Beenden Babyboomer den Immobilienboom?
Am Immobilienmarkt wirft der bevorstehende Ruhestand der Babyboomer-Generation Fragen auf: Kommt es zu einer Verkaufswelle? Unsere Analysen zeigen: Die Auswirkungen des demografischen Wandels werden zwar spürbar sein, aber in den nächsten zehn Jahren zieht kein Sturm am Eigenheimmarkt auf.
Text: Benedikt Lennartz und Ursina Kubli, Analytics Immobilien
Ob Arbeitsmarkt, Gesundheitskosten oder Rente – der demografische Wandel ist überall ein Thema. Jetzt, wo die letzte Kohorte der Babyboomer-Generation ins Rentenalter kommt, wird die Alterung der Gesellschaft immer sichtbarer. Auch am Immobilienmarkt geht dieser Trend nicht spurlos vorüber. Wer an einem Einfamilienhaus (EFH) im Kanton Zürich klingelt, wird dort heute im Durchschnitt von einer Person empfangen, die 62 Jahre alt ist. Vor zehn Jahren lag das Medianalter der Eigentümer noch bei 58 Jahren. Ähnlich sieht es im Stockwerkeigentum (STW) aus, wo das mittlere Alter der Besitzer mittlerweile bei 63 Jahren liegt, ebenfalls vier Jahre höher als noch 2015.
Aus Sicht einiger Experten ist die alternde Eigentümerschaft ein Grund zur Sorge. Was, wenn scharenweise ältere Hausbesitzer in den nächsten Jahren ihre Immobilien weitergeben? Auch Immobilienbesitzer, die in den nächsten Jahren einen Verkauf ihres Eigenheims in Erwägung ziehen, treibt diese Frage um. Könnte die demografische Entwicklung einen Verkauf erschweren? Aber auch Eigentümer, die gar nicht veräussern wollen, schauen mit gemischten Gefühlen auf die Entwicklung. Ein plötzlich steigendes Angebot hätte das Potenzial, den Wert ihrer selbstbewohnten Immobilie und somit auch ihr Vermögen zu reduzieren.
Immobilienbesitzer sind deutlich älter als noch vor zehn Jahren
Medianalter von Eigentümern mit Hypothek im Kanton Zürich
Wann werden Immobilien abgegeben?
Um herauszufinden, wie die Alterung den Eigenheimmarkt in den nächsten Jahren beeinflussen wird, haben wir sämtliche Handänderungen unter ZKB-Kunden genauer untersucht. Um abzuschätzen, wie viele Handänderungen durch die absehbare Alterung hinzukommen werden, müssen diejenigen, die ihr Eigenheim abgeben, in Relation zur Anzahl Besitzer der jeweiligen Altersgruppe gesetzt werden.
Daraus ergibt sich ein Bild über die Wahrscheinlichkeit, sein Objekt in einem bestimmten Alter weiterzugeben. Für Einfamilienhausbesitzer steigt diese Wahrscheinlichkeit über das Alter nahezu stetig an. Jedoch fällt auf, dass ein grosser Sprung erst ab dem Alter von 85 Jahren zu beobachten ist. Die Analyse bestätigt somit, was viele in ihrem Lebensumfeld schon häufig beobachtet haben dürften: Die Abgabe des selbstbewohnten Einfamilienhauses findet in der Regel nicht mit Renteneintritt statt. Vielmehr bevorzugen es Einfamilienhausbesitzer, in ihren angestammten vier Wänden zu bleiben, bis eine Weitergabe unvermeidlich ist. Häufig dürften erst gesundheitliche Gründe oder sogar der Tod der Besitzer dazu führen. Bei Stockwerkeigentümern sieht das Bild ähnlich aus, allerdings mit einem kleinen Unterschied. Hier ist die Verkaufswahrscheinlichkeit in den jüngeren Jahren etwas höher. Vielfach dürfte der Wunsch nach mehr Wohnfläche dazu führen, dass vor allem junge Familien ihre Wohnungen veräussern, um sich ein grösseres Zuhause leisten zu können.
Die meisten geben ihr Eigenheim erst in hohem Alter weiter
Jährliche Weitergabewahrscheinlichkeit nach Altersgruppen, hochgerechnet aus ZKB-Handänderungen, in Prozent
Der ein oder andere Eigenheimsuchende mag sich nun wundern: Sind die Verkäufer, die man bei Besichtigungen antrifft, nicht in der Regel im frühen Rentenalter und damit jünger? Der Grund für den vermeintlichen Widerspruch liegt in der Grösse der Babyboomer-Generation. Das führt zu dem scheinbaren Paradox, dass man am ehesten auf einen Verkäufer zwischen 65 und 69 trifft, obwohl die meisten 65- bis 69-Jährigen ihre Liegenschaften noch lange nicht verkaufen.
Eigenheimangebot sollte moderat steigen
Mithilfe einer Simulationsrechnung schätzen wir ab, wie viele zusätzliche Objektweitergaben in den nächsten Jahren bevorstehen könnten. Hierfür schreiben wir den demografischen Trend der vergangenen Jahre fort. Gemäss unserer Hochrechnung wäre zum Beispiel der mittlere EFH-Besitzer im Jahr 2030 65 Jahre alt und somit noch einmal drei Jahre älter als heute. Auf dieser Basis errechnen wir, wie viele altersbedingte Handänderungen folgen sollten.
Es zeigt sich, dass der demografische Wandel nicht spurlos am Eigenheimmarkt vorbeigehen dürfte. Die Anzahl Einfamilienhäuser, die den Besitzer wechseln, dürfte sich um 7 Prozent im Jahr 2030 und um 14 Prozent im Jahr 2035 erhöhen. In den letzten Jahren lag die Anzahl Freihandtransaktionen von Einfamilienhäusern im Kanton Zürich im Schnitt bei jährlich gut 2'000 Objekten. Der simulierte Anstieg würde also, wenn man ihn auf die Freihandtransaktionen anwendet, im Jahr 2035 ein Zusatzangebot von rund 280 Einfamilienhäusern bedeuten – eine spürbare Menge, die jedoch angesichts des Nachfrageüberhangs nicht zu grösseren Verwerfungen führen sollte. Für Kaufinteressenten, die seit Langem Ausschau nach einem Einfamilienhaus hielten, könnte das immerhin etwas Entlastung bringen. Bei Stockwerkeigentum sieht die Rechnung noch moderater aus. Hier könnten in fünf Jahren 5 Prozent mehr Wohnungen auf den Markt kommen. Im Jahr 2035 könnten es 10 Prozent mehr sein. Dass die Entwicklung bei Stockwerkeigentum nicht so dynamisch verläuft, liegt vor allem daran, dass die Abgabewahrscheinlichkeit weniger stark vom Alter der Besitzer abhängt als bei Einfamilienhäusern. Bei jährlich gut 4'000 STW-Freihandtransaktionen im Kanton Zürich ergäbe das ein Zusatzangebot von rund 400 Wohnungen im Jahr 2035. Ausserdem dürfte ein Teil des zusätzlichen Angebots sowohl bei EFH als auch bei STW dem Eigentumsmarkt entzogen werden, wenn diese Objekte nach Abbruch durch Mehrfamilienhäuser ersetzt werden.
Simulation der Objektweitergaben
Wie entwickeln sich die Verkäufe?
Für eine Simulation der zusätzlichen Objektweitergaben prognostizieren wir die zukünftige Altersverteilung der Besitzer. Hierfür schreiben wir die Entwicklung der Kohorten aus der Vergangenheit fort. So wird zum Beispiel die Entwicklung der Kohorte der 25-Jährigen im Jahr 2020 zu 30-Jährigen im Jahr 2025 errechnet. Danach wenden wir diese Entwicklung auf die 25-Jährigen im Jahr 2025 an, um die Grösse der Kohorte der 30-Jährigen im Jahr 2030 zu prognostizieren. Mithilfe der simulierten Altersverteilung der Besitzer lässt sich mit der Weitergabewahrscheinlichkeit abschätzen, wie stark die Anzahl der Transaktionen in Zukunft ansteigen könnte.
Besitzer werden älter
Geglättete Altersverteilung der Einfamilienhausbesitzer mit Prognose für 2030, in Prozent
Der demografische Wandel wird das Angebot moderat erhöhen
Simulierter Anstieg der Weitergaben nach Jahr, in Prozent
Weniger Grund zur Sorge bei STW
Es scheint, dass die Auswirkung der Alterung auf das Eigenheimangebot für den Stockwerkeigentumsmarkt weniger ausgeprägt ist. Und auch auf der Nachfrageseite gibt es Entwarnung. Denn besonders im Markt für Stockwerkeigentum stellen die Älteren nicht nur eine grosse Verkäufergruppe, sondern auch eine bedeutsame Käufergruppe dar. Betrachtet man das Verhältnis von Verkäufern zu Käufern in verschiedenen Altersgruppen, zeigt sich ein klarer Trend: Während jüngere Eigenheimkäufer die gleichaltrigen Verkäufer zahlenmässig weit übertreffen, ist es im Alter umgekehrt. Doch dieser Zusammenhang tritt bei Stockwerkeigentum viel weniger prononciert auf. Sie treten nämlich auch im Alter als Käufer in Erscheinung. 17 Prozent der STW-Käufer sind mindestens 65 Jahre alt. Bei EFH sind es lediglich 6 Prozent. Stockwerkeigentum verspricht das Wohnen in den eigenen, aber überschaubaren vier Wänden und ist aufgrund der zentralen Lagen bis ins hohe Alter eine attraktive Option.
Bei Stockwerkeigentum sind Ältere auch auf der Käuferseite aktiv
Verhältnis von Verkäufern zu Käufern bei Freihandtransaktionen nach Altersgruppe, logarithmische Skala
Fazit
Die Auswertungen zeigen, dass der demografische Wandel den Immobilienmarkt zwar spürbar beeinflussen dürfte. Eine eigentliche Verkaufswelle ist in absehbarer Zeit jedoch nicht zu erwarten. Die meisten Besitzer geben ihre Objekte erst in sehr hohem Alter weiter, weshalb der prognostizierte Anstieg des Angebots zumindest auf absehbare Zeit moderat bleibt. Besonders bei Stockwerkeigentum zeigt sich, dass ältere Menschen auch als Käufer aktiv bleiben. Der Wandel verläuft somit in einem überschaubaren Rahmen. Es besteht kein Grund zur Panik. Für Kaufinteressenten könnte dies in den kommenden Jahren zumindest einige Chancen bringen.