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Was uns beim Klimaschutz bremst

Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, die nur gemeinsam bewältigt werden kann – doch genau daran scheitern wir. Obwohl die Mehrheit der Menschen bereit ist, für den Klimaschutz Opfer zu bringen, lähmen Misstrauen und Wahrnehmungs­lücken unsere Handlungsfähigkeit. Wie können wir das überwinden? Erfahren Sie mehr dazu im Beitrag von Nachhaltigkeitsökonomin Silke Humbert.

Text: Silke Humbert

CHICAGO, IL - JUNE 02:  Demonstrators protest President Donald Trump's decision to exit the Paris climate change accord on June 2, 2017 in Chicago, Illinois.  Yesterday, in a speech from the Rose Garden, Trump announced that the United States would no longer honor the agreement, stating it imposed unfair standards on American businesses and workers.  (Photo by Scott Olson/Getty Images)
Der Mensch kooperiert nur bedingt. (Bild: Getty Images)

Es ist schon eine Weile her, dass der Klimawandel die Schlagzeilen dominierte und rund um den Erdball gegen die Klima­erwärmung protestiert wurde. Seit der Corona­pandemie scheint die Veränderung des Klimas etwas in den Hintergrund gerückt zu sein. Zudem wird wiederholt kolportiert, sie sei heute nicht mehr Thema Nummer eins – und überhaupt habe die Klima­bewegung ihren Zenit überschritten.

Wieso ist das, was Ende der 2010er-Jahre noch so akut und wichtig war, jetzt am Verblassen? Waren die Gruppen von Aktivisten, die mit Protest­aktionen vor knapp zehn Jahren den Klimawandel auf die Agenda der Medien gebracht hatten, schlicht zu klein? Oder ist die Gesellschaft einfach sorgloser geworden?

Wären Sie bereit, 1 Prozent ihres Lohns einzusetzen?

Forscher um den an der Universität Bonn lehrenden Professor Armin Falk wollten mit dieser Frage die Unter­stützung in der Bevölkerung für den Kampf gegen den Klima­wandel in 125 Ländern eruieren. Die Angabe von 1 Prozent leitet sich dabei von Schätzungen zu den Kosten für Mass­nahmen gegen den Klima­wandel ab. In den Jahren 2021 und 2022, nachdem COVID-19 der Klimaprotest­bewegung den Rang abgelaufen hatte, verschickten die Forscher ihre Frage­bögen. Die Ergebnisse erstaunen: Zwei Drittel der Bevölkerung würden zur Bekämpfung des Klima­wandels eine Lohnabgabe in Kauf nehmen. Fast 90 Prozent wünschen sich darüber hinaus griffige politische Massnahmen, um das Klima zu schützen.

Zu schön, um wahr zu sein

Aufgrund der Resultate kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die Menschheit im Kampf gegen den Klima­wandel grundsätzlich vereint ist. Gleichzeitig stellen uns die Ergebnisse vor ein Rätsel. Warum stei-gen die klima­erwärmenden Emissionen jedes Jahr weiter an, wenn doch die Menschen geschlossen gegen den Klima­wandel sind? Hinweise darauf gibt eine Frage, die in der Studie gestellt wurde. Neben der Frage zur eigenen Bereitschaft, sich gegen den Klimawandel einzusetzen, sollten die Studien­teilnehmer auch angeben, wie es damit aus ihrer Sicht bei der restlichen Bevölkerung steht. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Bereitschaft der anderen wird im Durchschnitt fast 30 Prozentpunkte geringer einge-schätzt als die eigene. In anderen Worten: Viele hal-ten sich selbst für ökologisch verantwortungs­voller als ihre Mitmenschen. Während man selbst bereit ist, Einsatz zu zeigen, scheint die restliche Bevölkerung aus Sicht der Studien­teilnehmenden demnach nur aus hoffnungs­losen Ignoranten und Egoisten zu bestehen.

Silke Humbert

Viele halten sich selbst für ökologisch verantwortungs­voller als ihre Mit­menschen.

Silke Humbert

Der Mensch kooperiert nur bedingt

Ist es ein Problem, dass sich viele für die besseren Klima­schützer und die verantwortungs­bewussteren Menschen halten? Ja, das ist es, denn Menschen kooperieren nur bedingt. Das heisst, wir sind nur dann bereit, unseren Teil zu leisten, wenn andere das auch tun, wie die Studien­ergebnisse aufzeigen. Je höher die Bereitschaft anderer eingeschätzt wird, 1 Prozent ihres Lohns für den Kampf gegen den Klima­wandel einzusetzen, desto grösser ist auch die eigene. Befasst man sich mit internationalen Klima­konferenzen, erkennt man auch hier dasselbe Muster. Länder beharren oft auf ihren Positionen mit der Begründung von zu wenig Engagement oder Entgegen­kommen anderer Staaten. Für den Kampf gegen den Klima­wandel und die Bewältigung von Problemen, die nur gemeinsam lösbar sind, stellt das ein grosses Problem dar. Wir manövrieren uns in eine Sackgasse, obwohl doch für den Kern der Sache Mehrheiten vorhanden sind.

Selbsteinschätzung an der Gartenparty

Offenkundige Wahrnehmungs­lücken zwischen Selbst- und Fremd­einschätzung können Sie übrigens ganz einfach an einer Gartenparty testen. Fragen Sie doch mal scherzhaft in die Runde, wer glaubt, besser Auto zu fahren als der Durchschnitt. Seien sie gewiss, dass sich die Mehrheit im Vergleich für die besseren Fahrer hält. Vielleicht ist das ein guter Zeitpunkt, um dieselbe Diskrepanz bei der Wahrnehmungs­lücke rund um den Klima­wandel und dessen Tragweite anzusprechen, falls Sie mögen. Viele Köpfe wissen immer mehr als einer. Sollten sich daher aus der heiteren, feucht-­fröhlichen Runde kreative Ideen und Ansätze zur Lösung bestehender Heraus­forderungen ergeben, freue mich über ein Mail.
 

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