Was uns beim Klimaschutz bremst
Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, die nur gemeinsam bewältigt werden kann – doch genau daran scheitern wir. Obwohl die Mehrheit der Menschen bereit ist, für den Klimaschutz Opfer zu bringen, lähmen Misstrauen und Wahrnehmungslücken unsere Handlungsfähigkeit. Wie können wir das überwinden? Erfahren Sie mehr dazu im Beitrag von Nachhaltigkeitsökonomin Silke Humbert.
Text: Silke Humbert

Es ist schon eine Weile her, dass der Klimawandel die Schlagzeilen dominierte und rund um den Erdball gegen die Klimaerwärmung protestiert wurde. Seit der Coronapandemie scheint die Veränderung des Klimas etwas in den Hintergrund gerückt zu sein. Zudem wird wiederholt kolportiert, sie sei heute nicht mehr Thema Nummer eins – und überhaupt habe die Klimabewegung ihren Zenit überschritten.
Wieso ist das, was Ende der 2010er-Jahre noch so akut und wichtig war, jetzt am Verblassen? Waren die Gruppen von Aktivisten, die mit Protestaktionen vor knapp zehn Jahren den Klimawandel auf die Agenda der Medien gebracht hatten, schlicht zu klein? Oder ist die Gesellschaft einfach sorgloser geworden?
Wären Sie bereit, 1 Prozent ihres Lohns einzusetzen?
Forscher um den an der Universität Bonn lehrenden Professor Armin Falk wollten mit dieser Frage die Unterstützung in der Bevölkerung für den Kampf gegen den Klimawandel in 125 Ländern eruieren. Die Angabe von 1 Prozent leitet sich dabei von Schätzungen zu den Kosten für Massnahmen gegen den Klimawandel ab. In den Jahren 2021 und 2022, nachdem COVID-19 der Klimaprotestbewegung den Rang abgelaufen hatte, verschickten die Forscher ihre Fragebögen. Die Ergebnisse erstaunen: Zwei Drittel der Bevölkerung würden zur Bekämpfung des Klimawandels eine Lohnabgabe in Kauf nehmen. Fast 90 Prozent wünschen sich darüber hinaus griffige politische Massnahmen, um das Klima zu schützen.
Zu schön, um wahr zu sein
Aufgrund der Resultate kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die Menschheit im Kampf gegen den Klimawandel grundsätzlich vereint ist. Gleichzeitig stellen uns die Ergebnisse vor ein Rätsel. Warum stei-gen die klimaerwärmenden Emissionen jedes Jahr weiter an, wenn doch die Menschen geschlossen gegen den Klimawandel sind? Hinweise darauf gibt eine Frage, die in der Studie gestellt wurde. Neben der Frage zur eigenen Bereitschaft, sich gegen den Klimawandel einzusetzen, sollten die Studienteilnehmer auch angeben, wie es damit aus ihrer Sicht bei der restlichen Bevölkerung steht. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Bereitschaft der anderen wird im Durchschnitt fast 30 Prozentpunkte geringer einge-schätzt als die eigene. In anderen Worten: Viele hal-ten sich selbst für ökologisch verantwortungsvoller als ihre Mitmenschen. Während man selbst bereit ist, Einsatz zu zeigen, scheint die restliche Bevölkerung aus Sicht der Studienteilnehmenden demnach nur aus hoffnungslosen Ignoranten und Egoisten zu bestehen.

Viele halten sich selbst für ökologisch verantwortungsvoller als ihre Mitmenschen.
Silke Humbert
Der Mensch kooperiert nur bedingt
Ist es ein Problem, dass sich viele für die besseren Klimaschützer und die verantwortungsbewussteren Menschen halten? Ja, das ist es, denn Menschen kooperieren nur bedingt. Das heisst, wir sind nur dann bereit, unseren Teil zu leisten, wenn andere das auch tun, wie die Studienergebnisse aufzeigen. Je höher die Bereitschaft anderer eingeschätzt wird, 1 Prozent ihres Lohns für den Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen, desto grösser ist auch die eigene. Befasst man sich mit internationalen Klimakonferenzen, erkennt man auch hier dasselbe Muster. Länder beharren oft auf ihren Positionen mit der Begründung von zu wenig Engagement oder Entgegenkommen anderer Staaten. Für den Kampf gegen den Klimawandel und die Bewältigung von Problemen, die nur gemeinsam lösbar sind, stellt das ein grosses Problem dar. Wir manövrieren uns in eine Sackgasse, obwohl doch für den Kern der Sache Mehrheiten vorhanden sind.
Selbsteinschätzung an der Gartenparty
Offenkundige Wahrnehmungslücken zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung können Sie übrigens ganz einfach an einer Gartenparty testen. Fragen Sie doch mal scherzhaft in die Runde, wer glaubt, besser Auto zu fahren als der Durchschnitt. Seien sie gewiss, dass sich die Mehrheit im Vergleich für die besseren Fahrer hält. Vielleicht ist das ein guter Zeitpunkt, um dieselbe Diskrepanz bei der Wahrnehmungslücke rund um den Klimawandel und dessen Tragweite anzusprechen, falls Sie mögen. Viele Köpfe wissen immer mehr als einer. Sollten sich daher aus der heiteren, feucht-fröhlichen Runde kreative Ideen und Ansätze zur Lösung bestehender Herausforderungen ergeben, freue mich über ein Mail.