Dem Marktwert auf der Spur

Wie die Zürcher Kantonalbank Immobilienpreise schätzt: Julia Lareida, Leiterin Immobilienmodelle, erläutert es.

Text: Johanna Stauffer / Bilder: Flavio Pinton

Julia Lareida (rechts) und ihr Team untersuchen Immobiliendaten mit Hilfe statistischer Verfahren.
Julia Lareida (rechts) und ihr Team untersuchen Immobiliendaten mit Hilfe statistischer Verfahren.

1,8 Millionen Franken für eine 3-Zimmer-Wohnung in Wiedikon: Komplett überzogen, dem Marktniveau entsprechend oder sogar vergleichsweise günstig?

Den «angemessenen» Wert einer Immobilie zu bestimmen, ist gar nicht so einfach. Erst recht nicht bei den stark steigenden Preisen der letzten Jahre. Was gestern noch als Wucher durchging, könnte heute bereits dem Durchschnitt entsprechen, insbesondere an attraktiven, städtischen Lagen. Aber genau dieser Marktwert ist zentral bei der Hypothekenvergabe, ist er doch der Richtwert für die maximale Belehnung.

Bei der Zürcher Kantonalbank ist das Team rund um Julia Lareida, Leiterin Immobilienmodelle, für die Berechnung zuständig. Sie geschieht mit Hilfe eines komplexen, hedonischen Modells – dem HEDO. Es kommt sowohl bei der Bewertung von Stockwerkeigentum als auch Einfamilienhäusern zum Einsatz.

Alleinstellungsmerkmal HEDO

In dieses HEDO fliessen insgesamt über 35'000 Transaktionen der letzten Jahre ein. Als grösster Finanzierer im Kanton kann die Zürcher Kantonalbank dabei auf viele eigene Daten zurückgreifen. Durch Hinzunahme von Daten des Swiss Real Estate Datapool (SRED), welche Transaktionen aus der ganzen Schweiz beinhalten, ist das HEDO auch ausserhalb des Kanton Zürichs in der Lage, den Wert von Immobilien marktnah zu schätzen. Dass die Zürcher Kantonalbank über ein eigenes HEDO-Modell verfügt – und das schon seit über zwanzig Jahren –, ist im Übrigen ein Alleinstellungsmerkmal. Andere Banken nutzen üblicherweise die Dienste von externen Anbietern.

Jedes Quartal kalibriert die Bank das Modell. Das heisst: Alle verfügbaren Transaktionen inklusive des vergangenen Drei-Monats-Intervalls werden eingespeist. So stellt die Bank sicher, dass die neuesten Preisentwicklungen im Modell reflektiert sind. Daneben wird dieses jährlich noch einmal auf seine Aktualität überprüft.

«Diese quartalsweise Rekalibrierung ist immer wieder spannend. Wir erhalten einen ersten Eindruck, in welche Richtung sich der Eigenheimmarkt bewegt und welche regionalen Unterschiede es gibt», sagt die promovierte Volkswirtin Julia Lareida. So stiegen die Wohneigentumspreise im Kanton Zürich im vierten Quartal 2022 auf ein Rekordhoch, insbesondere auch in den Seeregionen; das Preiswachstum geht aber insgesamt deutlich zurück – das Ende der Negativzinspolitik zeigt Spuren.

Das Team Immobilienmodelle der Zürcher Kantonalbank: Julia Lareida, Benedikt Lennartz, Andrea Horehájová und Gerd Gisler (v.l.n.r.).
Das Team Immobilienmodelle der Zürcher Kantonalbank: Julia Lareida, Benedikt Lennartz, Andrea Horehájová und Gerd Gisler (v.l.n.r.).

Nicht nur die Quadratmeter zählen

Und anhand dieser tatsächlichen Transaktionen kann Julia Lareida herausrechnen, welche Eigenschaft welchen Einfluss auf den Kaufpreis hatte – und dies wiederum dann als Grundlage für aktuelle Bewertungen nutzen. Bei den Eigenschaften handelt es sich nicht nur um naheliegende Faktoren wie Quadratmeter, Zimmerzahl oder Quartier, sondern auch um Aspekte wie Entfernung zu Arbeitsplätzen, Mikrolage, Anzahl Bäder, Grösse eines Balkons – um nur einige zu nennen. Derzeit identifiziert die Bank rund dreissig solcher Faktoren. Viele davon, zum Beispiel die Mikrolage, kommen dabei aus dem GIS-Team. Die enge Zusammenarbeit ist daher ein entscheidender Vorteil.

Doch auf diesen Ergebnissen ruhen sich Julia Lareida und ihr Team nicht aus. Denn die relevanten Faktoren, die den Wert einer Immobilie beeinflussen, verändern sich laufend. Zurzeit sind zum Beispiel nachhaltigkeitsrelevante Eigenschaften von Immobilien ein grosses Thema, wie der Heizungstyp, aber auch Solarpanels oder Sanierungen. Auch die Mikrolage bietet Potenzial hinsichtlich weiterer Verbesserungen. So ist Julia Lareida derzeit gemeinsam mit dem GIS-Team daran, die 3D-Aussicht der Gebäude in die Preisberechnung mit einzubeziehen. So, dass der Preis stockwerkgenau geschätzt werden kann.