effizienz und letztlich mehr Wirkung. «In der Schweiz existieren mehr als 13’000 Stiftungen, aber nur die wenigsten verfügen über eine eigene Website», sagt Dutli. Der Nachteil davon: «Man weiss nur wenig über diese Stiftungen und ihre Fördertätigkeiten. Das hat zur Folge, dass viele unpassende Gesuche gestellt werden, die ins Leere führen.»

Auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Philanthropie ist ein Thema. So startete stiftungschweiz.ch jüngst ein Projekt zum Entwickeln von Prototypen und Fallbeispielen, wie KI die Arbeit von Stiftungen effizienter machen könnte. Das Novum hierbei: «Zum ersten Mal sitzen Förderer und Geförderte an einem Tisch und erarbeiten gemeinsam Lösungen für ihre Bedürfnisse», erklärt Dutli. Stiftungschweiz.ch sei wichtig, dass der Sektor wegkomme von Insellösungen, wobei jeder bei null anfange und allein für sich schaue. «Eine verstärkte Zusammenarbeit ist gefragt – zum Wohle der gesamten Stiftungslandschaft.» Dem pflichtet Beraterin Beate Eckhardt bei. Auch sie plädiert für mehr Kooperation zwischen den Stiftungen: «Einen grossen Hebel für den Sektor sehe ich in Finanzierungskonsortien und der

Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand», sagt sie. «Wir müssen die Lücken schliessen, derer sich sonst niemand annimmt. Und wir müssen diese wertvolle Arbeit nach aussen tragen und darüber sprechen.»

Illustration zum Thema Nachhaltige Anlagen
Wem neben einer Rendite auch ESG-Kriterien wichtig sind, kann sich für nachhaltige Anlagen entscheiden.

Gutes tun mit Geld

Spenden

Der Klassiker schlechthin, da heutzutage unkompliziert auch mobil mit wenigen Klicks und bereits mit kleinen Beträgen möglich. Wichtig ist zu beachten, an wen gespendet wird. Die begünstigten Organi­sa­tionen sollten trans­parent über ihre Mittelverwendung und ihre administrativen Kosten informieren, damit sich die Spenden­den ein gutes Bild über die erzielte Wirkung ihrer Spende machen können.Interessant: Spenden an gemein­nützige Organi­sationen können von den Steuern abgezogen werden, im Umfang von maximal 20 Prozent des Netto­einkommens pro Jahr gemäss Steuererklärung. Für den Abzug notwendig ist eine Spendenbescheinigung, ausgestellt von der jeweiligen Organisation.

Legate

Mit dem neuen Erbrecht ist es seit 2023 möglich, über mindestens 50 Prozent seines Nachlasses frei zu verfügen. Legate, auch Vermächtnisse genannt, können Geldbeträge, Immobilien, aber auch Gegen­­stände sein, die nach dem Tod einer Person oder einer Organisation vermacht werden. Dies im Gegensatz zu einer Erbschaft, welche eine bestimmte Quote eines Nachlasses umfasst. Im Testament muss das Legat klar als solches benannt werden, um es vom Erbe unter­scheiden zu können. Wichtig sind zudem eine möglichst präzise An­gabe der Begünstigten sowie die Nennung eines allfälligen Ersatzempfängers. Die Erbteilung ist Sache der Erben. Es empfiehlt sich daher, für die Testamentsaufsetzung so­wie für die Willensvollstreckung eine Fachpersonen zurate zu ziehen. 

Nachhaltige Anlagen

Wer neben einer wirtschaftlichen Rendite auch ESG-Kriterien berücksichtigt haben möchte, kann sein Geld nachhaltig anlegen. Aktive Anlagelösungen der Zürcher Kantonalbank – nament­lich Ver­mögensverwaltungs­man­date und Anlagefonds – folgen dem ambi­tio­nierten ZKB-Nachhaltigkeits­standard. Er umfasst die systema­tische Berücksichtigung von ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) im Anlage­prozess, den Ausschluss von Geschäfts­tätigkeiten und -praktiken, die in besonderem Masse gegen Nach­haltigkeitsgrundsätze verstos­sen (z.B. thermische Kohle und An­lagen, Waffen), die Reduktion von CO2e-Emissionen, das Ausüben von Aktienstimmrechten sowie den aktiven Dialog mit Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen.

Weitere Infos unter zkb.ch/anlegen

Stiftungsarbeit braucht Kopf, Herz und Hand

Foto von Carolina Müller-Möhl
Carolina Müller-Möhl, Gründerin und Stiftungsratspräsidentin der Müller-Möhl Foundation (Bild: Anne Gabriel-Jürgens)

Weshalb gründeten Sie 2012 die Müller-Möhl Foundation?

Ich war schon lange vor 2012 philanthropisch aktiv. Die Stiftung habe ich dann vor allem gegründet, um den zahlreichen Engagements einen erkennbaren Rahmen zu geben. Die Themenvielfalt soll nicht vom Ziel meiner Aktivitäten ablenken. Alle unsere Projekte sind streng der Zielsetzung meiner Stiftung unterstellt.

Welches Ziel ist das?

Wir verstehen uns als Kompetenz-Hub für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit einem besonderen Augenmerk auf die Gleichstellung der Geschlechter. Unsere Mission ist Veränderung. Denn es ist kein Geheimnis, dass die Schweiz in Sachen Gleichstellung – nicht zu verwechseln mit Gleichberechtigung – im internationalen Vergleich mehr als hinterherhinkt.

Wieso liegt Ihnen dieses Thema am Herzen?

Ganz einfach: Weil ich nicht die einzige Frau am Tisch, im Saal oder an einer ganzen Konferenz bleiben möchte. Zudem zeigen meine Erfahrung und zahlreiche wissenschaftliche Studien, dass gemischte Teams erfolgreicher arbeiten. Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass es auch volkswirtschaftlich wesentlich intelligenter ist, wenn Frauen länger und mehr in den Arbeitsmarkt eingebunden sind. Alles in allem wäre eine Gesellschaft, in der Frauen stärker beteiligt sind, eine ausgewogenere, stabilere und resilientere Gesellschaft.

Was ist Ihr Selbstverständnis als Stifterin?

Stiftungsarbeit bedeutet für mich in erster Linie persönliches Engagement und den Einsatz von Kopf, Herz und Hand. Es geht mir um das Mitdenken, Mitgestalten, Mitarbeiten. Es geht um die aktive Partizipation. Zu meinem Selbstverständnis als Stifterin gehört es, zu vernetzen, Ressourcen zu bündeln und Kooperationen zu fördern. Um gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen, Bewusstsein zu schaffen und konkrete Veränderungen herbeizuführen, setze ich dann auch gerne meine Stimme ein.

Ihre Stiftung gibt es nun seit über zehn Jahren. Worauf sind Sie besonders stolz?

Wir haben in den letzten zwölf Jahren viele spannende und umfangreiche Projekte umgesetzt, vom Schweizer Schulpreis bis zur Initiative für die Individualbesteuerung, die wir im September 2022 erfolgreich bei der Bundeskanzlei eingereicht haben. Am meisten Freude bereitet mir, dass wir nie stillstehen und immer wieder neue Dinge ausprobieren. Bei unserer Arbeit kommunizieren wir über entsprechende Kanäle – Kolumnen, auf Panels und in Reden, aber neuerdings auch über unseren Podcast «Rock & Randale», den wir im Januar lanciert haben. Dort wollen wir mit interessanten Gästen diskutieren, wie es mit Mann und Frau klappen kann. Der Podcast befeuert Veränderungen in Sachen Gleichstellung, reduziert dabei Komplexität und bietet trotzdem beste Unterhaltung.

Zudem gründete die Müller-Möhl Foundation die taskforce4women.

Ja, in den vergangenen Jahren haben wir über 40 Projekte entwickelt und mit verschiedenen Partnern aus Wirtschaft, Kultur und Politik zusammengearbeitet. Dabei hat sich gezeigt, dass es im Bereich Gleichstellung zwar viele kleine Player gibt, aber keine Stiftung, die ihren Fokus daraufsetzt. Als eine Art «Spin-off» der Stiftung haben wir daher gemeinsam mit Gleichgesinnten die taskforce4women als Do & Think Tank ins Leben gerufen. Wir wollen uns gezielter für eine verbesserte Repräsentation und Partizipation der Frauen in der Schweiz einsetzen. Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir konkrete Veränderungen in den sechs Bereichen Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Kultur, Medien und Wissenschaft bewirken. Dabei verfolgen wir einen holistischen Ansatz, arbeiten lösungsorientiert und orientieren uns an unserem skalierbaren Massnahmenprogramm, welches auf wissenschaftlichen Erken­nt­nissen beruht.

Ihnen sind Vernetzung und die Zusammenarbeit mit Partnern sehr wichtig. Wieso?

Auf jeden Fall muss Zusammenarbeit ein Teil der Schweizer Stiftungslandschaft sein! Nur in Kooperation mit anderen Organisationen kann man wirklich nachhaltig Veränderung bewirken. Wir wollen mit Workshops, Round Table und kleinen, feinen Events den leider oft fehlenden Austausch zwischen verschiedenen Wissens- und Entscheidungsträgern ermöglichen.

taskforce4women.ch/podcast

Kategorien

ZH Ausgewählte Themen