Welche Temperatur hat Ihr Portfolio?

Als Antwort auf das von der Schweiz 2017 ratifizierte Pariser Klimaabkommen hat der Bund die Swiss Climate Scores ins Leben gerufen. Sie geben Transparenz über verschiedene klimarelevante Faktoren im Anlageportfolio. Doch wie funktioniert das genau? Lesen Sie mehr dazu im Beitrag von Nachhaltigkeitsökonomin Silke Humbert.

Text: Silke Humbert

«Beim Versuch, Finanzanlagen mit Klimaverträglichkeit zu verknüpfen, ist eine Portion gesunde Skepsis angebracht», sagt Silke Humbert, Nachhaltigkeitsökonomin der Zürcher Kantonalbank.

Klimaaspekte durchdringen immer mehr Bereiche unseres täglichen Lebens. Sie haben Auswirkungen darauf, wie wir uns fortbewegen, wie wir uns ernähren, wie wir wohnen. Auch bei Geldanlagen rückt das Klima zusehends in den Vordergrund. Das kommt nicht von ungefähr.

So enthält das von der Schweiz 2017 ratifizierte Pariser Klimaabkommen einen Absatz, der explizit dazu auffordert, die Finanzmittelflüsse im Einklang mit den Pariser Klimazielen zu gestalten. Als Antwort darauf hat der Bund im Jahr 2022 die Swiss Climate Scores ins Leben gerufen, die Anlegerinnen und Anlegern Transparenz über verschiedene klimarelevante Faktoren ihrer Anlagen geben.

Einer der sechs Indikatoren der Swiss Climate Scores ist das globale Erwärmungspotenzial. Das Konzept ist bestechend: Es zeigt an, auf welche durchschnittliche Erdtemperatur die Welt zusteuern würde, hätten alle Unternehmen weltweit die gleichen Emissionsreduktionsziele wie die Unternehmen im Anlageportfolio. Mit dieser Information sollen Anlegerinnen und Anleger die Unternehmen auswählen können, mit deren Plänen zur Emissionsreduktion sie einverstanden sind. Diese Transparenz kann im Umkehrschluss Unternehmen dazu motivieren, möglichst ehrgeizige Pläne zur Emissionsreduktion zu schmieden.

Und der Ansatz der Zürcher Kantonalbank?

Die Zürcher Kantonalbank ist 2022 der Net-Zero Banking Alliance beigetreten und ein Teil ihrer Produktlinien im Anlagebereich orientiert sich durch einen sogenannten Absenkpfad am Pariser Klimaabkommen. Die Idee dahinter ist einfach: Um die Temperaturerhöhung unter zwei Grad gegenüber vorindustrieller Zeit zu halten, darf gemäss dem zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) nur noch ein begrenztes Mass an Kohlendioxid emittiert werden. Dieses globale Kohlendioxid-Budget lässt sich auf einzelne Akteure herunterbrechen wie z.B. Unternehmen oder Staaten, sodass jeder Akteur jährlich die gleiche prozentuale Reduktion erzielen muss. Dieser Absenkpfad wird realwirtschaftlich in Gesprächen mit den Unternehmen und Fondsleitungen eingefordert und fliesst in das Abstimmungsverhalten an Generalversammlungen ein. Zusätzlich können CO2-arme Anlagen zulasten CO2-intensiverer Anlagen gekauft werden, um den Absenkpfad einzuhalten.

Komplexe Umsetzung in der Praxis

Rein theoretisch sollte das Erwärmungspotenzial von Anlageportfolios mit implementiertem Absenkpfad unter zwei Grad liegen. Die Praxis ist leider komplizierter. Das liegt vor allem an der unterschiedlichen Datengrundlage. Während das Konzept des Erwärmungspotenzials der Swiss Climate Scores auf den von den Unternehmen verkündeten Zielen zur Emissionsreduktion basiert, orientiert sich der Absenkpfad der Zürcher Kantonalbank an tatsächlich realisierten Emissionen. Dass ein Datenset mit unternehmenseigenen Emissionsprognosen nicht dieselben Resultate liefert wie eines mit realisierten Emissionen, leuchtet unmittelbar ein.

«Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher»

Beim Versuch, Finanzanlagen mit Klimaverträglichkeit zu verknüpfen, ist eine Portion gesunde Skepsis ganz im Sinne des Bonmots Albert Einsteins förderlich. Für eine Bank ist es einfacher, die Emissionen zu senken, indem sie ihre Gebäude zum Beispiel mit Seewasser oder Erdwärme beheizt statt mit Öl. Bei einem Zementhersteller hingegen fallen die Emissionen bei den Kernprozessen an und es bedarf grösserer Anstrengungen, diese zu reduzieren. Ein reines Bankenportfolio hat daher schneller ein geringeres Erwärmungspotenzial. Diversifiziert ist es dafür aber noch lange nicht.

Die Zürcher Kantonalbank implementiert die Orientierung am Pariser Klimaabkommen in den entsprechenden Produktlinien über das Konzept des Absenkpfads. Das mag sich zwar nicht immer in einem tiefen globalen Erwärmungspotenzial widerspiegeln, die Diversifikation der Anlagen hingegen spielt immer eine zentrale Rolle.