Was ist das Marktsentiment?

Auf einem Markt treffen sich Angebot und Nachfrage. Die Grenzen zwischen Euphorie und Panik unter Marktteilnehmenden sind dabei oft fliessend. Lesen Sie im Beitrag, wie das Marktsentiment zustande kommt und was es mit den Begriffen Herdentrieb und Schwarmintelligenz auf sich hat.

Text: Rolando Seger

Marktsentiment
Informationen genau zu analysieren, auf ihre Richtigkeit zu prüfen und die daraus entstehenden Folgen abzuschätzen, ist für eine einzelne Person kaum zu bewältigen. (Bild: Getty Images)

In einem persönlichen, physisch stattfindenden Gespräch erleben wir unser Gegenüber unmittelbar real und mit allen Sinnen. Gestik, Mimik, Körperhaltung oder Stimmlage – viele Indikatoren verraten uns etwas über den Zustand und die Gemütslage unseres Gesprächspartners, sodass wir ihn in der Regel gut einschätzen können.

Ein Markt ist nach allgemein gültiger Lehre als der Ort definiert, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Er konstituiert sich aus unzähligen Marktteilnehmenden, die sich über den gesamten Globus verteilen. Dazu gehören private und institutionelle Verbraucher, Produzenten und Dienstleister, Verbände, Meinungsbildner, der Staat, die Politik, Medien und viele mehr. Durch Transaktionen, Begegnungen und Informationsaustausch sind die Marktteilnehmenden täglich untereinander verbunden und vernetzt.

Die Grenzen zwischen Euphorie und Panik sind fliessend.

Rolando Seger, Zürcher Kantonalbank

Ereignisse bestimmen die Gemütslag

Wenn jedes Individuum eine eigene Stimmungslage erlebt, so geschieht dies auch in der Masse. Aus der Befindlichkeit tausender Marktteilnehmenden entsteht eine Gesamtstimmung, die sich lokal oder flächendeckend ausbreitet und überträgt. Sie kann Märkte belasten oder beflügeln – die Grenzen zwischen Euphorie und Panik sind fliessend und werden im Wesentlichen von konjunkturellen oder geopolitischen Ereignissen bestimmt.

Klassischer Herdentrieb

Dabei spielt der Herdentrieb eine bedeutende Rolle. Die Flut an Informationen ist gewaltig. Und täglich kommen unzählige über vielfältige Kanäle dazu. Informationen genau zu analysieren, auf ihre Richtigkeit zu prüfen und die daraus entstehenden Folgen abzuschätzen, ist für eine einzelne Person kaum zu bewältigen. Also berücksichtigt man neben der eigenen Meinung und Einschätzung auch immer diejenige anderer Marktteilnehmenden und prüft deren Reaktion.

Schwarmintelligenz: Gesamtheit aller Meinungen

In der Volkswirtschaftslehre ist oft die Rede von der unsichtbaren Hand, die den Markt lenkt, ihn im Gleichgewicht hält oder wieder dorthin zurückführt. Und dennoch reagieren Märkte oft irrational und übertrieben auf neue Ereignisse. Grund dafür ist, dass man die Folgen einer neuen Situation nicht unmittelbar einschätzen kann – im Guten wie im Schlechten. Ist die Stimmung erst einmal schlecht, braucht es viel Zeit, ermutigende Marktentwicklungen und Vertrauen, bis sich die Stimmung wieder aufhellt und das Marktsentiment positiv ist. Wie die Schwarmintelligenz wird das Marktsentiment durch die Gesamtheit aller Marktteilnehmenden gebildet.