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2025 ist nicht 1999: Technologie-Rally mit Fundament

Aktuell wird viel über eine mögliche Blase am US-Aktienmarkt spekuliert. Zwar sind die Bewertungen im US-Technologie­sektor tatsächlich auf einem hohem Niveau, jedoch werden sie durch starke Fundamental­daten und ein überdurch­schnittliches Gewinnwachstum gestützt. Zentral für den weiteren Verlauf bleiben die Anlage­investitionen der grossen börsennotierten Unternehmen. Bisher wurden diese überwiegend aus laufenden Gewinnen finanziert und die entsprechenden Unternehmen weisen tiefe Verschuldungs­quoten auf.  Risiken bestehen vor allem bei nicht börsennotierten KI-Start-Ups, deren finanzielle Lage schwer einzuschätzen ist.

Text: Felix Jäger

Symbolbild Serverraum
Spekulationen um eine mögliche KI-Blase häufen sich in den Medien

Aktuell wird viel über eine mögliche Blase am US-Aktienmarkt spekuliert. Die starke Performance des US-Technologie­sektors und die enormen Investitionen in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) erinnern an die Dotcom-Blase.

Damals gab es mit dem Internet ebenfalls eine technologische Innovation, bei der ersichtlich war, dass sie starke Produktivitäts­fortschritte ermöglichen könnte. Doch wie bei der KI heute, war damals zunächst unklar, wie diese Produktivitäts­gewinne erzielt werden könnten, wie schnell dies geschehen würde und welche Firmen letztlich zu den Profiteuren der neuen Technologie zählen würden.

Das Resultat war eine grosse Spekulations­blase, die den US-Aktienmarkt prägte. Der Technologie­index Nasdaq 100 verfünffachte sich von Ende 1996 bis Anfang 2000, bevor er bis Herbst 2001 um 75 Prozent einbrach.

Bewertungsprämie fundamental gerechtfertigt

Jedoch zeigen sich bei der aktuellen Entwicklung einige wichtige Unterschiede zur Dotcom-Blase: Erstens bleibt die Performance des IT-Sektors seit dem Bekanntwerden von ChatGPT im November 2022 deutlich hinter der Performance der Dotcom-Ära zurück. Zweitens sind die Gewinn­erwartungen in der aktuellen Marktphase deutlich stärker angestiegen als in der Dotcom-Blase. Seit der Vorstellung von ChatGPT haben sich die Gewinn­erwartungen des US-IT-Sektors fast verdoppelt und damit ein Wachstum erreicht, das in der Dotcom-Blase nie erzielt wurde. Drittens befindet sich der US-Zinszyklus an einem ganz anderen Punkt. Im Jahr 2000 musste die US-Notenbank den Leitzins auf 6,5 Prozent anheben, um die Märkte bewusst abzukühlen. Im Gegensatz dazu liegt der Leitzins heute niedriger und die Fed befindet sich mitten in ihrem Zinssenkungs­zyklus. Die aktuelle Rally ist damit weniger stark verglichen mit der Dotcom-Ära und gleichzeitig besser abgestützt durch die Fundamental­daten der Unternehmen und das makroökonomische Umfeld. Entsprechend sind die Bewertungen des US-Technologie­sektors gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im Vergleich zum historischen Durchschnitt deutlich erhöht, sie liegen jedoch weit unter den Niveaus der Dotcom-Blase (vgl. Grafik). Auch andere Blasen, wie die Nifty-Fifty-Blase in den 1970er-Jahren und die Japan-Blase zu Beginn der 1990er-Jahre, erreichten mit KGV-Höchstständen von 45 bzw. 72 deutlich höhere Werte.

Bewertung erhöht, aber nicht auf Blasen-Niveaus

Forward Kurs-Gewinn-Verhältnis

 

Quellen: Zürcher Kantonalbank, LSEG Datastream

Wie in der Grafik ebenfalls ersichtlich ist, sind die Bewertungen des US-Technologie­sektors nicht erst seit der Vorstellung von ChatGPT erhöht. Schon 2020 überschritt das Kurs-Gewinn-­Verhältnis die Schwelle von 30. Bereits damals wurden Rufe nach einer Blase laut, jedoch haben sich die Gewinne des US-IT-Sektors seither um den Faktor 2.4 gesteigert . Somit zeigt sich aus heutiger Sicht, dass die damalige Bewertung aufgrund der starken Fundamental­daten gerechtfertigt war. Denn der US-IT-Sektor weist bereits seit 2015 eine deutlich überdurch­schnittliche Gewinn­entwicklung auf (vgl. Grafik). In den letzten zehn Jahren stiegen die berichteten Gewinne des US-ITSektors jährlich um durchschnittlich mehr als 13 Prozent, während der breite US-Markt ein jährliches Gewinn­wachstum von 8 Prozent zeigte. Dieses höhere Gewinn­wachstum erklärt die deutlich höhere Bewertung des US-IT-Sektors im Vergleich zum breiten US-Markt. Angesichts der breiten Anwendungs­möglichkeiten von KI und der äusserst hohen Eintritts­barrieren im KI-Bereich dürfte das Gewinn­wachstum des IT-Sektors auch in Zukunft überdurch­schnittlich bleiben.

IT-Sektor mit enormen Gewinnwachstum

Berichtete Gewinne pro Aktie indexiert

Quellen: Zürcher Kantonalbank, LSEG Datastream

Investitionen bleiben zentral für den weiteren Verlauf Aufgrund der starken Fundamental­daten halten wir die aktuellen Bewertungen der KI-Firmen für weitgehend gerechtfertigt. Wir rechnen daher nicht mit einer stärkeren Bewertungs­korrektur, sondern sehen das Risiko eher in einer Korrektur der Gewinn­erwartungen. Diese wäre dann möglich, wenn das Investitions­tempo der KI-Unternehmen gedrosselt werden müsste. Denn die Investitionen in KI unterstützen die gesamte Wertschöpfungs­kette: von den Chip­herstellern und ihren Zulieferern, über die Datenzentren bis hin zu den sogenannten Hyperscalern, welche die KI-Platt­formen bereitstellen. Nicht zuletzt wegen dieser Investitionen sind die Gewinne des Technologie­sektors so stark angestiegen. Eine Drosselung des Investitions­tempos würde die Gewinn­erwartungen eines Grossteils des IT-Sektors infrage stellen. Aktuell ist kein Ende des Investitions­booms in Sicht: Die Anlage­investitionen der fünf börsennotierten US-Unternehmen, die am stärksten im KI-Bereich investieren, sind zuletzt stark angestiegen und zeigen gemäss den Analysten­erwartungen für das nächste Jahr keine Anzeichen einer Sättigung (vgl. Grafik).

Investitionen kennen nur eine Richtung

Anlageinvestitionen in Mia. USD, Zahlen für 2025 und 2026 beruhen auf Analystenschätzungen

Quellen: Zürcher Kantonalbank, LSEG Datastream

Gegenwärtig sind die Bewertungen zwar hoch, sie können aber durch die starke Gewinn­entwicklung begründet werden

Felix Jäger, Anlagestratege

Solide Bilanzen, wenig Leverage

Wir beobachten die Entwicklungen bei diesen Firmen genau. Ein Warnsignal wäre es, wenn ihre Anlage­investitionen einen übermässig hohen Anteil der erwirtschafteten Gewinne ausmachen würden. Reichen die erwirtschafteten Gewinne nicht mehr aus, um die Investitionen zu decken, müsste man die Profitabilität dieser Investitionen infrage stellen. Ausserdem müssten die Unternehmen in solch einer Phase auf riskanteres Fremdkapital zurückgreifen. Die Tatsache, dass die laufenden Gewinne weiterhin mehr als ausreichen, um die Investitionen zu finanzieren, stimmt uns daher positiv. Weil die börsen­kotierten KI-Unternehmen bisher wenig Fremdkapital in Anspruch nehmen mussten, sind ihre Bilanzen äusserst solide aufgestellt. Mit Ausnahme von Oracle weisen sie eine geringere Verschuldung im Verhältnis zu ihrem Vorsteuer­gewinn auf als der breite USAktienmarkt. Typischerweise steigt die Verschuldung der Unternehmen im Laufe eines Investitions­zyklus an. Die aktuell noch niedrige Verschuldung deutet darauf hin, dass wir uns noch nicht am Ende des Zyklus befinden. Zudem erhöht die geringe Verschuldung die Stabilität des Systems, insbesondere für den Fall, dass die Investitionen länger brauchen als gedacht, bis sie sich amortisieren.

Wenig Transparenz bei KI-Startups

Die grösste Unbekannte im aktuellen Investitions­zyklus für KI ist unserer Meinung nach die Rolle von nicht börsenkotierten Firmen. Aktuell warten viele wichtige Startups im KI-Bereich überdurch­schnittlich lange, bevor sie an die Börse gehen, und nehmen stattdessen Kapital von privaten Geldgebern auf. Bestes Beispiel dafür ist OpenAI, das im Sommer bei einer Finanzierungsrunde eine geschätzte Markt­kapitalisierung von 500 Mia. USD erreichte. Dies, obwohl der geschätzte Umsatz von OpenAI nur gut 10 Mia. USD beträgt und die Firma keinen Gewinn erwirtschaftet. Da diese KI-Start-ups nicht an der Börse gelistet sind, müssen sie keine Geschäftsberichte veröffentlichen. Deshalb ist es schwierig, ihre finanzielle Gesundheit zu beurteilen. Die gegenseitigen Beteiligungen börsen­notierter Firmen wie NVIDIA, Microsoft und Amazon an diesen privaten KI-Start-ups verkomplizieren die Beurteilung zusätzlich. Der Kapitalmarkt scheint für diese KI-Start-ups jedoch zum aktuellen Zeitpunkt weiterhin weit offen zu stehen, wenn es darum geht, an frisches Geld für Investitionen zu kommen. Zudem stünde ihnen auch der Weg an die Börse offen. Ein weiteres Risiko besteht in der hohen Konzentration im Technologie­sektor und im globalen Aktienmarkt insgesamt. Wenige, sehr grosse Unternehmen machen mittlerweile hohe Anteile an den Börsen­indizes aus. Daher könnten Probleme bei einem an der KI-Rally beteiligten Unternehmen schnell zu grösserer Verunsicherung führen.

Fazit: Was nicht ist, kann noch werden

Unserer Meinung nach befindet sich der US-Technologie­sektor zum aktuellen Zeitpunkt nicht in einer Finanzblase. Zwar sind die Bewertungen hoch, sie befinden sich jedoch nicht auf Extremniveaus und können durch die starke Gewinn­entwicklung begründet werden. Zudem ist das Marktsentiment nicht erhöht und die Fundamental­daten der börsennotierten Unternehmen erfahren weiterhin starke Beachtung am Markt. Wir gehen davon aus, dass die Voraussetzungen für eine weitere Outperformance des US-Technologie­sektors im Vergleich zum breiten Markt gegeben sind, da wir auch in Zukunft mit einem überdurchschnittlichen Gewinn­wachstum des Sektors rechnen. Denn aktuell ist keine Verlangsamung der KI-Investitionen in Sicht. Die börsennotierten KI-Schwergewichte erwirtschaften mit ihrem laufenden Geschäft so hohe Gewinne, dass sie ihr Investitions­programm weiter aufrechterhalten können. Zudem mussten sie bisher kaum auf Fremdkapital zurückgreifen, was die Stabilität des Investitions­booms erhöht. Das grösste Risiko liegt unserer Meinung nach bei den nicht börsennotierten KIStart- ups, deren Bewertungen tatsächlich Extremniveaus erreicht haben und deren finanzielle Gesundheit sich schwerer beurteilen lässt, da sie keine Geschäftsberichte veröffentlichen. Zudem können kleinere Bewertungs­korrekturen bei einer so starken Rally nie ausgeschlossen werden. Insbesondere in Anbetracht der hohen Markt­konzentration im Technologie­bereich. Sollte es einen makro­ökonomischen Schock geben – zum Beispiel einen überraschend starken Rückgang des US-Arbeitsmarkts oder ein Infragestellen weiterer Zinssenkungen der USNotenbank Fed – könnte es zu Gewinn­mitnahmen im Technologie­sektor kommen. Diese würden das längerfristige Potenzial des Sektors jedoch nicht infrage stellen. Auch wenn sich der börsennotierte US-Technologie­sektor zum aktuellen Zeitpunkt nicht in einer Blase befindet, ist es möglich, dass sich in Zukunft eine bildet. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es bei vielen technologischen Innovationen früher oder später zu einer Blasen­bildung gekommen ist. Umso entscheidender ist es deshalb, weiterhin breit diversifiziert zu investieren.

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