Wenn wir zur Ärztin gehen, vertrauen wir darauf, dass unsere Gesundheit ihr oberstes Ziel ist. Gleiches erwarten wir auch, wenn wir die Verwaltung unserer Geldanlagen, sei es die Altersvorsorge in der Pensionskasse oder das private Vermögen, delegieren. Die Verwaltung soll einzig und allein in unserem Interesse erfolgen.
Das Pendant zur Medizinethik, die mit dem hippokratischen Eid ihren Anfang nahm, ist das Konzept der treuhänderischen Pflicht. Und genau wie das ärztliche Ethos unterliegt auch die treuhänderische Pflicht dem Wandel der Zeit.
Die Bedeutung der treuhänderischen Pflicht
Ein mit der Durchführung von bestimmten Geschäften beauftragter Treuhänder hat dem Auftraggeber gegenüber durch seine Sachkenntnis einen Informationsvorteil. Die treuhänderische Pflicht gebietet, dass dieser Informationsvorteil nicht ausgenutzt wird und der Treuhänder sorgfältig und im Interesse des Kunden handelt.
So viel zum Prinzip. Doch was heisst das konkret? Im Bereich Anlegen herrschte jahrelang der Konsens, dass möglichst viel Rendite bei möglichst wenig Risiko für die Kunden zu erzielen sei. Mit dem Aufkommen von nachhaltigen Anlagen stellte sich die Frage, inwieweit treuhänderische Pflicht auch die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit beinhaltet. Sofern der Kunde nach seinen Präferenzen zu nachhaltigen Anlagen gefragt werden kann, kann er das selbst entscheiden. Was aber, wenn das Kundeninteresse nicht bekannt ist? Gehört nachhaltiges Anlegen dann auch zur treuhänderischen Pflicht?