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Smarte Stromnetze gegen Stromlücken

Steigende Stromnachfrage, knappe Ressourcen und der Umbau zu erneuerbaren Energien fordern unser Energiesystem heraus. Ohne smarte Netze, Speicherlösungen und effizienten Umgang drohen Engpässe. Werden Innovationen alle Probleme lösen? Und was bedeutet das für Anlegerinnen und Anleger? Erfahren Sie mehr im Beitrag von Anlagespezialist Jens Schweizer.

Text: Jens Schweizer

Detail of transformers at an electrical substation, energy delivery and regulation
Die Anforderungen an die Stromversorgung, jederzeit die richtige Menge Strom bereitzuhalten., steigen nicht nur in der Schweiz markant. (Bild: Getty Images)

Der Winter naht. Dunkelheit und Kälte sind für alle Sommer­liebhaber ohnehin wenig Grund zur Freude. Helligkeit und Wärme brauchen im Winter viel Strom, nur haben wir davon gerade in den kommenden Jahres­zeiten jetzt schon jeweils (zu) wenig. Unruhe löste deshalb auch die kürzliche Meldung aus, dass mit dem Kern­kraftwerk Gösgen einer der Hauptlieferanten im Winter länger als erwartet vom Netz bleiben wird. Werden wir wieder Kerzen kaufen müssen?

Die erneute Stromlücken­diskussion geschieht auch vor dem Hintergrund, dass Strom immer wichtiger wird. Im Zuge der Dekarbon­isierung und Elektrifizierung unseres Systems steigt die Nachfrage nach elektrischer Energie stark. Der Stromverbrauch in der Schweiz wird gemäss dem Verband Schweizerischer Elektrizitäts­unternehmen (VSE) bis 2050 um über die Hälfte steigen. Gleichzeitig nimmt der Anteil an erneuerbaren Energien in der globalen Strom­erzeugung zu.

Strom wird zunehmend dezentral, saisonal unterschiedlich und zeitlich versetzt produziert und verbraucht. Die Sonne scheint nicht unbedingt exakt dann und dort, wenn und wo die Wasch­maschine läuft.

Herausforderungen vorprogrammiert

Damit steigen die Anforderungen an die Strom­versorgung nicht nur in der Schweiz markant, jederzeit die richtige Menge Strom bereitzuhalten. Elektrische Stromnetze können keine Energie speichern, also muss die eingespeiste Leistung zu jedem Zeitpunkt der entnomme­nen entsprechen. Je schwieriger prognostizierbar, asymmetrischer und ausgeprägter die Schwankungen von Einspeisung und Entnahme sind, desto heraus­fordernder wird dies für die herkömmliche Strom­versorgung. Dazu kommt, dass die Regulierung der Netzfrequenz aktuell vor allem angebotsseitig noch mit sofort verfügbarem Strom aus Gas- und Atom­kraftwerken geschieht, die aber zunehmend abgeschaltet werden sollen. Die negativen Auswirkungen von mit den neuen Gegebenheiten überforderten Stromnetzen konnten beispielsweise in dem grossflächigen Blackout in Spanien und Portugal im April 2025 gesehen werden.

Jens Schweizer

Im Zuge der Dekar­bonisierung und Elektri­fizierung unseres Systems steigt die Nachfrage nach elektrischer Energie stark.

Jens Schweizer, Anlagespezialist

Super Grids und Smart Grids

Neben dem Aufbau von Speicher­kapazitäten ist gleichzeitig ein umfassender Aus- und Umbau der Stromnetze angezeigt. Mit «Super Grids» wird beispielsweise eine sinnvolle regionale Erweiterung bestehender Netzwerke angestrebt, um eine möglichst breite Ausdehnung über Klima- und Zeitz­onen zu erreichen. «Smart Grids» hingegen helfen, Erzeugung, Speicherung und Verbrauch besser aufeinander abzustimmen, indem sie die Nachfrage in Abhängigkeit des Angebots digital steuern. In diesen nachfrage­seitigen Verbesserungen liegt viel Potenzial. Vielleicht sollte die Waschmaschine eben genau dann laufen, wenn die Sonne scheint. Die Internationale Energie­agentur (IEA) rechnet mit global notwendigen Investitionen in Stromnetze von mindestens USD 200 Mrd pro Jahr bis 2030, um die steigende Nachfrage sicher decken zu können.

Wer profitiert?

In diesem Umfeld kommt Strom­versorgern global eine immer zentralere Bedeutung zu. Strom­konzerne werden meist dem Sektor Versorger zugeordnet, der auch weniger vom Wirtschafts­gang abhängt. Die erforderlichen Investitionen stellen jedoch eine Herausforderung für die Stromindustrie dar. Vom Aus- und Umbau der Netzinfra­struktur könnten zudem Zulieferer profitieren. Trans­formatoren, Schalt­anlagen, Sicherungs­systeme, Smart Meter und vieles mehr würden gebraucht.

Um die eingehend gestellte Frage noch zu beantworten: Die vollen Gasspeicher in Europa, die Wasser­reserven und die französischen Atom­kraftwerke sprechen gegen regelmässige Nachtessen bei Kerzen­schein. Dies entbindet uns aber nicht vom sparsamen Umgang mit elektrischer Energie. Wir sehen nämlich an der aktuellen Entwicklung deutlich, dass Strom genauso wenig einfach aus der Steckdose kommt wie Milch aus der Migros.

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