Kosten der Stromerzeugung jetzt sinnvoll vergleichen

Ist Strom aus fossilen oder erneuerbaren Energiequellen teurer? Eine neu entwickelte Messmethodik erlaubt einen aufschlussreichen Kostenvergleich.

Text: Gerhard Wagner

Lange war unklar, wie sich die Kosten der Stromerzeugung aus wetterabhängigen Solar- und Windkraftanlagen mit jenen aus wetterunabhängigen Stromerzeugungs­anlagen wie zum Beispiel Gas- oder Kohlekraftwerken vergleichen lassen. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat dieses Problem nun gelöst. Mit der von ihr eingeführten Methode VALCOE (Value Adjusted Levelized Cost Of Energy; deutsch: wertbereinigte Stromgestehungskosten) lassen sich die Stromgestehungskosten unterschiedlicher Technologien objektiver vergleichen.

Das Ergebnis ist eindeutig

Die erneuerbaren Energien sind die Technologie mit den günstigsten Gestehungs­kosten für Strom. Der Markt ist längst dabei, dies zu bestätigen. Das weltweite Investitionsvolumen von USD 472 Milliarden in die erneuerbaren Energien im Jahr 2022 spricht für sich.

Teilweise wird reichlich emotional darüber gestritten, ob die erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung wettbewerbsfähig sind.

Argumente der Befürworter …

Fürsprecher erneuerbarer Energien argumentieren häufig mit den sogenannten Stromgestehungskosten (englisch: LCOE = Levelized Cost Of Energy), die aus ihrer Sicht eindeutig zeigen, dass Strom aus Solar- oder Windanlagen (onshore) in den meisten Regionen am günstigsten ist. Die Tabelle (unten) zeigt die Stromgestehungs­kosten (LCOE) in den USA für 2021 sowie die Schätzungen für die Jahre 2030 und 2050. Die Stromgestehungskosten berücksichtigen die Bau-, Finanzierungs-, Brennstoff- und Instandhaltungskosten pro Technologie und vergleichen diese mit der produzierten Strommenge.

… und der Skeptiker

Kritische Stimmen behaupten indes, dass die Stromgestehungskosten (LCOE) irreführend sind. Sie berücksichtigen nicht, dass die produzierte Strommenge aus erneuerbaren Energien im Fall von Wind- und Solarenergie witterungsabhängig ist und so nicht gezielt zu dem Zeitpunkt des Strombedarfs produziert werden kann. Deswegen nennen die Skeptiker den Strom aus Solar und Windkraftanlagen auch «Flatterstrom». Weiter heisst es, die Stromgestehungskosten würden nicht berücksichtigen, ob eine Stromerzeugungsanlage mit der übrigen Stromversorgung kompatibel ist und ob sie einen Beitrag zur Netzstabilität leistet. Bei einem fairen Kostenvergleich muss gemäss den Skeptikern erneuerbarer Energien der Vorteil von Gaskraftwerken gegenüber Solarkraftwerken zwingend zum Ausdruck kommen, weil Gaskraftwerke witterungsunabhängig und flexibel Strom erzeugen und damit zur Netzstabilität beitragen.

Neue Messmethode bringt Klarheit

Vor dem Hintergrund dieses Streits hat Brent Wanner, Leiter Energiesektor bei der IEA, die Metrik «VALCOE» (Value Adjusted Levelized Cost of Energy) eingeführt. Das Ziel: Der Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Technologien der Stromerzeugung besser gerecht werden.

VALCOE inkludiert neben den reinen Stromerzeugungskosten auch den Nutzen, den eine Technologie zur Netzstabilität leistet. Als attraktiv gilt dabei die zeitliche Flexibilität bei der Stromerzeugung oder die maximal verfügbare Kapazität bei der Spitzenstromnachfrage im Laufe eines Tages. Die Ergebnisse:

Stromgestehungskosten (USD/MWh) LCOE versus VALCOE (in Klammern)

 

2021

2030

2050

Kernkraftwerke

105 (105)

100 (100)

95 (95)

Kohlekraftwerke

95 (95)

210 (210)

n.a. (n.a.)

Gaskraftwerke

60 (n.a.)

70 (n.a.)

110 (80)

Solarkraftwerke

50 (60)

30 (50)

25 (60)

Windkraftwerke (onshore)

35 (40)

30 (40)

30 (45)

Windkraftwerke (offshore)

120 (120)

70 (75)

50 (60)

Stromgestehungskosten (LCOE) und wertbereinigte Stromgestehungskosten (VALCOE) in den USA in dem sogenannten «Stated Policies Scenario». (Quelle: IEA, World Energy Outlook 2022)

Die Tabelle zeigt neben den Stromgestehungskosten (LCOE) auch die wertbe­reinigten Stromgestehungskosten (VALCOE). Interessant ist der Vergleich der LCOE und VALCOE am Beispiel von Solar- und Gaskraftwerken. Die Prognosen per 2050 zeigen, dass die wertbereinigten Stromgestehungskosten etwa bei Photovoltaik mehr als doppelt so hoch wie die unbereinigten Kosten sind. Grund dafür ist, dass es für das Stromsystem immer anspruchsvoller wird, den «Flatterstrom» optimal zu integrieren. Selbst dann aber sind diese niedriger als die wertbereinigten Kosten bei Gaskraftwerken.

Geldregen für Erneuerbare

Wichtig ist festzuhalten, dass auch bei der wertbereinigten Stromerzeugung die erneuerbaren Energien noch einen Kostenvorteil haben. Dies scheint auch der Markt zu bestätigen. Die folgende Graphik zeigt die weltweiten Investitionen in Strom­erzeugungstechnologien. In erneuerbare Energien wurde 2022 weltweit mit USD 472 Milliarden rund zehnmal mehr investiert als in Kohle- oder Kernkraftwerke.

Investitionen in USD Mrd. im Jahr 2022

Quelle: IEA, World Energy Outlook (2022)

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Nachhaltigkeit