Bund publiziert Kohlendioxid-Ausstoss aller Wohngebäude

Eine neu vom Bund publizierte Energieetikette macht die Klimafreundlichkeit von Gebäuden öffentlich. Transparenz ist auf dem langen Weg zu Netto-Null grundsätzlich zu begrüssen. Sie setzt Anreize zum Wechsel auf fossilfreie Heizungen und für energetische Sanierungen. Die Berechnungsweise ist aber noch mit grossen Ungenauigkeiten behaftet. Was Hausbesitzer jetzt beachten sollten.

Text: Jörn Schellenberg, Analytics Immobilien

CO2-Ausstoss
Wie hast du's mit dem Klima? Die Energieetikette des Bundes macht die Klimafreundlichkeit öffentlich. (Illustration: JoosWolfangel)

Seit März ist es amtlich: Der Bund publiziert auf seinem Kartenportal neu das von Kühlschränken bekannte Rating in sieben Klassen von A (grün) bis G (rot) für jedes Wohngebäude. Wer sich schon mit dem energetischen Sanieren seines Hauses beschäftigt und einen GEAK-Experten zu Rate gezogen hat, kennt das Gebäude-Label bereits bestens. 

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Der Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) bewertet neben der Effizienz der Gebäudehülle und der Gesamtenergie zusätzlich die Emissionen des klimaschädlichen Treibhausgases CO2. Dabei erhalten Gebäude ohne direkten CO2-Ausstoss das Emissions-Rating A (grün). Anschliessend geht es in Fünferschritten bis zum G (rot) für Gebäude, die zur Wärmeerzeugung mehr als 25 kg CO2 pro Quadratmeter Energiebezugsfläche im Jahr ausstossen. Genau diese Bewertung der CO2-Intensität ist nun flächendeckend auf der Karte ersichtlich (s.u.). Während man bei den Kühlschränken aber Geräte in allen Farben dieser 7er-Skala findet, gibt es bei den Immobilien praktisch nur tadellos klimafreundlich oder gnadenlos klimafeindlich.

Bewertung der CO2-Intensität von Gebäuden in GEAK-Klassen auf dem Kartenportal des Bundes

Hier gehts zur interaktiven Karten-App

CO2-Intensität Karte.png
Quelle: map.geo.admin.ch

Vereinfachte Bewertungsmethode

Wer bereits mit einem GEAK-Experten zu tun hatte weiss, dass die Beurteilung eine grosse Expertise, viele Unterlagen (Baupläne, Verbrauchsrechnungen etc.) und eine persönliche Inaugenscheinnahme des Objekts erfordert. Wie kommt der Bund für sämtliche 1,8 Mio. Wohngebäude in der Schweiz so schnell zu dieser Energieetikette? Ganz einfach: Der CO2-Ausstoss wird mit dem aus Klimaverträglichkeitstests bekannten PACTA-Immobilienmodell berechnet. Bei diesen Tests, an denen auch die Zürcher Kantonalbank teilnimmt, geht es darum, die CO2-Intensität von Immobilien- und Hypothekarportfolios zu bestimmen. Ausschlaggebend ist die jeweilige Heizung der Gebäude. Ölheizungen sind die grössten Klimasünder, und auch Gasheizungen stossen beim Verbrennungsprozess direkt CO2 in den Himmel. Alle anderen Heizungen wie Wärmepumpen, die mangels Effizienz im Kanton Zürich ab 2030 verbotenen Elektroheizungen, Fernwärme und selbst Holz gelten in diesem Modell als klimaneutral. Dies umfasst gut 40 Prozent der Gebäude. Alle anderen landen überwiegend in der schlechtesten Klasse (s. untenstehende Grafik).
 

Das Rating hängt (fast) nur von der Heizung ab

Anzahl Gebäude nach Heizungstyp und GEAK-Klasse
 

Heizungs-Rating
Quelle: Zürcher Kantonalbank

Teilweise veraltete Datengrundlage

Schlüssel für die Bewertung ist das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR), das die Wärmequelle, das Baujahr, die Wohnfläche und die Anzahl Stockwerke der Gebäude enthält. Der Bund hat das Register in den letzten 20 Jahren sorgsam aufgebaut und die Datenqualität laufend erhöht. Gleichwohl ist die für die Bewertung wichtigste Information über die Energiequelle der Heizung bei vielen Gebäuden veraltet. So stammen in der Schweiz noch immer knapp die Hälfte der Heizungsangaben aus der Volkszählung 2000. Im Kanton Zürich ist der Anteil der 20 Jahre alten Daten in den letzten zwei Jahren immerhin von 80 auf 60 Prozent gesunken. Der hinsichtlich Datenaktualität beste Kanton, Basel Stadt, hingegen hat die Heizungen nahezu aller Wohngebäude in den letzten vier Jahren vor Ort verifiziert. Ausserhalb des Stadtkantons ist angesichts der durchschnittlichen Lebensdauer einer fossilen Heizung von 20 bis 25 Jahren davon auszugehen, dass gewisse Gebäude, für die im GWR noch eine Öl- oder Gasheizung eingetragen ist, inzwischen eine klimafreundliche Heizung aufweisen.

Sanierungen nicht berücksichtigt

Eine im Vergleich zur Heizung geringe Rolle spielt der Renovationszustand des Gebäudes. Die Berechnungen des Bundes erfolgten denn auch ohne Anrechnung bereits erfolgter Sanierungsmassnahmen, obwohl der Immobilienrechner diese durchaus in die Kalkulation einbeziehen kann. Die Informationen fehlen dem GWR jedoch bislang schlichtweg. In Wirklichkeit dürften unsere Gebäude besser gedämmt und energieeffizienter sein, als es das Baujahr vermuten lässt. Wir haben nachgerechnet, welche Verringerung mit welchem Sanierungsumfang erreichbar ist: Wenn sämtliche Gebäude der Schweiz von der Kellerdecke über Fassaden und Fenster bis zum Dach im letzten Jahr vollständig saniert worden wären, würden sich ihre CO2-Emissionen rechnerisch um knapp 80 Prozent reduzieren. Der Wohngebäudepark insgesamt erreicht mit dieser extremen Annahme ein GEAK-C (siehe untenstehende Grafik), was in Bezug auf das Klimaziel noch immer deutlich zu wenig ist. Eine Vollsanierung reicht somit nicht aus. Bis 2050 müssen sämtliche Öl- und Gasheizungen durch klimafreundliche Heizungen ersetzt sein. In Anbetracht ihrer Lebensdauer sollten folglich schon heute besser keine fossilen Heizungen mehr installiert werden.

Wer die Wirkung von Sanierungsmassnahmen simulieren oder das Resultat tatsächlich erfolgter Renovationen ermitteln möchte, kann dies über die ebenfalls auf der genannten Plattform bereitgestellte Online-Version des Immobilienrechners für jedes beliebige Wohngebäude tun. Die Angaben haben aber keinen Einfluss auf das offiziell publizierte Rating. Es ist jedoch geplant, das Label von GEAK-Zertifikaten zu übernehmen, sobald die rechtlichen Rahmenbedingungen gegeben sind. In einer weiteren Ausbaustufe soll das GWR zudem um Sanierungsinformationen erweitert werden.
 

Rating CO2-Intensität [kg/m2 pro Jahr]

Wohngebäude Schweiz

Rating-Faktoren
Quelle: Zürcher Kantonalbank

Wohin führt die Transparenz?

Die in den GEAK-Klassen veröffentlichten CO2-Ausstösse basieren fraglos auf einem vereinfachten Modell mit zum Teil veralteten Eingabedaten und ohne Berücksichtigung erfolgter Sanierungen. Die Unsicherheit ist insbesondere im Altbau gross. Im sanierten Zustand wären die GEAK-Ratings deutlich weniger stark auf A und G polarisiert. Das Modell ist ein guter Ansatz, jedoch sollten bald auch Sanierungen berücksichtigt und insbesondere falsche Heizungsangaben im GWR korrigiert werden. Grundsätzlich ist die mit der Veröffentlichung der CO2-Intensität gestiegene Transparenz auf dem Immobilienmarkt, der von grosser Informationsasymmetrie zwischen Käufern und Verkäufern geprägt ist, sehr zu begrüssen. Der Bund möchte damit den erforderlichen Weg zu Netto-Null beschleunigen und zugleich über die Rückmeldungen der Eigentümer die Datenqualität des GWR verbessern.

Am Wechsel zu erneuerbaren Energien und an der Senkung des Energiebedarfes führt kein Weg mehr vorbei. Verkäufer von Wohnungen und Häusern mit fossilen Heizungen müssen sich auf eine geringere Nachfrage und Zahlungsbereitschaft einstellen. Wer würde einen Kühlschrank der Energieeffizienzklasse G kaufen, wenn es zum selben Preis einen vergleichbaren A-Klasse-Kühlschrank gäbe?

Das betrifft in besonderem Masse Eigentümer von Mehrfamilienhäusern, die häufig an Institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen verkaufen. Institutionelle, die mit der aktuellen Zinsentwicklung ohnehin wieder alternative Anlagemöglichkeiten haben, geraten beim Immobilienbesitz zunehmend unter öffentlichen Druck. Sie planen erforderliche Sanierungsaufwände ein und halten sich beim Kauf von Objekten in schlechtem energetischem Zustand und mit fossiler Heizung umso mehr zurück. Sie haben sich in der Regel konkrete Absenkpfade gesetzt und wollen ihr Portfolio nicht verschlechtern. Es muss ferner ein gewisses Mietpotenzial vorliegen, damit sich aufgestaute umfassende Sanierungsmassnahmen rechnen. Mieter dürften immerhin inzwischen bereit sein, für klimafreundliches Wohnen eine höhere Nettomiete zu bezahlen. Sie mussten schliesslich im letzten Jahr aufgrund der stark gestiegenen Preise von Öl und Gas über die Nebenkosten teuer für schlecht isolierte Altbauwohnungen bezahlen.

Selbst bei Erstkäufern von Eigenheimen sind die Zeiten, in denen sie der Heizung mangels Klimabewusstsein wenig Beachtung schenkten, vorbei. Derweil bieten auch Banken im Rahmen des Finanzierungsgespräches ein erweitertes Beratungsangebot. Sie thematisieren nicht nur das Heizsystem, sondern auch den energetischen Zustand des Objekts und weisen mit Renovationsrechnern auf allfällige Sanierungen hin. Die Transparenz wird weiter zunehmen, und auch die Bewertungsmodelle der Finanzinstitute werden diesen Faktor in Zukunft berücksichtigen.

Der Weg zu Netto-Null ist holprig. Ein transparenter Überblick über den CO2-Ausstoss auf Gebäudeebene auf Basis besserer Daten wird helfen, ihn zu ebnen.
 

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