Wenn die Idee Kapital braucht

Start-ups brauchen Investoren für den Aufbau des Geschäfts. Die Investitionen sind riskant, bei erfolgreichen Start-ups aber lukrativ. Das macht sie auch für potente Privatanleger interessant.

Text: Daniel Stehula / Illustration: tomas.studio | aus dem Magazin «ZH» 3/2022

Hat ein Start-up Erfolg, sagen Experten gern: «Das Unternehmen fliegt.» Beim Zürcher Start-up Wingtra trifft dies gleich mehrfach zu. Am Hauptsitz in der Nähe des Zürcher Einkaufszentrums Sihlcity dreht sich alles um eine Drohne für Luftbildaufnahmen und Fernerkundung. Die Idee zum Flugkörper der besonderen Art hatten Basil Weibel, Max Boosfeld und Elias Kleimann – sie gründeten Wingtra 2016. Bereits ein Jahr später verkauften sie die ersten Modelle für bis zu 25’000 Dollar. Dank ihrer Erfindung standen die damals 29-jährigen Abgänger der ETH Zürich (ETHZ) und der Hochschule St. Gallen auf der «Forbes»-Liste der «30 unter 30».

Besonders ist die Wingtra-Drohne in mehrfacher Hinsicht: Sie startet senkrecht wie ein Hubschrauber. Sobald sie die geplante Höhe erreicht, kippt sie in die Horizontale. Der flache Körper der Drohne funktioniert als Tragfläche, die Rotoren treiben das Flugobjekt an. Während herkömmliche Drohnen mit der Akkulaufzeit kämpfen, weil die Rotoren die ganze Arbeit leisten müssen, gleitet der Wingtra-Flieger energiesparend durch die Luft und macht Bilder, die Wissen­schafter später auswerten. So entstand etwa bereits ein hoch­präzises digitales 3-D-Modell der Zürcher Innenstadt. Heute sind Wingtra-Drohnen in über 80 Ländern im Einsatz und unterstützen Ingenieure bei der Vermessung von Bauland, Abbau­gebieten von Bodenschätzen oder Siedlungen.

Zurzeit entwickelt das 140-köpfige Wingtra-Team die Drohne weiter. Sie soll einfacher werden, leichter zu bedienen, simpler auszuwerten und ohne spezielle Ausbildung zu nutzen sein. Die Nachfrage ist gross, Investoren unterstützen das Start-up: «Wingtra fliegt.»

Wichtig für Volkswirtschaft

Das beflügelt auch Elias Kleimann, CFO des Unternehmens. Anders als seine Kollegen hat er nicht an der ETH studiert, sondern ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen. Er sagt: «Start-ups sind wichtig für die Volkswirtschaft.» Er beschreibt Wingtra als Teil eines Ökosystems, zu dem auch Investoren und Hochschulen gehören. Es ist kein Zufall, dass die Start-up-Hotspots der Schweiz nahe der ETHs in Zürich und Lausanne (EPFL) liegen – sie wirken als Innovationstreiber.

«Technologischer Fortschritt sorgt für Wohlstand», sagt Kleimann, und Start-ups trieben den Fortschritt am schnellsten voran. «Nirgends lernt man so viel wie in einem Start-up», fügt er hinzu. Deshalb seien auch Jungunternehmer, die scheitern, ein Gewinn für die gesamte Wirtschaft. Denn: «Die Mitarbeitenden haben Fähigkeiten entwickelt, die sie zu Turboladern für das nächste Start-up machen.»

Wachsen dank Finanzierungsrunden

Kleimann erinnert sich an die Anfangszeit von Wingtra. Die Gründer legten ihr Geld zusammen, stellten Praktikanten ein und zogen in einen Raum des Autonomous Systems Lab der ETHZ, wo kurz zuvor die wissenschaftliche Basis zur Drohne gelegt worden war. «Es war bescheiden, aber wir hatten einen Ort zum Arbeiten.»

Es gibt mehrere sogenannte Inkubatoren in der Stadt und im Kanton Zürich, die jungen Start-ups Platz bieten: die Technoparks Zürich und Winterthur, den Runway der ZHAW in Winterthur, den Bluelion Incubator in Zürich, grow in Wädenswil – und geplant wird der Innovationspark auf dem Flugplatz Dübendorf. Daneben gibt es Stiftungen und Förderprogramme, die Start-ups in den Anfängen mit kleineren Beträgen unterstützen.

Denn was ein Start-up von Beginn weg braucht, ist Kapital. Zu Beginn, in der sogenannten «seed stage», finanzieren die Gründer das Projekt mehrheitlich zusammen mit Familie und Freunden aus der eigenen Tasche. Dann führt der Weg zum Erfolg Phase für Phase über mehrere Finanzierungsrunden nach oben. Dabei erhalten die Start-ups nicht selten sechsstellige Beträge, die beispielsweise für die Entwicklung eines Prototyps benötigt werden. Liegt ein solcher vor, fliesst mehr Geld. Ein Drittel der Investitionen entfallen auf die sogenannte «early stage». Mit diesen Mitteln sollen Start-ups erste Absatzerfolge am Markt erreichen.

Danach folgt die sogenannte «growth stage», in der das Start-up grössere Umsätze erwirtschaftet, jedoch weiterhin auf Investorenkapital angewiesen ist. Dieses wird genutzt, um das Wachstum zu beschleunigen und sich für eine Übernahme oder einen Börsengang interessant zu machen. Von diesem sogenannten Exit am Ende des Unternehmensaufbaus träumen Gründer wie Investoren, weil er grosse Summen verspricht – als Belohnung für den jahrelangen Effort.

Auch Know-how ist Gold wert

Bis es so weit ist, sind Start-ups auf die Unterstützung von Investoren angewiesen. «Ohne Geld von aussen hätten wir keine Chance gehabt, Wingtra aufzubauen. Unmöglich», sagt Kleimann. Darüber hinaus war den Jungunternehmern auch fachliches Know-how willkommen. So holte Wingtra früh Business Angels ins Boot: Investoren mit unternehmerischer Erfahrung, die den Gründern beratend zur Seite stehen.

Kleimann sagt, es hätte ihnen nichts Besseres passieren können. Sie waren auf das Kapital angewiesen und profitierten von der Erfahrung der Business Angels. «Wir suchten bei ihnen Rat und sparten Zeit», erinnert er sich. Heute befindet sich Wingtra in der «growth stage»: Das Geld der Investoren wird für neue Mitarbeitende, die globale Expansion und die technische Weiterentwicklung verwendet.

Auch die Zürcher Kantonalbank gehört zu den Investoren bei Wingtra. Sie investiert als eine von wenigen Schweizer Banken seit mehr als 15 Jahren Eigenkapital in Schweizer Start-ups, um den für die Volkswirtschaft so wichtigen Wissenstransfer zwischen Forschung und Wirtschaft zu unterstützen und dabei finanziell erfolgreich zu sein.

Gründerteam muss überzeugen

Zwischen 20 und 25 Millionen Franken investiert die Zürcher Kantonalbank jährlich in Hightech-Start-ups. In einer späteren Phase kommt der Wachstumsfonds des Asset Managements der Zürcher Kantonalbank als Investor ins Spiel, der sich an institutionelle Anleger richtet. Damit die Bank in ein Start-up investiert, müssen diverse Faktoren erfüllt sein. Etwa dass ein Prototyp mit dem Konzept für eine Hightech-Anwendung vorliegt, für die es über die Landesgrenze hinaus eine Nachfrage gibt und die sich gut skalieren lässt.

Eines ist jedoch fast noch wichtiger: «Es braucht ein starkes, überzeugendes Team, um das Start-up über alle Phasen hinweg zum Erfolg zu führen. Das ist ein zentrales Element bei unseren Investitionsentscheiden», sagt Patrick Sulser, Leiter Corporate Finance bei der Zürcher Kantonalbank.

International gilt: Von zehn Start-ups überlebt eines. Das weist das US-Unternehmen Start­up Genome nach, das seit 2012 entsprechende Daten erhebt. Schweizer Jungunternehmen mit dem Hintergrund der hiesigen Hochschulen haben erfahrungsgemäss deutlich bessere Chancen. Die Investitionen in Start-ups, die vor allem Wagniskapitalgesellschaften koordinieren, nehmen jedenfalls jährlich zu. In Zürich spielt neben der Zürcher Kantonalbank dabei auch Verve Ventures eine wichtige Rolle. Der Finanzdienstleister mit Standorten in Zürich, Paris und Berlin sucht spannende Start-ups, prüft sie, stellt die Verbindung zu Investoren her und agiert auch als Lead-Investor. Verve Ventures hat bislang 38 Start-ups der ETHZ und der EPFL finanziert.

Auch für potente Privatanleger interessant

Seit 2010 bietet Verve Ventures qualifizierten Privatanlegern die Möglichkeit, mit Beträgen ab 10’000 Franken in einzelne oder diversifiziert in mehrere Start-ups zu investieren. Die Privatanleger erhalten Zugang zu einer Onlineplattform. Dort schaltet das Finanzinstitut detaillierte Profile von Start-ups auf, die für Investoren interessant sind. An virtuellen Treffen mit den Gründern machen sich die Investoren ein Bild vom Unternehmen und entscheiden über ein finanzielles Engagement. Eine grosse Rolle spielt dabei der Zeitpunkt, zu dem ein Investor einsteigt. In den frühen Entwicklungsphasen eines Start-ups kostet eine Beteiligung weniger, die Gefahr des Scheiterns ist jedoch grösser. Wer einsteigt, wenn das Produkt am Markt bereits Erfolg hat, bezahlt mehr für eine Beteiligung.

Investoren engagieren sich langfristig in einem Start-up und gehen ein signifikantes Risiko ein. Dafür winkt ihnen laut Patrick Sulser bei optimalem Verlauf ein Mehrfaches ihres Investments beim Verkauf oder Börsengang des Unternehmens. Diese Anlagemöglichkeit erfreut sich denn auch zunehmender Beliebtheit. Laut Eugen Stamm von Verve Ventures sind die Finanzierungsvolumen in der Schweiz innert zehn Jahren von 400 Millionen Franken auf 2,6 Milliarden im ersten Halbjahr 2022 gestiegen. «Wir begrüssen laufend neue Investoren, die mehr über Start-ups erfahren wollen.» Abgesehen von den finanziellen Aussichten erweitert der Austausch mit den Gründern laut Eugen Stamm den Horizont: «Je nach Start-up tragen Investoren zum Wohl von Gesellschaft und Umwelt bei und lernen viel über neue Technologien und Geschäftsmodelle.»

Kategorien

ZH Ausgewählte Themen